Mehrere Angriffe auf Vertreter der Ampel-Parteien haben in den vergangenen Tagen für eine Debatte in der Bundesrepublik gesorgt. So wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag (7. Mai 2024) von einem Mann in einer Bibliothek hinterrücks in den Nacken geschlagen. In Dresden wurde die Grünen-Spitzenkandidatin für den Stadtrat, Yvonne Mosler, beim Aufhängen von Wahlplakaten angerempelt, angespuckt und bedroht.

Dabei soll auch der Hitlergruß gezeigt worden sein. Ebenfalls in Dresden wurde am Freitag (3. Mai 2024) der SPD-Politiker Matthias Ecke von einer Gruppe derart brutal zusammengeschlagen, dass er einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome und Schnittverletzungen im Gesicht erlitt. Zuvor wurden Aggressionen gegen und Angriffe auf Grünen-Politiker in Brandenburg und Essen bekannt. Die Bamberger SPD-Kreisvorsitzende Eva Jutzler zeigt sich angesichts der Entwicklungen besorgt - und berichtet gegenüber inFranken.de von selbst erlebten Anfeindungen auf offener Straße

Männergruppen bepöbeln SPD-Vorsitzende in Bamberg - "hinter den Stehtisch" geflüchtet

"Im vergangenen Landtagswahlkampf habe ich zwar keine körperlichen Angriffe, aber Pöbeleien und Beschimpfungen erlebt", sagt die 48-Jährige, die damals als Direktkandidatin für einen Sitz in München kandidierte. "Das sind Dinge, die ich bisher aus Wahlkämpfen so nicht kannte." Die Vorfälle seien allesamt an Infoständen in der Bamberger Innenstadt passiert. "An der Haustür waren die allermeisten Menschen im Einzelgespräch sehr freundlich, dort gab es keine Zwischenfälle."

Die pädagogische Fachkraft, die hauptberuflich in einer Kita tätig ist, spricht von einer "äußerst aufgeheizten Stimmung in der Fußgängerzone". Dabei seien "meist Männer im Alter von 25 bis 35 Jahren, oft in Gruppen, an uns herangetreten", schildert sie. "Wir haben festgestellt, dass sie sich zuvor häufig am benachbarten AfD-Stand aufgehalten haben und danach zu uns gekommen sind. Dann hieß es 'Scheiß-Ampel', wir wären sowieso an allem schuld und ob ich die Lügen, die ich hier erzähle, eigentlich selbst glauben würde", schildert Jutzler. 

Speziell nach der Flugblatt-Affäre um Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) habe sich "die Schraube nochmal angezogen, die Leute haben sich mehr getraut", so ihre Beobachtung. "Im Vorbeilaufen sind dann auch Beschimpfungen wie zum Beispiel 'Sozen-Schlampe' gefallen. Man ist da zum Glück nie alleine, sondern hat immer Menschen dabei, die einem helfen. Oft bin ich auch hinter den Stehtisch gegangen, denn regelmäßig kamen mir aufgebrachte Leute deutlich zu nah", sagt Jutzler. Die Anfeindungen hätten sich gehäuft gegen die Vertreter von SPD und Grünen gerichtet, so die 48-Jährige. 

"Verrohung der Sprache": Eva Jutzler warnt Politikerkollegen - Wut nicht "bedienen"

Nach den jüngsten Vorfällen spiele auch im Europawahlkampf "die Sorge vor Angriffen" mit. "Wir machen aber einfach weiter, suchen das Gespräch und gehen in Grüppchen plakatieren. Das war zuvor aber auch schon so", betont die Bambergerin. Bei einem ersten Infostand zur Europawahl am Samstag (4. Mai 2024) habe sie eine "deutlich bessere Stimmung" erlebt, das gebe ihr Hoffnung. "Ich dachte schon 'oh nein', als doch ziemlich viele Menschen an den Stand kamen, aber dann waren es alles Interessierte, die mich gar nicht anpöbeln, sondern tatsächlich Dinge wissen wollten", schildert Jutzler. 

Den Hintergrund für die offenbar zunehmenden Aggressionen gegen Politiker sieht die SPD-Vorsitzende in einer "zunehmenden Verrohung der Sprache, insbesondere in den sozialen Medien".  Die Wut werde dann auch von Politikern "bedient", meint Jutzler. "Wer als politisch Aktiver, dem ich einen gewissen Intellekt unterstelle, gerade nicht aufpasst, wie er sich ausdrückt, trägt dazu bei, dass Worte in Taten umschlagen", sagt sie. "Hubert Aiwanger macht zum Beispiel keinen Hehl aus seiner Sprache und gibt damit eine Legitimation für alle. Jeder glaubt, er habe das Recht, andere zu verunglimpfen", so ihre Beobachtung.

Beim Nockherberg im Februar hatte Kabarettist Maxi Schafroth Söder und Aiwanger in der Fastenrede vorgeworfen, eine "Spirale der verbalen Hochrüstung" abzuliefern. "Man muss sich fast schon dafür entschuldigen, dass man in der Fußgängerzone steht und seine Meinung äußert", sagt die SPD-Vorsitzende. "Wer nicht aufpasst, heizt das Ganze an", betont sie. Die große Bedeutung der Europawahl am 9. Juni 2024 ist vielen Menschen indes gar nicht bewusst. Eine Übersicht der Kandidaten findet ihr hier. Weitere Nachrichten aus Bamberg gibt es im Lokalressort.