Schauspielerin Katrin Sass zieht es zurück in alte Heimat
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Interview

Darum zieht es Katrin Sass zurück in ihre alte Heimat

Schwerin / Lesedauer: 7 min

Katrin Sass will zurück nach Mecklenburg. Vor dem Umzug ist sie aber sowieso nochmal hier – mit ihrem aktuellen Programm. Gerlinde Bauszus sprach vorab über ihre Beweggründe.
Veröffentlicht:18.05.2024, 19:17

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Wann und wo begann Ihre Freude am Singen?

Angefangen hat es im Schlafzimmer meiner Eltern. Dort stand ein Dreifach-Spiegel, den man aufklappen und drehen konnte. Mit der Haarbürste in der Hand habe ich mich davorgestellt und losgesungen.

Was bewirkt Musik bei Ihnen, was löst sie aus?

Ich fühle mich einfach wohl dabei, auch irgendwie freier. Mir gefällt es, bestimmte Deutungen in der Musik auszumachen, zwischen den Zeilen zu lesen. Es berührt meine Seele. Deshalb freue ich mich, wenn sich junge Musiker über die Inhalte ihrer Titel einen Kopf machen, deutsche Texte schreiben, in meiner Sprache singen, wie Andreas Bourani, Ben Zucker oder Tim Bendzko „Muss nur noch schnell die Welt retten“. Schade nur, dass es davon zu wenige gibt. Vermisst habe ich das auch beim jüngsten Eurovision Song Contest, als unser Kandidat in englischer Sprache antrat.

Wie entwickelte sich die Idee, Ihre musikalische Passion auf der Bühne auszuleben?

So direkt gab es die gar nicht. Ich war ja Schauspielerin und bis 1990 fest am Theater engagiert. Irgendwann habe ich mal erwähnt, dass ich gern nebenbei singen oder ein musikalisches Programm machen würde. Seinerzeit war das aber kaum möglich. Es gab zu viele Hürden und Hindernisse. Doch dann lief 2003 „Good Bye, Lenin“ über die Leinwand und plötzlich hieß es: „Die Sass kann singen!“

Katrin Sass im Sonntagskleid in Schwerin
Katrin Sass im Sonntagskleid in Schwerin (Foto: privat)

Demnach war der Film eine Art früher „Wegbereiter“ für Ihre „Königskinder“ (2013). Ein Album mit Chansons Ihrer Film-Figur Dunja Hausmann aus der Serie „Weißensee“ und selbst gewählten Titeln wie „Als ich fortging“ von Karussell oder „Über den Wolken“ von Reinhard Mey.

Ja, irgendwie schon. Damals dachte ich, machste mal was mit Augenzwinkern: halb Ost, halb West und einen Abend drumherum. Aber ich spürte schnell, so funktioniert das bei mir nicht. Mir liegt eher das Spontane: ein Liedchen „trällern“ und zwischendurch mit den Leuten reden, das macht mir am meisten Spaß. Diese Direktheit, der Austausch mit dem Publikum, waren schon immer meins.

Was ja auch Ihrem Naturell entspricht: authentisch sein, nahbar.

Das stimmt. Mir wird aber auch oft gesagt, sei mal nicht so nahbar. Darauf kann ich nur antworten: Seid ihr mal etwas nahbarer. Ich kann nicht anders, werd mich auch nicht verbiegen und so bleiben, weil es gar nicht mehr anders geht.

Wovon erzählen Ihre aktuellen Lieder „Am Wasser“?

Das ist mein Leben, die Höhen und Tiefen, Stürme und Glücksmomente. Antek Krönung hat sich für die Texte mein Buch als Grundlage genommen und sozusagen elf autobiografische Lieder geschrieben. Das ist ihm ziemlich gut gelungen. Denn die Texte haben wirklich sehr viel mit mir und meinem Inneren zu tun. Wenn man so will, ist diese Platte, wie man heute wieder sagt, mein eigentliches musikalisches Debüt.

Der bekannte Film- und Fernsehkomponist Rainer Oleak, der auch für die Puhdys, Manfred Krug und Armin Müller-Stahl gearbeitet hat, schuf die Musik. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?

Seine Arrangements, untermalt von Klavier, Akkordeon, Bass, Schlagzeug, haben mich stark beeindruckt. Sie geben mir Raum für eine ausdrucksstarke Interpretation. Wenngleich dies schon Neuland für mich war. Anfangs dachte ich, wie soll sich das alles miteinander verbinden, die Texte von Antek und die Musik von Ole. Aber dann wurde es eine wunderbare Zusammenarbeit in seiner Brandenburger Tonscheune. Er war sehr einfühlsam, hat sich Zeit genommen und mich geschickt geführt: „Leg mal hier ein bisschen mehr Gefühl rein. Gib dort mal mehr drauf. Sei du selbst, so wie du bist im Leben. Hau es raus.“ Das hat schon unheimlich Spaß gemacht. Eine tolle Zeit.

Welche musikalische Richtung liegt Ihnen besonders?

Wahrscheinlich eher die melancholische, das französische Chanson.

