Die Dortmunder Steinwache – Heinrich-Heine-Gymnasium Dortmund
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Die Dortmunder Steinwache


Die Dortmunder Steinwache

(Valerian Geisselbrecht)

Die Dortmunder Steinwache wurde noch in der Weimarer Republik (1918-1933) als ein einfaches Polizei-Gefängnis erbaut und dient heutzutage als eine Mahn- und Gedenkstätte, welche an die Zeit des Nationalsozialsozialismus und deren Opfer erinnert.

Das Gebäude:

Das Erdgeschoß war die sogenannte Funktionsetage. Sie diente zur Überwachung, Kontrolle, Verhörung, Folterung und zum Kochen.

Die Gefängnisebenen erstreckten sich über drei Stockwerke und beherbergten insgesamt 46 Zellen, jeweils für 2, 4 und 6 Insassen. Die eigentliche Kapazität des Gefängnisses lag zwischen 120 und 150 Personen, doch während Ende des Zweiten Weltkrieges überstieg die Insassenanzahl dies um mehr als das vierfache. Infolgedessen kam es zu mangelnden hygienischen Bedingungen und ernsten Gesundheitsproblemen unter den Gefangenen. Es brachen sogar mehrere Male schwere Infektionen deswegen aus.

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Der Ablauf:

Von Ankunft in der Wache bis zum Tod in einem KZ: 

Der erste Raum, den die Gefangenen betreten haben, war der Verhörraum, wo sie von der GESTAPO (Geheime Staats Polizei) zur Erfassung des Namens, des Wohnortes, der Tätigkeit (Job), des Geburtsjahres (das Alter), der mit den zuletzt in Kontakt gestandenen Personen (und welche Beziehung sie zu dieser/-n Person/-en gehabt haben) und ähnlichem ausgefragt wurden. Nach dem Verhören wurden den Inhaftierten Gegenstände wie Schnürsenkel, Gürtel und Krawatten abgenommen, bevor sie in die Zellen gebracht wurden. Insassen waren Zwangsarbeiter, Kriminelle, Juden, Politische Gegner, Andersdenkende, Homosexuelle und Kirchliche Würdenträger. Darunter auch 13-15 Jährige Kinder. Die Insassen verbrachten von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen in dem Gefängnis, bis sie letztendlich in ein nahegelegenes Konzentrationslager gebracht wurden und da dann (auch durch schwere körperliche Arbeit) umgebracht wurden.

Angriffe auf Dortmund:

Bei den Bombenangriffen auf Dortmund blieb die Wache fast unversehrt, aber die Insassen waren während der Bombardements komplett auf sich selbst gestellt, da die Gefängniswächter alle geflohen waren. Es wird vermutet, dass während dieser Zeit die Eindellungen in den Zelltüren von den zurückgelassenen Gefangenen gemacht worden waren. 

Nachkriegszeit:

Das alte Gefängnis wurde von 1961 bis 1986 als Schlafstelle für obdachlose Personen umfunktioniert. In den 80er Jahren war die Wache vom Abriss bedroht, wurde aber von dem (Dortmunder) Stadtarchiv zu einer Mahn- und Gedenkstätte langfristig umfunktioniert.

Der Name „Steinwache“ hat sich mit der Zeit etabliert, da die ehemalige Wache an der (daher auch der Name) Steinstraße 50 steht.

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Unsere Führung in der Dortmunder Steinwache

(Hassan Alghazzawi)

Am 04.02. um 14:30 Uhr besuchten wir die „Dortmunder Steinwache“ für eine Führung im Polizeirevier bzw. Gefängnis.

Einleitung der Führung

Um 14:30 betraten wir das Gebäude bzw. das Gefängnis. Zuerst begaben wir uns in die frühere Wohnung des Gefängnisleiters, dort erklärte der Guide, was während der Führung passieren würde und welche Themen besprochen werden. Anschließend verließen wir das Gebäude und begaben uns nach draußen vor das Polizeirevier, wo der Guide eine kurze Erklärung zum Gebäude abgab.

Erdgeschoss

Nachdem wir das Erdgeschoss betraten, erläuterte der Guide den Aufbau des Erdgeschosses:

Toiletten, Küche, Wohnzimmer des Gefängnisleiters - hier gab es keine Zelle. Dann führte uns der Guide zum Aufnahmezimmer, wo erklärt wurde, wie die Gefangenen behandelt wurden. Hier wurden Informationen wie Religion, Name, Adresse und Grund der Verhaftung aufgezeichnet. Die Informationen wurden in einem Heft festgehalten, dessen Originale sich in einem Archiv befinden. Im Aufnahmezimmer wurden die Verhafteten geschlagen und gefoltert, damit ihre Schreie von draußen nicht zu hören waren. Die Polizisten bzw. Gestapo (Geheime Staatspolizei) drehten das Radio auf die zu höchste Lautstärke.

