�u�erlich nichts aus Gold – inhaltlich Goldes Wert: 800 Jahre „Privilegium Andreanum“, des „Goldenen Freibriefs“ der Siebenb�rger Sachsen - Siebenbuerger.de
15. Mai 2024

�u�erlich nichts aus Gold – inhaltlich Goldes Wert: 800 Jahre „Privilegium Andreanum“, des „Goldenen Freibriefs“ der Siebenb�rger Sachsen

Im Dezember 1224 lie� K�nig Andreas II. von Ungarn eine Urkunde anfertigen, die auf Pergament mit brauner Tinte geschrieben und mit einem Wachssiegel beglaubigt wurde. Gold findet man unter ihren �u�eren Merkmalen nicht, wohl aber ist ihr Inhalt f�r die Siebenb�rger Sachsen von unsch�tzbarem Wert. Das hatte der gro�e G�ttinger Gelehrte August Ludwig von Schl�zer bereits 1797 erkannt, der die Urkunde als ein den Sachsen „heiliges, goldnes Privilegium“ bezeichnet hat, denn sie h�tten „diesem alten Pergament ihr ganzes politisches Daseyn, und ihr ganzes �konomisches Wolseyn, zu danken“. Nach 800 Jahren sind die Vorgaben des „Privilegium Andreanum“ schon lange nicht mehr in Kraft, sie wirken allerdings bis heute nach.

Das Doppelsiegel von Andreas II. auf wei�em Wachs

F�r manche Leserinnen und Leser mag es entt�uschend sein, dass nichts am „Andreanum“ aus Gold besteht. Manchen schwebte und schwebt die „Goldene Bulle“ desselben Ausstellers von 1222 vor, die tats�chlich mit einem Siegel aus Gold („bulla aurea“) versehen war, was man sich auch f�r das eigene Privileg gew�nscht haben mag. In der Beglaubigungsformel (corroboratio) am Ende des „Andreanums“ kann man aber ganz deutlich lesen, der K�nig habe „dieses Blatt mit dem Schutz Unseres doppelten Siegels bekr�ftigt“ (diese und weitere �bersetzungen aus dem lateinischen „Andreanum“ zitiert aus den von Ernst Wagner herausgegebenen „Quellen zur Geschichte der Siebenb�rger Sachsen“). Ein Doppelsiegel (sigillum duplex) hatte Andreas II. ab 1213 verwendet. Es zeigte auf der Vorderseite den thronenden K�nig mit Szepter und Reichsapfel, den Insignien seiner Macht (siehe Abbildung unten).
Abb. 1: Bruchst�ck eines Doppelsiegels Andreas‘ ...
Abb. 1: Bruchst�ck eines Doppelsiegels Andreas‘ II. von 1214. Quelle: �d�m Nov�k: II. Andr�s pecs�tjei [Die Siegel von Andreas II.]. In: Pilisi g�tika. Debrecen 2016, S. 47)
Wenngleich das Original des „Andreanums“ leider nicht mehr erhalten ist – die erste Beglaubigung verdanken wir Karl I. Robert von Anjou, es folgten wenigstens 21 weitere Best�tigungen durch ungarische K�nige, siebenb�rgische F�rsten und so genannte „glaubw�rdige Orte“ –, l�sst dessen Beglaubigungsformel keinen Zweifel dar�ber zu, dass es mit einem Doppelsiegel aus Wachs versehen worden ist, nicht mit einer Goldbulle, was der Aussteller gewiss vermerkt h�tte. Darin stimmen alle einschl�gig befassten Siegelkundler und Medi�visten �berein: Es ist nicht „mehr als unwahrscheinlich“, sondern ausgeschlossen, dass das „Andreanum“ mit einer Goldbulle bekr�ftigt worden sei.

