Nach mehr als 30 Jahren: Westönnen verliert seinen Hausarzt
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Nach mehr als 30 Jahren: Dorf verliert seinen Hausarzt

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Die chronische Lungenerkrankung COPD ist nicht heilbar. Atemnot, Husten und Auswurf sind die häufigsten Symptome.
Dr. Alfred Klump verabschiedet sich in den Ruhestand. © Christin Klose / DPA

Ende Juni ist Schluss. Dann geht der Hausarzt in den Ruhestand. Einen Nachfolger für seine Praxis hat der Mediziner allerdings nicht gefunden.

Westönnen – Es ist ein neuerlicher Nackenschlag. Aber keiner, dessen Folgen ein Hausarzt kurieren könnte. Zumindest in Westönnen nicht. Denn dort wird es wohl bald keinen Allgemeinmediziner mehr geben. Ende Juni wird Dr. Alfred Klump seine Hausarzt-Praxis an der Westönner Schützenstraße aufgeben.

Äußern will sich der Mediziner dazu zwar nicht, ließ er am Dienstag auf Anfrage wissen. Klump teilte aber mit, dass die Praxis „mangels Nachfolge“ geschlossen wird, und zwar am 30. Juni dieses Jahres nach mehr als 30 Jahren hausärztlicher Tätigkeit. Westönnen droht damit, was der größte Ortsteil Büderich seit geraumer Zeit erlebt: ein Dorfleben ohne Hausarzt vor Ort.

Patienten müssen neuen Hausarzt suchen

Ganz überraschend kommt der Abschied des Arztes aus Altersgründen nicht. Zuletzt hatte Klump die ehemalige Gemeinschaftspraxis allein betrieben, nachdem Ende 2020 sein beruflicher Partner Andreas Jockenhöfer mit 68 Jahren in Rente gegangen war. Damals war der Verbleib von Klump als Sicherung der medizinischen Versorgung im Ortsteil gewertet worden. Aber auch 2020 galt schon: Für Jockenhöfer fand sich kein Nachfolger. Er und Klump waren 1993 in die Fußstapfen der Vorgänger Heiner und Maleen Osterwinter getreten.

Die Patienten müssen sich nun also einen neuen Hausarzt suchen. Die Praxisaufgabe reiht sich ein in die von vielen Ärzten, die in den Ruhestand gingen, aber keinen Nachfolger fanden. In Büderich war das zuletzt Dr. Schickentanz, nach dessen Ausscheiden es keinen Nachfolger gab.

Quote sogar verbessert

Dabei hatten es zuletzt zumindest in der Stadt Werl einige Neubesetzungen von Praxen gegeben. Nach den aktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat sich die Versorgungsquote für den „Mittelbereich Werl“, der Ense und Wickede einschließt, sogar leicht verbessert. Im Oktober 2022 hatte der Versorgungsgrad im Mittelbereich Werl mit 81,1 Prozent als „noch stabil“ gegolten. Aktuell liegt diese Quote im Mittelbereich Werl bei 84,9 Prozent. Das entspricht 29,25 Hausärzten. Um bei 100 Prozent zu liegen und damit als vollversorgt zu gelten, müsste es rein rechnerisch 34,4 Hausärzte in Werl, Wickede und Ense zusammen geben (aktuell gültiger Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Westfalen-Lippe von November 2023). Noch vor 18 Monaten lag die Zahl bei 27,75 Hausarztstellen.

Das sagt die Kassenärztliche Vereinigung

Die Kassenärztliche Vereinigung betont, dass ein Herunterbrechen auf einzelne Städte oder Gemeinden nicht möglich ist. Stadtscharfe Zahlen gibt es also nicht. Und schon gar nicht eine Einzelbetrachtung von Ortsteilen wie Westönnen. Für die Patienten dort dürfe es auch kein Trost sein, dass sich im Mittelbereich die Situation zuletzt verbessert hatte. Eine Hausarztsuche gilt unverändert als schwierig, weil viele Praxen voll sind und keine Patienten mehr aufnehmen.

Neben dem Versorgungsgrad ist für die KV auch die Altersstruktur der Ärzte vor Ort wichtig, „um die Versorgungssituation in einem Planungsbereich einzuschätzen“. Im Mittelbereich Werl seien derzeit 40 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre. Das entspreche „exakt dem Landesdurchschnitt von Westfalen-Lippe“. Auch dieser Wert ist zuletzt etwas gesunken, was durch das Nachrücken jüngerer Ärzte zu erklären ist.

Zum konkreten Einzelfall des Ausscheidens von Dr. Klump macht die KV „aus Datenschutzgründen keine Angaben“. Eine gesetzliche Meldepflicht für Praxisabgeber bestehe nicht. Aber grundsätzlich setze sich die KVWL „für einen möglichst reibungslosen Übergabeprozess ein, für Praxisabgeber und potenziellen Nachfolger gibt es zahlreiche Beratungsangebote“.

Wegfall der Förderung

Was aber erschwerend hinzukommt: Werl ist – vermutlich durch die grundsätzliche Verbesserung der Versorgungsquote – nicht mehr im Förderverzeichnis gelistet. Eine finanzielle Förderung soll Ärzten eine Niederlassung an Orten mit Problemen der ärztlichen Versorgung schmackhaft machen. Ärzte erhalten besondere Unterstützungsmaßnahmen, beispielsweise die Gewährung von Darlehen zum Praxisaufbau oder zur Praxisübernahme, auch für Einrichtungen. „Diese müssen nur zu einem geringen Teil zurückgezahlt werden, wenn die Förderempfänger mindestens drei Jahre in der ärztlichen Versorgung tätig sind.“ Diese Förderung hatte geholfen, neue Ärzte nach Werl zu holen.

KV: Unterversorgung erst bei unter 75 Prozent

Die Basis-Verhältniszahl für die hausärztliche Versorgung beträgt derzeit 1 607 Einwohner je Arzt. Ab einem Versorgungsgrad von 75 Prozent der hausärztlichen Versorgung wird geprüft, ob eine Unterversorgung droht. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) aktualisiert die Werte zweimal im Jahr, jeweils im Mai und November. Neue Zahlen werden Ende Mai erwartet. Grundsätzlich, so die KV, werde die Nachbesetzung von Arztsitzen vor allem im ländlichen Bereich schwieriger, „da sich nicht genug junge Medizinerinnen und Mediziner für eine (eigene) Praxis entscheiden“. Standortfaktoren wie moderne Infrastruktur, geeignete Praxisräume zu bezahlbaren Konditionen, gute ÖPNV-Anbindung, Kinderbetreuungsangebote, Jobmöglichkeiten für Partner oder Unterstützung bei der Personalsuche seien Aufgabenfelder für Kommunen.

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