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Gastbeitrag von Rainer Zitelmann: Industriepolitik scheitert, weil Menschen wie Habeck an Planwirtschaft glauben
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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Kay Nietfeld/dpa Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
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Kaum einer versteht die Bedeutung der Unternehmer, die wie kreative Künstler sind und Freiheit brauchen. Dem entgegen stehen Politiker mit einem planwirtschaftlichen Denken – man nennt es heute „Industriepolitik“. Aber sie wissen nicht besser als Millionen Unternehmer und Konsumenten, was die erfolgversprechendsten Innovationen der Zukunft sind.

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Unternehmer werden missverstanden und beneidet. Sogar die meisten Wirtschaftswissenschaftler verstehen nicht, was ihre eigentliche Funktion ist, sagt der chinesische Ökonom Weiying Zhang in einem soeben erschienenen Buch.

Zhang berichtet von einem seiner Studenten, der nach dem Abschluss des Studiums eine hoch dotierte Anstellung bei einem internationalen Konzern fand. Nun überlegte er, seine eigene Firma zu gründen und fragte Zhang nach seiner Meinung. Der Ökonom fragte ihn, was seine Eltern von der Idee hielten. Sie seien total dagegen, antwortete der Student. Daraufhin empfahl Zhang dem Studenten, er solle es versuchen. „Meiner Meinung nach sind Entscheidungen, mit denen die Eltern einverstanden sind, wahrscheinlich keine unternehmerischen Entscheidungen“. Der Student folgt dem Rat und ist heute ein erfolgreicher Unternehmer.

Unternehmer sollten im Mittelpunkt der Wirtschaftswissenschaft stehen

Ich habe viele Bücher über Unternehmertum gelesen, aber das soeben bei Cambridge University erschienene Buch „ Re-Understanding Entrepreneurship. What It Is and Why It Matters“ ist das Beste. Der Autor, Weiying Zhang, lehrt an der Peking-Universität und ist der profilierteste Verfechter der Marktwirtschaft in China. Seit 40 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Unternehmertum. Zu Recht sagt er, dass der Unternehmer im Mittelpunkt der Wirtschaftswissenschaft stehen sollte – aber in vielen Lehrbüchern kommt er gar nicht vor. Wer Unternehmertum nicht versteht, kann aber die Marktwirtschaft nicht verstehen.

Viele Ökonomen sehen in dem Unternehmer so etwas wie eine Rechenmaschine. Jemand, der rational abwägt, wie knappe Ressourcen am besten eingesetzt werden. Das sei jedoch weit entfernt von der Wirklichkeit und beschreibe wenn dann eher den Manager in einer mittleren Hierarchieebene. Unternehmer sind dagegen eher wie kreative Künstler. Sie entscheiden meist mit dem Bauch, also nach ihrer Intuition. Bauchgefühl ist aber nichts Irrationales oder gar Mystisches. Es wird in der Lerntheorie als „implizites Wissen“ bezeichnet, das das Ergebnis von „implizitem“ Lernen ist. Gemeint ist damit: Sie eignen sich ihr Wissen im praktischen Leben an, durch „learning by doing“.

Der chinesische Unternehmer Jack Ma, Gründe von Alibaba, meinte: „Man braucht kein BWL-Studium. Die meisten BWL-Absolventen sind nicht brauchbar… Es sei denn, dass Sie nach ihrem BWL-Studium vergessen, was sie in der Schule gelernt haben. Dann kann man sie brauchen. Denn Schulen vermitteln Wissen, während man Klugheit benötigt, um ein Unternehmen zu starten. Klugheit gewinnt man durch Erfahrung. Wissen kann man durch harte Arbeit erwerben.”

Betriebswirtschaft ist laut Erich Sixt ein sinnloses Studium

Erich Sixt, einer der erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands,  meint, Betriebswirtschaft sei ein sinnloses Studium: „Deswegen hatte mich BWL an der Uni nicht interessiert, ein sinnloses Studium. Das Einzige, was davon zu gebrauchen ist, ist ein Semester Buchführung. Der Rest war realitätsfern und ist es auch heute noch.“ Nach zwei Semestern habe er festgestellt, dass das Wissen, was dort vermittelt werde, für sein weiteres Leben völlig belanglos sei und habe es abgebrochen.

Intellektuelle verabsolutieren akademisches Wissen, also dass, was man an der Universität lernt oder Buchwissen. Wäre es das, worum es im Wirtschaftsleben geht, dann müssten Professoren der Betriebswirtschaft die reichsten Menschen sein und erfolgreiche Unternehmer, denn sie verfügen ja über alles akademische Wissen zum Thema Wirtschaft.