Bedeutung des „Andreanums“ bis heute

Es enth�lt zum einen die bislang zuverl�ssigsten Informationen �ber die Zeit der Ansiedlung der Siebenb�rger Sachsen, n�mlich, dass ihnen „ihre Freiheit, mit der sie von Unserem Gro�vater, dem allergn�digsten K�nig Geisa, geworben worden sind“ best�tigt werde. Daraus sind die Zeit und die Umst�nde dieser s�dostdeutschen Siedlungsbewegung ersichtlich: Die Sachsen wurden von K�nig Geisa/G�za II. (der zwischen 1141 und 1162 regierte) geworben, ins Land gerufen („vocati fuerant“ lautet die lateinische Formulierung). Wann genau, ist nicht sicher, irgendwann wurde entschieden, den Beginn ihrer Ansiedlung auf das Jahr 1141 festzulegen. Anl�sslich der 850-Jahrfeier in der Frankfurter Paulskirche im Jahr 1991 �berraschte der Festredner, der renommierte T�binger Medi�vist Prof. Harald Zimmermann, seine Zuh�rerschaft mit der provozierenden einleitenden Aussage: „Vielleicht feiern wir falsch, in falscher Art, zur falschen Zeit, am falschen Ort, vielleicht!“ Doch r�umte er ein, das Datum sei nicht so falsch gew�hlt, denn in Frage k�men f�r die Ansiedlung w�hrend der Regierungszeit Geisas II. nur die Jahre 1141, 1147 oder 1158, was er auch ausf�hrlich begr�ndet hat (Siebenb�rgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 1991, S. 5-6).

Zum anderen waren vor allem folgende Vorrechte �ber die Jahrhunderte wirksam: pers�nliche Freiheit der Rechtsinhaber; die Vorgabe, „eine Gemeinschaft zu bilden“ („unus sit populus“); Selbstverwaltung; eigene Gerichtsbarkeit; Eigenkirchlichkeit; genaue Regelung der Pflichten (Abgaben, Heeresfolge, Gastung, also Verk�stigung von W�rdentr�gern) statt willk�rlicher Forderungen; wirtschaftliche Vorteile (Sch�rfrechte, Gemeinbesitz an Waldungen, Zollfreiheiten und andere).

Aus diesem „am meisten durchgeformten Fremdenrecht, das einer geschlossenen Volksgemeinschaft […] ein hohes Ma� an Selbstverwaltung einr�umte“ (der deutsche Medi�vist Herbert Helbig), dem „ersten bekannten rechtlichen Rahmen f�r regionale Selbstverwaltung“ (der ungarische Quellenkundler G�za �rszegi) seien im Folgenden nur einige zentrale Aussagen kommentiert.

Freiheit

Das Wort Freiheit (libertas) kommt im „Andreanum“ nicht weniger als zehnmal vor. Es bedeutet zum einen die Gew�hrung eines mit Freiheiten und Autonomien ausgestatteten Rechtsstands, was eine gewisse Synonymit�t der Begriffe „libertas“ und „privilegium“ nahelegt, zum anderen die pers�nliche Freiheit der Siedler. Mobilit�t wie jene der deutschen Ostsiedler galt als Faktor f�r den Erwerb von pers�nlichen Freiheiten. Freiheit war im 11.-13. Jahrhundert in den zentral- und westeurop�ischen Regionen, die als Herkunftsgebiete der Ost- und S�dostsiedler gelten, eine Forderung und ein Ziel der von nachteiligen Beziehungen zu den Grundherren bedrohten Bauern. Nicht zuletzt der Freiheit zuliebe nahmen die Siedler die Beschwernisse einer Wanderung in ferne Regionen auf sich, wo ihnen diese garantiert wurde. Das fand sowohl in der „Goldenen Bulle“ von 1222 seinen Niederschlag, welche die Freiheiten best�tigte, die den G�sten von Anfang an garantiert worden sind („libertas, ab inicio eis concessa“), als auch im „Andreanum“ von 1224, das sich auf die Freiheiten bezieht, die ihnen zugesagt wurden, als sie ins Land gerufen wurden („libertate qua vocati fuerant“).