Könnten Sie sich auch ein Programm mit Band vorstellen?

Das gab es schon, in der Berliner „Bar der Vernunft“, mit vier Musikern. Wahrscheinlich würde ich das auch nochmal machen. Da will ich offen bleiben, immer wieder Neues ausprobieren.

Das passt zu Ihrem Lebensmotto: „Erkenne dich selbst Vagabundin“. Was ist eigentlich aus Ihrem Plan geworden, ein altes Feuerwehrauto zum Campingmobil umzugestalten?

Das hat geklappt. Vorigen Sommer bin ich damit auch schon nach Schwerin gefahren, in die alte Heimat. Der Ausbau geht weiter und mal sehen, wohin es mich das nächste Mal treiben wird.

Eines Ihrer aktuellen Lieder beschäftigt sich mit der Frage, ob „Nochmal leben“ eine Option für Sie wäre.

Katrin Sass singt: „Nochmal von vorn, wäre das die Frage, dann glaube mir, wenn ich dir sage ... alle Fehler nochmal machen ... ne, dann lieber Falten kriegen …“  Nein, bitte nicht nochmal 20 sein. Wenn überhaupt, dann 40, mit einem gewissen Reifegrad. Also „ja“ — mit dem Wissen von heute. Und „ja“ — ohne Alkohol.

… und „ja“ auch mit der Kraft jener früheren Jahre?

Oh, ich hab jetzt mehr Kraft als früher. Das ist schon verrückt. (schmunzelt)

Sie sind am Wasser geboren, haben in Rostock studiert, leben am Müggelsee, arbeiten auf einer Insel („Usedom-Krimi“). Sie sind wirklich immer „Am Wasser“.

Nachts liege ich sogar auf dem Wasser.

Wie das?

Ich habe seit 20 Jahren ein Wasserbett. (lacht)

Was macht das Wasser mit Ihnen?

Für mich hat das Wasser etwas mit Ferne und Heimweh zu tun. Auch mit Unendlichkeit oder Endlichkeit. Je nachdem, ob ich auf einen See oder das Meer schaue. Wasser war für mich immer ein Sehnsuchtsort. Ich brauche die Weite im flachen Land und das Wasser vor der Tür. Auf einem Berg zu stehen, ist nicht meins. Dort oben habe ich Ängste. Ich muss ein Stück laufen können, vom Boot ins Wasser springen, rausschwimmen. Als Schauspielstudenten sind wir abends oft mit Rotwein und Gitarre an den Strand gezogen. Damals waren wir dort allein. Heute gibt's das kaum noch. Bevor ich sesshaft wurde, wollte ich sogar mal auf einem Schiff leben. Es ist schon so: Das Wasser ist mein Zuhause.

Welche Träume haben Sie?

Ich bin gerade dabei, einen Ort für mich in meiner Mecklenburger Heimat zu finden. Ich bin ja mit 18 zur Schauspielschule, dann war ich weg aus Schwerin. In diesen jungen Jahren hat man noch nicht dieses Gefühl für Heimat. Aber jetzt schließt sich irgendwie der Kreis und ich bin intensiv am Suchen.

Also weg vom Müggelsee?

Ja, auch wenn ich hier ein traumhaftes Häuschen mit herrlichem Blick aufs Wasser habe. Aber da kann es noch so schön sein an einem Ort, alle sieben Jahre ziehe ich um. Und dieses Mal sind es schon zehn. Ich brauche den Wechsel. Das ist so, erklären kann ich es nicht. Es muss sich was bewegen, ich muss mich bewegen.

Also „Weiter immer weiter …“, wie Sie es in einem Lied auf Ihrem neuen Album singen.

Genau. Ich wurde oft in bestimmten Lebensphasen gefragt: „Frau Sass, sind sie jetzt angekommen?“ Nein, natürlich nicht! Denn Ankommen wäre bei mir ein Problem. Ich denke dann immer, da kannste ja gleich aufhören. Mein Bruder wohnt übrigens noch in der Schweriner Wohnung, in der wir drei Geschwister geboren worden. Wenn ich ihn besuche, ist meine ganze Kindheit wieder da. Das ist schön, für den Moment. Aber auf Dauer wäre das nichts für mich. Ich würde verrückt werden.

Was erwartet Ihr Publikum am 24. Mai im Landestheater Neustrelitz: lesen, singen, plaudern?

Ja, es wird eine musikalische Lesung geben. Wir haben vorab gemeinsam überlegt, wie wir das Programm gestalten wollen: Zur Lesung wird es die entsprechende Musik geben. Ich denke, das macht sich gut. So kann ich mit meinen Liedern und Texten zusammen mit dem Publikum das Leben weiter erkunden, neue und alte Horizonte entdecken.

Katrin Sass ist mit ihrem Programm "Am Wasser" am  24. Mai um 19.30 Uhr im Landestheater Landestheater Neustrelitz zu erleben. Das Theater stellt unserer Zeitung zweimal zwei Freikarten zur Verfügung. Bei Interesse senden Sie einfach bis 21. Mai eine Mail an [email protected]