LSBTIQ LGBTIQ
Eine riesige Regenbogenfahne als Symbol aller der LGBTIQ-Gruppe zugehörig fühlenden Menschen in aller Welt, hier in Hamburg.
IMAGO/Markus Tischler

Mit über 100.000 Befragten aus 30 europäischen Ländern ist sie eine der weltweit größten Umfragen zum Thema Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen. Die in Wien ansässige EU-Agentur für Grundrechte (kurz GRA beziehungsweise auf Englisch FRA) hat sich die Erfahrungen, Sichtweisen und Herausforderungen dieser Personengruppe in Europa angesehen und die Ergebnisse am Dienstag publiziert.

Zunächst zu den Abkürzungen: Die deutsche Abkürzung LSBTIQ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queers. Ebenfalls üblich ist – auch im Deutschen – das englische Akronym LGBTIQ (Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Intersex, Queers). Das manchmal benutzte Sternchen bedeutet, dass auch alle weiteren, nicht benannten Identitäten mitgemeint sind.

Mobbing an Schulen

Es ist die dritte derartige Studie der EU-Agentur für Grundrechte. In der aktuellen wurden auch die wichtigsten Veränderungen im Vergleich zu den früheren FRA-Umfragen in den Jahren 2019 und 2012 hervorgehoben.

Kurz zusammengefasst, über die 27 EU-Länder plus Albanien, Nordmazedonien und Serbien hinweg, zeigt sich in dem Bericht: LGBTIQ-Personen leben in der heutigen Zeit größtenteils offener. Aber: Belästigung, Mobbing und Gewalt nehmen teils auch zu.

Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sich in der Öffentlichkeit nicht zu verstecken, ihre sexuelle Identität offen leben zu können. Gleichzeitig vermeiden viele Personen es aber nach wie vor, in der Öffentlichkeit mit dem Partner oder der Partnerin Händchen zu halten – aus Angst vor Angriffen.

Verbesserungen und Verschlechterungen

Die Befragungen würden also ein durchaus "paradoxes" Ergebnis liefern, wird in der Studie festgehalten. Es gebe zwar doch einige "Hoffnungsschimmer" und "zögerliche Fortschritte". So nehme die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen langsam ab, sie bleibe jedoch nach wie vor auf einem hohen Niveau. Verzeichnet wird ein "alarmierender" Anstieg von Gewalt, Mobbing und Belästigung – vor allem an Schulen – sowie Hasskriminalität.

Über zwei Drittel der Personen sagten, in der Schule bereits gemobbt worden zu sein, und zwar generationsübergreifend in allen EU-Ländern. Das bedeutet einen starken Anstieg im Vergleich zu 2019: In dem Jahr betraf das die Hälfte der befragten Personen. Allerdings: Mehr Schulen würden mit Themen rund um sexuelle Orientierung und Identität vergleichsweise positiver und proaktiver umgehen. Zumindest eine von fünf LGBTIQ-Schülerinnen und -Schülern gab das so an.

Diskriminierung kaum sichtbar

Mehr als die Hälfe der Befragten bestätigte, bereits Opfer hassmotivierter Belästigung gewesen zu sein. Im Jahr 2019 war es noch ein Drittel. Mehr als ein Drittel der Personen sagte, selbst schon einmal über Selbstmord nachgedacht zu haben. Bei den Jungen ist es sogar mehr als die Hälfte.

Eine von drei Personen bejahte die Frage, ob sie in ihrem täglichen Leben aufgrund ihrer Identität bereits diskriminiert worden sei. Das bedeutet einen leichten Rückgang im Vergleich zu 2019, als es zwei von fünf waren. Dennoch sei die Diskriminierung nach wie vor kaum sichtbar, da im Schnitt nur einer von zehn Vorfällen gemeldet werde.

Eher offen in Österreich

Unterstrichen wird in dem Bericht auch, dass die Erfahrungen der befragten Personengruppe in der EU sehr unterschiedlich aussähen und auch die Herausforderungen anders seien, mit denen sie im jeweiligen Land konfrontiert seien. Österreich schneidet dabei in manchen Punkten besser ab als der Durchschnitt, in manchen schlechter.

37 Prozent gaben beispielsweise hierzulande an, immer oder zumindest oft auf öffentliches Händchenhalten zu verzichten, EU-weit sind es 53 Prozent. 17 Prozent meiden demnach bestimmte Gegenden – versus 29 Prozent im EU-Schnitt. Und 60 Prozent der Befragten befinden, sie seien in Österreich ziemlich oder sehr offen mit ihrer Identität (Mittelwert der 27 Mitgliedsstaaten: 51).

Die Angaben zu Diskriminierung am Arbeitsplatz sind mit 19 Prozent etwa gleich wie die 20 Prozent im EU-Durchschnitt. Ebenso wie der Anteil jener Befragten in Österreich (sechs Prozent), die im vergangenen Jahr angegriffen wurden (versus fünf Prozent). Während 54 Prozent im EU-27-Mittel antworteten, sie seien in den letzten zwölf Monaten belästigt worden, waren es in Österreich mit 60 Prozent mehr.

Mehr Mobbing an Schulen in Österreich

Höher ist auch die Anzahl jener, die angeben, hierzulande in Schulen gemobbt worden zu sein (73 Prozent gegen 67 Prozent in der EU). Weniger Personen gaben in Österreich hingegen an, dass die Gewalt sowie die Intoleranz gegen LGBTIQ-Personen zugenommen hätten. Im ersten Punkt waren es 49 Prozent in Österreich und 59 im EU-Schnitt, im zweiten und 47 versus 53.

In Österreich geben allerdings 30 Prozent der Befragten an, mit Praktiken der sogenannten Konversionstherapie konfrontiert gewesen zu sein. EU-weit sind es 24. Gemeint ist damit der Versuch, Geschlechtsidentitäten oder die sexuelle Orientierung zu verändern. In Österreich sind diese umstrittenen Methoden anders als in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern erlaubt.

Die SPÖ leitet aus den Umfrageergebnissen einen "massiven Nachholbedarf" ab. Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner sah in einer Aussendung die Bundesregierung gefordert und plädierte für einen Nationalen Aktionsplan gegen Hass und Gewalt. "Es darf im Jahr 2024 nicht zur Diskussion stehen, ob queere Menschen ein sicheres und selbstbestimmtes Leben führen können."

Reaktionen

Die Grundrechteagentur wird den Bericht auf der vom belgischen EU-Ratsvorsitz organisierten Veranstaltung "Pride Alliances and Policy" vorstellen, die am 17. Mai in Brüssel stattfindet. FRA-Direktorin Sirpa Rautio sagte mit Blick darauf: "Offen LGBTIQ zu sein, sollte in Europa kein Kampf sein." Und weiter: "Wir müssen endlich entschlossen handeln und auf den Fortschritten aufbauen, die wir erzielt haben, damit alle Menschen in der EU gleich behandelt werden und in Würde und Respekt leben können."

Auch die EU-Kommissarin für Gleichheitspolitik, Helena Dalli, äußerte sich: Die Ergebnisse der FRA-Umfrage würden dabei helfen, "uns die Fortschritte zu ermitteln, die wir erzielt haben, und die Herausforderungen aufzuzeigen, die noch vor uns liegen". Sie ermutige daher "alle Mitgliedsstaaten, die Daten zu nutzen, um eine solide Politik zur Bekämpfung von Diskriminierung und zum Schutz der Rechte aller LGBTIQ-Personen zu entwickeln". (giu, 14.5.2024)