Gemeinschaftsbildung

„Unus sit populus“ kann man als Wunsch verstehen, dass die aus verschiedenen Gebieten des Heiligen R�mischen Reiches eingewanderten Menschen, die in den Quellen als Theutonici, Saxones, Flandrenses oder Latini (Deutsche, Sachsen, Flamen, Wallonen) bezeichnet worden sind, ein Gemeinschafts- und Zusammengeh�rigkeitsgef�hl entwickeln. Ein gutes Beispiel f�r das rasche Zusammenschmelzen unterschiedlicher westlicher Siedlergruppen zum Neustamm der Siebenb�rger Sachsen bietet der aus dem heutigen Belgien stammende Wallone Johannes Latinus. Er wohnte im Jahr 1204 in „Riuetel“, einer sp�ter untergangenen Siedlung auf der Gemarkung von Heltau, „unter den Deutschen“ („inter Theutonicos Transsilvanenses“) und wurde f�r seine dem K�nig geleisteten Kriegsdienste belohnt. Seine S�hne Konrad und Daniel werden bereits 1231 zum einen als Ritter und zum anderen als Sachsen bezeichnet.

Bildung einer politischen Gemeinschaft, der „S�chsischen Nationsuniversit�t“

„Unus sit populus“ artikulierte aber auch den Wunsch, eine autonome politische Gemeinschaft zu bilden. Das „Andreanum“ wurde zun�chst nur den Siedlern des sogenannten Altlandes, der Hermannst�dter Grafschaft, gew�hrt, die in den Urkunden als „comitatus“ oder „provincia Cibiniensis“ bezeichnet wird. Nach dem zwischen 1324 und 1331 gef�hrten Aufstand „s�mtlicher Sachsen Siebenb�rgens“ gegen K�nig Karl I. Robert, der den Woiwoden von Siebenb�rgen auch zum Hermannst�dter Grafen ernannt hatte, wurde ein neues Verwaltungssystem eingef�hrt, mit einer Einteilung in St�hle und Distrikte. Die Hermannst�dter Grafschaft bildete nun die „Sieben St�hle“, das 1224 gew�hrte Privileg wurde stufenweise auf andere Gebiete ausgedehnt: 1315 auf das Gebiet um Mediasch und Marktschelken (die „Zwei St�hle”), 1366 auf den „Bistritzer Distrikt“, 1422 auf den „Burzenl�nder Distrikt“. Die untert�nigen Bewohner der s�chsischen Siedlungen auf Komitatsboden kamen erst nach 1848 in den Genuss der andreanischen Freiheiten.

„Aus dem Andreanum ist das siebenb�rgisch-deutsche Volk erwachsen“, bemerkte Karl Kurt Klein treffend. Aufgrund des gleichen Rechtes, der gleichen wirtschaftlichen und sozialen Interessen sowie des Zusammengeh�rigkeitsgef�hls bildete sich im 15. Jahrhundert die „S�chsische Nationsuniversit�t” als h�chste politische, gerichtliche und administrative Repr�sentanz heraus. Der Prozess wurde 1486 mit der Best�tigung des „Andreanums“ f�r „alle Sachsen aus Siebenb�rgen“ durch K�nig Matthias Corvinus abgeschlossen. Das schuf die verfassungsrechtliche Grundlage f�r die politische, rechtliche und kulturelle Autonomie der Siebenb�rger Sachsen bis 1876, als die Nationsuniversit�t nach mehreren fr�heren, eher kurzfristigen Aussetzungen endg�ltig aufgel�st und zur – den Gemeinbesitz verwaltenden – Kulturstiftung umgewandelt, 1937 schlie�lich vollends zerschlagen wurde.