Ich selbst habe Hunderte Unternehmer in meinem Leben kennengelernt, darunter einige, die gigantische Unternehmen aufgebaut und Milliarden verdient haben, jedoch nie in ihrem Leben studiert haben. Sie alle haben mir gesagt, dass sie die eigentlichen wichtigen Entscheidungen mit dem Bauch fällen. Das war auch das Ergebnis meiner Doktorarbeit über die Psychologie der Superreichen , auf die Zhang sich auch häufiger bezieht.

Unternehmer sind vor allem Chancensucher und Chancenfinder. Sie entdecken dort Chancen, wo andere sie nicht sehen. Und Unternehmer sind oft Menschen, die gegen den Strom schwimmen, Nonkonformisten. Unternehmer werden von allen missverstanden. Der Durchschnittsbürger, so Zhang, verstehe nicht, was ein Unternehmer eigentlich macht und wie er Geld verdient.

Intellektuelle glauben, sie seien dem Unternehmer geistig überlegen

Noch schlimmer sei es bei Intellektuellen, die sich dem Unternehmer für geistig überlegen hielten, weil sie mehr Bücher gelesen haben. Viele Menschen hielten Intellektuelle für besonders kluge Menschen, aber Zhang zweifelt daran. Er zitiert George Orwell mit seiner Bemerkung: „Manche Ideen sind so töricht, dass nur ein Intellektueller sie glauben kann, denn kein normaler Mensch kann so töricht sein.“

Die größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts seien von Ideen ausgelöst worden, die von vielen Intellektuellen unterstützt wurden. Viele von ihnen bewunderten Diktatoren wie Mao oder Stalin.

Und so ist es auch kein Zufall, dass das radikalste sozialistische Experiment, das sich in der Geschichte ereignete, die Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha, seinen Ausgangspunkt an Pariser Universitäten hatte, wo deren Anführer mit marxistischen Themen promovierten. Sie glaubten, man könne eine perfekte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung am Reißbrett entwerfen. Bei dem Experiment kam von Mitte 1975 bis Anfang 1979 zwischen einem Viertel und einem Fünftel der Bevölkerung Kambodschas um – die Schätzungen belaufen sich auf 1,6 bis 2,2 Millionen Menschen.

Nach Zhangs Beobachtungen ist der Antikapitalismus unter chinesischen Intellektuellen jedoch nicht so weit verbreitet wie im Westen. „Vielleicht liegt es daran, dass die chinesischen Intellektuellen mehr als zwei Jahrzehnte lang unter der Planwirtschaft gelebt haben. Ihre Erinnerungen an Hunger und Not unter der Planwirtschaft sind noch frisch, während westliche Intellektuelle das Leben unter der sozialistischen Planwirtschaft nie erlebt haben.“

Autoren, die sich für eine Planwirtschaft einsetzen

Auch in Deutschland gibt es heute wieder Autoren, die sich für eine Planwirtschaft einsetzen, wie etwa Ulrike Hermann in ihrem Buch „Das Ende des Kapitalismus“. Aber auch Politiker, die sich nicht offen für eine Planwirtschaft einsetzen, hängen oft dem planwirtschaftlichen Denken an – man nennt es heute „Industriepolitik“. Wirtschaftsminister Robert Habeck ist deren entschiedendster Verfechter.

Der Grund, warum Industriepolitik regelmäßig scheitert, so Zhang in seinem Buch, ist der gleiche, warum Planwirtschaft immer wieder gescheitert ist: Die Annahme, Politiker und Beamte wüssten besser als Millionen Unternehmer und Konsumenten, was die erfolgversprechendsten Innovationen der Zukunft seien, ist durch nichts begründet. So wie Sozialisten irren, wenn sie immer wieder erklärten, die Planwirtschaft sei im Prinzip überlegen, nur eben bislang nicht umgesetzt worden, so irren sich Vertreter der Industriepolitik, die trotz all der Fehlschläge behaupten, man brauche nur eine „bessere“ Industriepolitik.

Dass die Regierungen die Zukunft richtig voraussagen könne, sei ein großer Irrtum, so Zhang. 1992 habe ein Unternehmer in China eine Lizenz zur Autoproduktion beantragt, die ihm verweigert wurde. Die Staatliche Planungskommission erklärte damals „China hat genug Autohersteller.“ Der Unternehmer, heute extrem erfolgreich, startete sein Automobilgeschäft etwa 10 Jahre nach seinem ersten Antrag.

Erst im Nachhinein zeige sich oft das Scheitern der Industriepolitik, wie man am Beispiel Japan sehen könne. Diese sei damals für extrem erfolgreich gehalten worden und wurde in China wie den USA bewundert. Studien belegen jedoch, dass die 20 erfolgreichsten japanischen Branchen kaum gefördert wurden, während die sieben erfolglosesten Branchen die meiste staatliche Förderung erhalten hatten.

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