Neue Studie zur Vererbung von Alzheimer: Was ist dran? | BR24
Alzheimer-Patient in einer Reha-Klinik.
Bildrechte: picture alliance / Zoonar | DAVID HERRAEZ CALZADA

Die meisten Menschen erkranken im Alter an Alzheimer. Nur selten tritt die Krankheit bei jungen Menschen auf, dann ist sie oft erblich bedingt.

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Neue Studie zur Vererbung von Alzheimer: Was ist dran?

Bestimmte Gen-Varianten können im Alter eine Erkrankung an Alzheimer begünstigen, das ist bekannt. Dazu gehört das Risiko-Gen ApoE4. Eine Studie zeigt nun, dass dieses Gen, wenn es zweifach vorkommt, als Auslöser der Krankheit eingestuft werden kann.

Über dieses Thema berichtet: Die Welt am Abend am .

Alzheimer gilt als die häufigste Form von Demenz, in Deutschland sind aktuell mehr als eine Million Menschen daran erkrankt. Die Ursache der Erkrankung ist zwar bisher nicht genau geklärt. Eine wichtige Rolle spielt jedoch ein Proteinfragment, das sogenannten Beta-Amyloid, das sich im Hirn ablagert, sogenannte "Plaques" bildet und die Nervenzellen angreift.

Alzheimer wird in nur in seltenen Fällen vererbt

Bisher ging die Wissenschaft davon aus: Nur in seltenen Fällen geht eine Alzheimer-Erkrankung ausschließlich auf die erbliche Veranlagung zurück. Das heißt: In weniger als drei Prozent. Meistens trifft es dann jüngere Menschen ab 35 Jahren. Die Gen-Varianten, die diese frühe Alzheimer-Demenz auslösen können, sind der Forschung schon länger bekannt: Presenilin und APP.

Die meisten Patienten, rund 90 Prozent, erkranken jedoch am sogenannten Alters-Alzheimer. Der wiederum wird durch andere Gene zwar begünstigt, aber eben nur begünstigt, nicht zwingend ausgelöst. Dachte man bisher. Eines dieser Risikogene heißt ApoE4. Eine spanische Forschungsgruppe um Juan Fortea hat sich dieses Gen einmal genauer angeschaut. Und dabei festgestellt: Tritt diese Erbgutvariante doppelt auf, ist die Gefahr besonders groß, an Alzheimer zu erkranken, so das Ergebnis der Studie, die vor kurzem im renommierten Fachmagazin "Nature Medicine" publiziert wurde.

Das bedeutet: Wer die Gen Variante APOE4 also von Vater und Mutter erbt, erkrankt ziemlich sicher, nämlich mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer. "Eine doppelte Kopie dieser Variante gilt nicht mehr nur als Risiko, sondern als Ursache für eine Alzheimer-Erkrankung", bestätigt Johannes Levin, Demenzforscher am Uni-Klinikum Großhadern in München. "In diesem Fall fängt die Erkrankung auch früher an, bereits ab Mitte oder Ende sechzig, früher als normale sporadische Erkrankungen."

Alzheimer: Experten raten von Gentest ab

Für die Studie wurden die Daten von mehr als 10.000 Menschen in Europa und den USA analysiert, darunter auch die von 519 Personen mit doppelter ApoE4-Belastung. Bei ihnen konnten die Wissenschaftler schon ab einem Alter von 55 Jahren verdächtige Laborwerte feststellen, sogenannte "Alzheimer-Biomarker". Ab 65 Jahren wiesen fast alle abnorme Werte für das Alzheimer-typische Protein Amyloid im Hirn-Nerven-Wasser auf, bei 75 Prozent konnten im Gehirn Protein-Ablagerungen nachgewiesen werden.

Das Ergebnis der Studie ist unter anderem deshalb relevant, weil die Forscher davon ausgehen, dass APOE4 bei rund zwei Prozent der Bevölkerung doppelt vorkommt. Das macht die genetische Konstellation relativ häufig. Bisher war sie nicht aufgefallen, weil bei Testpersonen in Studien nicht unterschieden wurde, ob jemand das Gen einmal oder zweifach trägt. Mithilfe eines Gentests könnte man nachschauen lassen, ob man selbst diese Genvariante zweifach trägt. Demenzforscher Johannes Levin rät jedoch davon ab: "Die aktuelle Leitlinie empfiehlt, es nicht zu tun, weil es keine therapeutischen Konsequenzen hat."

Neue Erkenntnis wirkt sich nicht auf die Früherkennung aus

Das bedeutet: Nach wie vor gibt es keine Möglichkeit, die Krankheit zu verhindern oder zu heilen. Was ändert diese neu gewonnene Erkenntnis also für Betroffene? "In der Praxis erst mal nichts", sagt Nicolai Franzmeier, Alzheimer-Forscher an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Für die Wissenschaft sei diese Entdeckung aber dennoch wichtig. "Beispielsweise für künftige Therapiestudien", erklärt der Wissenschaftler. "Wie rekrutiert man dafür, welche Patienten schaut man sich genauer an, was für Kohorten bilden wir?" Diese genetischen Formen der Erkrankung seien im wissenschaftlichen Sinne wertvoll, um die Mechanismen dahinter besser verstehen zu können. Aber für die Behandlung folge daraus erstmal nichts.

Bewegung und gute Ernährung können Demenz-Risiko mindern

Auch auf die Frage, was man selbst tun kann, um das Demenz-Risiko zu mindern, um möglichst gesund zu bleiben, bleiben die Empfehlungen gleich: Sport, genug Schlaf und eine gesunde Ernährung senken das Risiko, an Demenz zu erkranken. "Man kann andere Risikofaktoren, die das Gehirn auch noch schädigen, gering halten", erklärt Nicolai Franzmeier. Beispielsweise indem man nicht raucht, wenig trinkt, auf das Gewicht achtet und Bluthochdruck reduziert.

Bis die Forschung eine wirksame Heilmethode findet, wird allerdings noch viel Zeit vergehen. "Am Ende wird es nicht ein Medikament sein, sondern es wird eine Kombi-Therapie", erklärt der Wissenschaftler. "Weil das Gehirn komplex ist und sich verändert, ergo muss man auf verschiedenen Ebenen eingreifen."

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