Eigene Gerichtsbarkeit

Die eigene Gerichtsbarkeit nach ihrem Gewohnheitsrecht erschien den Empf�ngern des „Andreanums“ besonders wichtig. Auf sie wird in nicht weniger als drei Artikeln des 15 Punkte umfassenden Privilegs Bezug genommen. Die Gerichtsbarkeit wurde auf Gemeindeebene vom Hannen („villicus“), in den St�dten vom B�rgermeister oder Stadtrichter und dem Stadtrat, auf Stuhls- und Distriktsebene vom Stuhls- bzw. Distriktsrichter ausge�bt. �bergeordnet waren der Komitatsgraf, sp�ter die K�nigsrichter, ab 1486 die S�chsische Nationsuniversit�t, die auch Appellationsinstanz war, und letztlich der K�nig selbst. Gerichtet wurde zun�chst, wie im „Andreanum“ zugesagt, nach dem Gewohnheitsrecht. Im 15.-16. Jahrhundert wurde die rechtliche Vereinheitlichung vorangetrieben. 1544 gab Johannes Honterus ein „Compendium iuris civilis in usum civitatum ac sedium Saxonicarum in Transsilvania collectum“ heraus. In dessen Vorrede erl�uterte der Humanist Valentin Wagner dessen Bedeutung: „Ein gemeinsam Gesetz sch�tzend die Treuen erfreu!“ 1583 wurde dann mit „Der Sachssen inn Siebenb�rgen Statuta oder Eygen Landtrecht“, ein bis ins 19. Jahrhundert geltendes Rechtsbuch, geschaffen und eingef�hrt. In einer Best�tigungsurkunde, die dem Druck vorangestellt wurde, hielt der siebenb�rgische F�rst und polnische K�nig Stefan B�thory fest, dass das „B�chlein“, „mit den alten �berkommenen Rechten und Gewohnheiten, mit denen sie von alters bis jetzt einesteils gelebt, andernteils aber auf allgemeinen Rat und mit Willen Unserer Sachsen an einigen Stellen neu vermehrt“ haben, „mit dem allgemeinen Recht und der Billigkeit �bereinstimme“. Ein Selbstverwaltungsverband – kein Staat! – gab sich ein Gesetzbuch, er lie� es sich vom Herrscher nur best�tigen. Das „Eigen-Landrecht“ sicherte allen Mitgliedern der „Nationsuniversit�t“ Gleichheit vor dem Gesetz zu. Das entspricht allerdings nicht voll den Tatsachen, denn soziale Unterschiede blieben selbstverst�ndlich auch in der siebenb�rgisch-s�chsischen Gesellschaft bestehen, Konflikte zwischen Patriziat und Unterschichten waren gerade im 16. und 17. Jahrhundert besonders virulent. Im Bewusstsein der Gruppe hat sich hingegen – auch unter dem Einfluss ihrer Historiker – der Topos von einer Gesellschaft gleichberechtigter B�rger durchgesetzt („Da keiner Herr und keiner Knecht“ steht in einem Gedicht aus dem 19. Jahrhundert). An die Stelle des seit 1583 geltenden „Eigen-Landrechts“ trat erst 1853 das „�sterreichische B�rgerliche Gesetzbuch“. Damit wurde die Eigengerichtsbarkeit aufgehoben.

Eigenkirchlichkeit und „geistliche Universit�t“

Aufgrund des „Andreanums“ konnten die Siebenb�rger Sachsen ihre Pfarrer selbst w�hlen und an diese den Zehnten abf�hren, demnach eine eigenkirchliche Gemeinschaft aufbauen. Das Recht, einen eigenen Pfarrer zu w�hlen und �ber das Kirchenverm�gen zu verf�gen, hat den Ausbau einer kirchlichen Selbstverwaltung erm�glicht, die in Siebenb�rgen „zu ihrer f�r abendl�ndische Verh�ltnisse einzigartigen Verwirklichung und Bl�te gelangte“ (so der bekannte Kirchenrechtshistoriker Dietrich Kurze). Auf die Wahrung dieses Rechtes achtete auch die politische Vertretung, die sozusagen ein Patronatsrecht wahrnahm, indem sie etwa 1302 die Pfarrerwahl in Kastenholz kontrollierte und, gegen den Willen des Hermannst�dter Dekans, die einstimmige Wahl eines f�r das Amt eigentlich zu jungen Gr�fensohns durch die Gemeinde best�tigte.