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Erste Etage, Homosexuelle

Anschließend begaben wir uns zur ersten Etage, wo sich die Zellen befanden. In diesem Teil der Führung erfuhren wir mehr über die verschiedenen Gefangenen, darunter politische Gegner, Sinti und Roma, Homosexuelle und Zwangsarbeiter. Ein großer Wendepunkt, so erklärte der Guide, war die Verschärfung des Paragraphen 175, der sexuelle Beziehungen verbot. In der Weimarer Republik wurde er nicht durchgesetzt, da es Liberlisierungsbewegungen gab. Im Nationalsozialismus wurden jedoch Treffcafés von Homosexuellen geschlossen und hunderte Homosexuelle allein in Dortmund verhaftet.

Auf einem Bild konnte man sehen, dass Homosexuelle ihr eigenes „Kennzeichen“ an ihrer Häftlingskleidung hatten.

Zweite Etage, Zwangsarbeiter

In der zweiten Etage wurden wir über den Einsatz von Zwangsarbeitern im nationalsozialistischen Deutschland informiert. Da mehr Arbeiter benötigt wurden, wurden Kriegsgefangene als Arbeitskräfte ohne Lohn zwangseingesetzt. Allein in Dortmund gab es 8.000 Zwangsarbeiter, und in ganz Deutschland waren es 14 Millionen, dies bedeutete, dass jeder dritte Arbeiter ein Zwangsarbeiter war. Der Guide erzählte Geschichten von Zwangsarbeitern, darunter eine von zwei Frauen, die versuchten zu entkommen, aber gefangen und schließlich ermordet wurden.

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Dritte Etage: jüdische Bevölkerung in Dortmund und festgesetzt in der Steinwache

Wir endeten unsere Führung in der dritten Etage. Hier erklärte der Guide die Schritte der Ausgrenzung und Verfolgung von Juden in Deutschland und Dortmund:

  1. Die Nürnberger Gesetze

  2. Oktober 1938: Abriss der Hauptsynagoge

  3. November 1938: Reichspogromnacht –überall in Deutschland werden von SS-Mitgliedern Synagogen verbrannt

  4. 1 April 1939: April Boykott, nationalweiter Boykott jüdischer Läden

  5. Seit 1939 wurde die jüdische Bevölkerung in sog. Judenhäusern bzw. Judenwohnungen konzentriert, um sie leichter kontrollieren und später deportieren zu können.

Opfer

Daraufhin gingen wir zu einem anderen Nebenraum, hier war das Hauptthema das Konzentrationslager Ausschwitz.

In der Pogromnacht vom November 1938 verhafteten Angehörige der Gestapo etwa drei Viertel aller volljährigen Dortmunder Juden und hielten sie in der Steinwache gefangen.

Von dort wurden viele der jüdischen Männer in das KZ Sachenhausen gebracht. 

Die Steinwache war eine Art Zwischenstelle zur Transportation Juden und anderer (z.B. politischer) Gefangener von Dortmund in ein Konzentrationslager.

Von 1933 bis 1945 waren schätzungsweise 65.000 Menschen in der Steinwache inhaftiert, etwa die Hälfte von ihnen aus politischen Gründen. Zahlreiche Funktionäre politischer Parteien und von Gewerkschaften, Vertreter der Kirchen, Juden, Sinti und Roma sowie ausländische Zwangsarbeiter wurden im Gefängnis verhört und misshandelt. 

Die Anzahl der Todesopfer kennt man nicht genau, da die Gestapo die Todesfälle nur bis 1936 auflistete. Mehrere sowjetische und polnische Zwangsarbeiter ließ die Gestapo nach einer kurzen Haftzeit erschießen. Kurz vor Kriegsende erschoss die Gestapo an mehreren Orten in Dortmund die meisten der zu diesem Zeitpunkt in der Steinwache festgehaltenen Häftlinge.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Steinwache eine bedeutende Rolle im Nationalsozialismus und in der Verfolgung verschiedener Minderheiten in Dortmund spielte.

Zugleich ist sie ein wichtiger Ort der Aufklärung und Erinnerung an die Geschehnisse und Geschichte der Vergangenheit.