Wiener Konzerthaus: Das Jerusalem Quartet mit eklektischem Programm und charmanter Zugabe - Pizzicato : Pizzicato

Jerusalem Quartet
(c) Alfonso Salgueiro

Das Jerusalem Quartet zeigte sich erneut von seiner bekannten Seite, mit vollklingendem Antritt, der sehr symphonisch ausgerichtet war. Dass sie trotz dieses voluminösen Klanges alle vier Instrumente gleichwertig zur Geltung kommen ließen und eine ausgeprägte Durchsichtigkeit im Spiel gestalten konnten, zeigte einmal mehr ihre Qualitäten, meint Uwe Krusch für Pizzicato, der das Konzert im Wiener Konzerthaus erleben durfte.

Das Jerusalem Quartet mit Alexander Pavlovsky, Sergei Bresler, Violine, Ori Kam, Viola und Kyril Zlotnikov, Violoncello hatte mal wieder Felix Mendelssohn Bartholdy zur Eröffnung mitgebracht, nämlich das zweite, nominell aber erste Streichquartett in Es-Dur op. 12. Dass sie vom ersten Ton an präsent waren und mit Dynamik und Spielfreude agierten, überraschte diejenigen, das das Ensemble kennen, nicht. Das Quartett wurde, wie alle Werke des Abends, von allen Stimmen in allen Winkeln und Ecken ausgelotet. Dabei ließen sie die Musik so laufen, dass der Gesamtzusammenhang bestens zur Geltung kam. Die den Kompositionen Mendelssohns oft zugeschriebene feenhafte Leichtigkeit hatte hier zwar auch ihren Ansatz, aber bei der symphonischen Ausrichtung des Spiels mochte man dem Märchenwesen keine schwebende Anorexie attestieren, eher bodennahe Grazilität. Im Andante espressivo servierten die vier Musiker dann wieder einen Hochgenuss an exzellentem Ausphrasieren. Das Molto allegro e vivace bot klare und transparente Ensemblekunst ohne beim Tempo zu hetzen.

Einen Gruß aus ihrer Heimat hatten die Mitglieder des Jerusalem Quartets nicht nur mit den gelben Schleifen, Zeichen der Verbundenheit mit den Opfern des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden, mitgebracht, sondern auch mit dem ersten Streichquartett von Paul Ben-Haim. Der als Paul Frankenburger in München geborene wanderte nach der Machtergreifung der Nationalsolisten nach Palästina aus und benannte sich um.

Sein erstes in Palästina entstandenes Werk war das 1937 komponierte Streichquartett op. 21. Trotz klassischen Formzuschnitts mit vier Sätzen zeigte es sich im Klang an französischen Impressionisten wie Debussy oder Ravel orientiert und nicht an deutschen Vorbildern der Zeit. Folkloristische Elemente im dritten und vierten Satz sowie die modale Harmonik zeigten, wie Ben-Haim östliche mit den westlichen Musiktraditionen zu verknüpfen suchte. Mit dem virtuos schnellen zweiten Satz, einem Molto vivace, bot sich ein Anknüpfungspunkt an die Feenwelten bei Mendelssohn. Auch in diesem Werk bot das Jerusalem Quartet seine überbordende Spielkultur, so dass diese Erstaufführung im Wiener Konzerthaus einen großartigen Eindruck hinterließ.

Zum Abschluss des Programms stand mit dem Streichquartett Nr. 3 B-Dur op. 67 von Johannes Brahms ein Werk an, das der Präsentationsart des Quartetts sehr entgegen kam. Konnten sie hier doch die Fülle ihres Spiels sozusagen entspannt und unverkrampft einsetzen und trotzdem die vollmundige Musik von Brahms mit großem Antritt zeigen. So vermittelten sie mit ihrer außerordentlich großen und intensiven Spielkultur eine wunderbare Deutung dieses Werkes, bei der man die hier größere Nähe zu Haydn und Mozart denn zu Beethoven und Schubert leicht heraushören konnte. So machten sie die Komposition zu einem mit Esprit dargereichten Erlebnis.

Die Zugabe, nach den Worten des Cellisten nach dem eklektischen Programm etwas leichter, war der 3. Satz, das Adagio, aus dem Streichquartett f-moll Hob. III/35 von Joseph Haydn. Hier durfte man sich bei aller Meisterschaft feiner Darbietung noch einmal die Frage stellen, ob eine im Ton dezentere Interpretation den Charakter nicht noch charmanter hätte herauskitzeln können.

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