Das sogenannte Altland der Hermannst�dter Provinz sowie das Burzenland wurden – offenbar auf Wunsch der Siedler – dem Erzbistum von Gran unterstellt, das allein wegen der damals schwer �berbr�ckbaren Entfernung keine st�ndige und effektive Aufsicht aus�ben konnte. Der Plan, eine eigene „ecclesia Theutonicorum Ultrasilvanorum“ aufzubauen, auf den die Gr�ndung der exemten (also freien, nicht in die bestehenden kirchlichen Hierarchien eingebundenen) Ladislaus-Propstei in Hermannstadt (um 1190) hinweist, stie� auf den massiven Widerstand des in Wei�enburg residierenden Bischofs von Siebenb�rgen, dem sp�ter gegr�ndete s�chsische Kirchengemeinden unterstellt wurden und der �berdies bestrebt war, seine Hoheit auf alle Bewohner der Region auszuweiten. Als K�nig Andreas II. 1212 versuchte, ein neues Bistum „apud Cibiniensem ecclesiam“ zu gr�nden, verweigerte Papst Innozenz III. seine Zustimmung, auf Betreiben des siebenb�rgischen Bischofs.

Benachbarte Kirchengemeinden haben sich fr�h zu Landdekanaten zusammengeschlossen, eine wohl aus dem Westen mitgebrachte kirchliche Organisationsform. Die Pfarrer bildeten, �hnlich wie die Kleriker einer Dom- oder Stiftskirche, ein „Kapitel“, das sich eigene Statuten gab und j�hrliche Versammlungen veranstaltete. Daneben bestand die traditionelle Organisationsform der Archidiakonate der Wei�enburger Di�zese, gegen die sich die Kapitel im Laufe der Zeit weitgehend durchzusetzen vermochten. Der Kampf der Pfarrkapitel um Autonomie entspann sich in der Regel an �berh�hten Geldforderungen des Bischofs sowie an Einmischungen in die innerkirchliche Selbstverwaltung.

Auf diesen grundherrlichen D�rfern wurde die kirchliche Selbstverwaltung �ber das Patronatsrecht des Grundherrn zugestanden. Konflikte wegen der kirchlichen Gerichtsbarkeit, der Zehntabgabe oder der Pfarrerernennungen zwischen den s�chsischen Gr�fen und dem siebenb�rgischen Bischof waren unvermeidlich. 1277 etwa arteten sie zum bewaffneten Kampf aus: Die Gr�fen von Salzburg �berfielen Wei�enburg und verw�steten die dortige Kathedrale.

Schon im 14. Jahrhundert bildeten die deutschen Dekanate des Landes, �ber die Grenzen des Graner Erzbistums bzw. des siebenb�rgischen Bistums hinweg, einen eigenen Abgaben- und Rechtsverband. Aus dem Jahre 1336 ist erstmals ausdr�cklich der Begriff „universitas plebanorum“ �berliefert. Dieser „Universitas“ geh�rten auch die Pfarrer der unfreien siebenb�rgisch-s�chsischen Gemeinden an. Das Gebiet der „geistlichen Universit�t“ war also gr��er als jenes des politischen Verbandes.

Die enge Zusammenarbeit der politischen und der kirchlichen Gemeinschaft der Siebenb�rger Sachsen war insbesondere in der turbulenten Zeit notwendig, die auf die verh�ngnisvolle Schlacht bei Moh�cs (1526) folgte. Letztendlich erkl�rt die Tatsache, dass die Reformation um die Mitte des 16. Jahrhunderts alle Siebenb�rger Sachsen, die freien wie die unfreien, erfassen und durchgesetzt werden konnte. Das geschah nicht zuletzt aufgrund des Rechtes auf Eigenkirchlichkeit.

