Großmeister aus Karlsfeld Jürgen Kohler: „Taekwondo ist nicht nur ein Sport für mich“
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Großmeister aus Karlsfeld: „Taekwondo ist nicht nur ein Sport für mich“

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Auf sich zu vertrauen und über sich hinauszuwachsen, darum geht es beim Taekwondo für Jürgen Kohler. Das Bild zeigt den Großmeister bei der ersten Landes-Danprüfung 2024 in Bayern.
Auf sich zu vertrauen und über sich hinauszuwachsen, darum geht es beim Taekwondo für Jürgen Kohler. Das Bild zeigt den Großmeister bei der ersten Landes-Danprüfung 2024 in Bayern. © Jens Bolduan

Jürgen Kohler (58) aus Karlsfeld hat eine der höchsten Auszeichnungen im Taekwondo erhalten, den 8. Dan. Ein Portrait über einen Menschen, der nicht aufgibt.

Karlsfeld – In den Sekunden, in denen Jürgen Kohler mit seiner bloßen Hand einen Ziegelstein zertrümmert, ist sein Kopf ganz leer. Kein einziger Gedanke zieht vorbei. Da ist nur das Hier und Jetzt. Der 58-Jährige hat die Kunst perfektioniert, sich einzig und allein auf sich selbst und den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren. „Es geht beim Bruchtest nicht um Muskelkraft, sondern darum, die Hand maximal zu beschleunigen – frei von jeglichen Gedanken. Ich muss mir sicher sein: Das was ich mache, funktioniert!“, sagt er. Jürgen Kohler weiß, dass es funktioniert. Er ist ein erfahrener Taekwondoin.

Seit 35 Jahren trägt Jürgen Kohler das, wovon viele seiner Schüler träumen: den Schwarzgurt. Doch an seinem Ziel ist er damit nicht angelangt. Im Gegenteil. Auch wenn Schwarzgurtträger bereits den Titel „Meister“ tragen, so beginnen sie doch wieder von ganz unten. Beim ersten Dan. „Dann geht erst der richtige Schüler los“, erklärt der Karlsfelder.

An seinen 9. Dan denkt Jürgen Kohler noch nicht

Jürgen Kohler ist Großmeister. Vor Kurzem hat er die Prüfung zum achten Dan abgelegt. Er zählt damit zu den wenigen Taekwondoin hierzulande, die diesen Titel innehaben. An den neunten Dan, den letzten in der Rangfolge, will Kohler noch nicht denken. Erst, wenn sein Mentor, ein Taekwondo-Großmeister aus München, ihn dazu aufruft. „Sonst würde ich an ihm vorbeilaufen, und das macht man nicht“, erklärt Kohler. Das sei eine Sache des Anstands, des Respekts. Laut der asiatischen Kampfkunstphilosophie geht mit dem Erreichen einer neuen Dan-Stufe auch Macht einher. Doch Jürgen Kohler lehnt diesen Gedanken ab, wie er sagt. „Das sollte so nicht gelebt werden!“, findet er.

Jürgen Kohler geht es um etwas anderes: „Der achte Dan ist für mich eine Bestätigung für das, was ich tue.“ Sieben Jahre sind seit seiner letzten Prüfung vergangenen. Es sei schön, zu sehen, wie er sich in dieser Zeit weiterentwickelt habe. Sein ganzes erwachsenes Leben steht Jürgen Kohler auf der Matte und praktiziert Kampfsport.

Seine Familie hatte eigentlich etwas anderes für ihn vorgesehen: Fußball. Doch Jürgen Kohler merkte schnell, dass sein Herz für eine andere Sache schlug. Er hatte Filme von Bruce Lee gesehen. Und war fasziniert. Mit 13 begann Jürgen Kohler Jiu-Jitsu, dann probierte er sich im Shaolin-Kung-Fu aus, bis er schließlich seine Bestimmung fand: Taekwondo.

Der Meister der Technik aus Karlsfeld

40 Jahre lang eignete er sich die koreanische Kampfkunst beim TSV Eintracht Karlsfeld an. Fünf Mal war er bayerischer Meister in der Kategorie Technik, zuletzt im vergangenen Jahr. Zwei Mal gewann er die internationale Bayerische Meisterschaft in der Kategorie Technik. Ein großer Erfolg war für ihn auch der dritte Platz in einem internationalen Technikturnier in Dänemark.

„Es stimmt nicht, wenn ich sagen würde, es tut nicht weh, einen Ziegelstein zu zerbrechen.“ Da ist ein Schmerz, kurz und intensiv. Man muss beim sogenannten Bruchtest jedoch lernen, diesen Schmerz zu ignorieren, sagt Jürgen Kohler. Dafür braucht es viel Disziplin. Und Mut.

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In den 1980er Jahren probierte er ein viertel Jahr jeden Tag in seinem Keller, einen Ziegel mit seiner Hand zu zerbrechen. Jürgen Kohler kann sich daran noch gut erinnern. „Jeden Tag bin ich frustriert ’raufgekommen, weil das Ding sich gewehrt hat. Und wenn sich so ein Material – egal ob Ziegel, Kiesel oder Brett – einmal gewehrt hat“, sagt er und macht eine kleine Pause, „dann ist da schon ’ne Hemmschwelle.“

Doch Jürgen Kohler gibt nicht auf. Denn genau darum geht es für ihn beim Taekwondo: auf sich zu vertrauen und über sich hinauszuwachsen.

Teakwondo als feste Konstante im Leben

„Taekwondo ist nicht nur ein Sport für mich.“ Es ist eine feste Konstante in seinem Leben – nicht bloß auf der Matte in der Halle, sondern auch in seinem Alltag. „Ich hab’ durch Taekwondo gelernt: Mir passiert nichts. Ich muss mich nicht verstecken!“

Aus dem schüchternen, introvertierten Jungen wurde ein selbstsicherer Mann, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Auch nicht, sich in seinem Job vor 200 Menschen zu stellen und eine Rede zu halten. Der gelernte Karosserie- und Fahrzeugbaumeister arbeitet mittlerweile in der Erwachsenenbildung. Was Jürgen Kohler erfüllt, ist der Kontakt zu den Menschen und ihnen etwas beizubringen. Auch im Taekwondo.

Seit 1987 ist er als Trainer tätig und gibt sein Wissen weiter. „Jedes Kinderlachen ist so ein Wow-Moment. Da ist der Alltagsstress weg!“ Den Stolz in den Augen seiner Schüler zu sehen, wenn sie einen Wettkampf gewinnen oder wenn es ihnen zum ersten Mal gelingt, einen Stein mit ihrem nackten Fuß oder ihrer Hand zu zerbrechen, das sind die Momente, die den Karlsfelder Jürgen Kohler erfüllen. Es sind Augenblicke, in denen das Hier und Jetzt das Einzige ist, was zählt.

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