Das �lteste bekannte Siegel der Hermannst�dter Provinz und der „Schutz der Krone“

Abb. 2: Siegel der Hermannst�dter Provinz auf ...
Abb. 2: Siegel der Hermannst�dter Provinz auf einer 1316 von ihr ausgestellten Urkunde. Quelle: Magyar Orsz�gos Lev�lt�r, DL 1867).
Das „Andreanum“ sah vor, dass die privilegierten s�chsischen Siedler „ein einziges Siegel f�hren“ d�rfen, das vom K�nig und den Gro�en seines Reiches „�ffentlich anerkannt werden soll“. Erstmals �berliefert ist die Wahrnehmung dieses Rechtes in einer Urkunde des Hermannst�dter Rates aus dem Jahr 1292, die mit dem „sigillum Cybiniensis provinciae“ bekr�ftigt wurde. Es ist leider abgefallen. Das erste erhaltene Siegel der Hermannst�dter Provinzialversammlung ist aus dem Jahr 1302, leider nur bruchst�ckhaft erhalten. Auf sp�ter ausgestellten Urkunden, etwa auf jener von 1316 (siehe Abb. 2), sind Aussehen und Umschrift dieses Siegels besser zu erkennen. Diese Darstellung ist mehrfach bezeugt, bis K�nig Ludwig I. der Gro�e im Jahr 1359 ein neues Siegel genehmigte, auf dem �brigens dieselbe Umschrift „Zum Schutz der Krone“ zu lesen ist.

Es ist aus hellem, urspr�nglich wei�em Wachs gefertigt, hat einen Durchmesser von 6,2 cm und war mit einem Pergamentstreifen an die Urkunde angeh�ngt. Im Siegelfeld ist eine sogenannte Giebelkrone zu erkennen, die von zwei knieenden und zwei stehenden M�nnern gehalten wird. Auf den drei sichtbaren Ecken des pyramidenf�rmigen Giebels sind St�bchen zu sehen; diese sowie die Spitze des Giebels enden in Kugeln. Die Umschrift SIGILLUM CIBINIENSIS PROVINCIE AD RETINENDAM CORONAM nennt zum einen den Aussteller, die Hermannst�dter Provinz, zum anderen einen der Gr�nde f�r die Ansiedlung und Privilegierung ihrer Bewohner: den „Schutz der Krone“.
Abb. 3: Stephan I. der Heilige auf der Kasel, die ...
Abb. 3: Stephan I. der Heilige auf der Kasel, die er mit seiner Gattin Gisela dem Stuhlwei�enburger Kapitel geschenkt hat, und das sp�ter als Kr�nungsmantel diente. Es soll das einzige erhaltene zeitgen�ssiche Portr�t des K�nigs sein. Quelle: Wikipedia Commons
Giebelkronen sind auch auf Siegeln, M�nzen und Portr�ts der salischen K�nige und Kaiser Otto I., Heinrich III. und Heinrich VI. belegt. Im K�nigreich Ungarn ist eine Giebelkrone auf einer Darstellung von K�nig Stephan I. dem Heiligen zu erkennen (Abb. 3). Es handelt sich um eine Kasel (Messgewand), die der Staatsgr�nder und seine Gattin Gisela 1031 dem Kapitel von Stuhlwei�enburg geschenkt hatten, und die sp�ter als Kr�nungsgewand der ungarischen K�nige verwendet wurde. Auch sein Schwager, Kaiser Heinrich II., wurde mit einer Giebelkrone inthronisiert, wie auf einer Darstellung in seinem „Perikopenbuch“ (kann auf http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00087481/image_7 betrachtet werden) und auf einer Stra�burger M�nze (Abb. 4) deutlich zu erkennen ist. Stephans Krone, die ihm um das Jahr 1000 vom Papst zugesandt wurde, ist nicht mehr erhalten. Die heute im ungarischen Parlament ausgestellte „Heilige Stephanskrone“ ist erst im 12.-13. Jahrhundert entstanden. (Genaueres zu diesen bisher wenig untersuchten Zusammenh�ngen wird ein Beitrag aufzeigen, der im Laufe dieses Jahres in der Siebenb�rgischen Zeitung ver�ffentlicht wird.)
Abb. 4: Stra�burger Denar Heinrichs II. Quelle: ...
Abb. 4: Stra�burger Denar Heinrichs II. Quelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202380.
Es liegt nahe, Verbindungen zwischen der Hermannst�dter, der ungarischen und der r�misch-deutschen Giebelkrone herzustellen. Sie k�nnen aber aufgrund der Quellenlage nicht belegt werden. Hinzuweisen ist aber darauf, dass Stephan der Heilige viele Rechtsformen aus dem R�misch-Deutschen Reich �bernommen und an die ungarischen Verh�ltnisse angepasst hat. �berdies hatte er die Ansiedlung westlicher Siedler gef�rdert und seinem Sohn die freundliche Behandlung der aufgenommenen „G�ste“ dringend empfohlen. Die Interpretation eines ungarischen Autors, es handele sich nicht um ein Wappen, „sondern um eine Szene, die wahrscheinlich die Ansiedlung oder die Ankunft unter einem Dach darstellen soll“ klingt zwar f�r die Siebenb�rger Sachsen ganz gut, da sie ja eine Gemeinschaft bilden sollten und wollten, ist aber fern jeglicher siegelkundlicher Wissenschaftlichkeit.
Abb. 5: Nachzeichnung des Hermannst�dter ...
Abb. 5: Nachzeichnung des Hermannst�dter Provinzialsiegels. Quelle: Albert Arz von Straussenburg: Beitr�ge zur siebenb�rgischen Wappenkunde. K�ln, Wien 1981, S. 35
Das „Andreanum“ war bis 1691 offiziell g�ltig, als das mit dem habsburgischen Hof ausgehandelte „Leopoldinum“ an seine Stelle trat; allerdings best�tigte dieses die 1224 gew�hrten Privilegien. 1784 l�ste Joseph II. die „S�chsische Nationsuniversit�t“ erstmals auf, eine Entscheidung, die er kurz vor seinem Tod widerrief. Nach der Revolution von 1848/1849 musste die Nationsuniversit�t wieder f�r mehr als ein Jahrzehnt einer zentralistischen Ver�waltungsstruktur weichen. 1876 schlie�lich wurde die s�chsische Selbstverwaltung definitiv abgeschafft, ihr Gemeinbesitz einer Kulturstiftung �bertragen. 1937 wurde die „Stiftung S�chsische Nationsuniversit�t“ vollends zerschlagen, ihr Besitz zwischen der Evangelischen und der Orthodoxen Kirche aufgeteilt.

Sollte man mich fragen, welche Vorgaben des „Andreanums“ unter den Siebenb�rger Sachsen bis heute nachwirken, dann w�rde ich als Historiker antworten: das Zusammengeh�rigkeits- und Gemeinschaftsgef�hl, das sie bis heute verbindet, das sich aus der Aufforderung ergibt, „eine Gemeinschaft zu bilden“ (unus sit populus). Davon und aus anderen Artikeln dieser Urkunde abgeleitet, die F�higkeit, sich selbst zu organisieren, zu verwalten und gegenseitig zu unterst�tzen, und zwar in allen Lebensbereichen. Der Verband, das Forum, die Kirche, die zahlreichen Vereine und vieles mehr zeugen von der Aktualit�t des „Andreanums“. Darum ma�en und messen die Siebenb�rger Sachsen ihre Regierenden an der Art und Weise, wie sie ihre im „Andreanum“ best�tigten Freiheiten geachtet haben und achten.

Konrad G�ndisch

Schlagw�rter: Andreanum, Geschichte, Wissenschaft

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