Isola des Giglio: Praktikum in meeresbiologischer Umweltbildung | Praxisschock

Als Biologiestudierende, die sich am Ende ihres Bachelorstudiums befindet, stellt sich allmählich die Frage, in welche berufliche Richtung es gehen kann. In den letzten beiden Semestern hatte ich die Gelegenheit, an einem meeresbiologischen Masterprogramm in Nordspanien teilzunehmen, das sich vorwiegend auf den Schutz der marinen Umwelt konzentrierte. Dies weckte mein Interesse daran, die theoretischen Konzepte in die Praxis umzusetzen. Aus diesem Grund entschied ich mich für das Institut für marine Biologie (IfMB) auf der Insel Giglio, da es einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, Theorie und praktische Erfahrungen zu verbinden. Des Weiteren liegt ihre Zielgruppe bei jungen Menschen aus höheren Schulklassen, wie oft postuliert in environmental Education Ansätzen. Meine Hauptaufgaben bestanden darin, Schnorcheltouren zu leiten, meeresbiologische Kurse zu begleiten (einschließlich der Vorbereitung und Nachbereitung), sowie Gepäcktransporte und Aufräumarbeiten durchzuführen.

Vorbereitung:
Mein dreimonatiges Praktikum am IfMB auf der kleinen Insel Giglio begann mit dem Bewerbungsprozess. Da ich mich bereits im vorherigen Jahr mit der Stelle beschäftigte, hatte ich mich mit den geforderten Qualifikationen (siehe Website vom IfMB) bereits im Frühjahr 2022 auseinandergesetzt. Ein Praktikum am IfMB erfordert unter anderem ein Sportbootführerschein See und Rettungsschwimmer Silber, welche Zeit in Anspruch nehmen. Die Finanzierung eines unbezahlten Praktikums kann über Erasmus ermöglicht werden, allerdings können die bürokratischen Formalitäten ebenfalls Zeit beanspruchen.
Vor der Anreise war eine gründliche Vorbereitung auf das lokale Ökosystem mithilfe von zugesandten Artenlisten und Büchern notwendig und ausdrücklich erwünscht.

Anreise:
Die Insel liegt nur wenige Kilometer von der toskanischen Westküste entfernt, jedoch gestaltet sich die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln recht zeitaufwendig. Die Zugverbindung über Rom ist bei frühzeitiger Buchung zu empfehlen. Von dort aus fahren verschiedene Nahverkehrszüge bis zum Zielbahnhof Orbetello-Monte Argentario, von wo aus der lokale Bus einen zum Hafen bringt. Die Fährfahrt von Porto Santo Stefano bis Porto auf Giglio verläuft unkompliziert (Tickets können vor Ort oder online erworben werden). Die einstündige Überfahrt auf dem Außendeck verging wie im Flug.
Die Reisezeit allein ist schon ein Erlebnis und wer auf die Insel kommt und Schüler*innen von Nachhaltigkeit erzählen möchte, sollte nach Möglichkeit eine fliegende Anreise vermeiden.

Die Insel:
Giglio umfasst neben dem Hafenstädtchen Porto auch das Castello auf der Inselkuppe und die Tourismusbucht Campese, in der sich das Institut befindet. Die klassische mediterrane Kulisse wird von einer kleinen Straße durchzogen, die alle Orte miteinander verbindet. Bei klarem Wetter sind von die Nachbarinseln Montecristo, Elba und Korsika zu erspähen. Außerhalb der Hauptsaison (Mitte Juli – Mitte September) wirkte die Insel recht beschaulich, aber sobald die italienischen Ferienzeiten beginnen, strömen die Menschen an den Strand. Aufgrund seiner Lage im westlichen Mittelmeerraum verfügt Giglio über ein oligotrophes und biodiverses Meeresgebiet, was den Tauch- und Schnorcheltourismus fördert. Doch nicht nur das Meer, sondern auch die Landschaft der Insel bietet zahlreiche Möglichkeiten für schöne Wanderungen.

Das Institut und der Arbeitsalltag:
Das Institut für marine Biologie wurde 1988 gegründet und wird seit 2016 von der Institutsleiterin Jenny Tuček und dem Institutsleiter Mischa Schwarzmeier (seit 2018) geleitet. Der Schwerpunkt des Instituts liegt auf der marinen Umweltbildung, bei der jungen Menschen die biologischen Zusammenhänge, die Artenvielfalt und die ökologische Bedeutung menschlicher Einflüsse im Mittelmeer nähergebracht werden sollen. Die 5-tägigen Kurse finden in versetzten Zeitspannen am Vormittag und am Nachmittag statt. An jedem Tag werden theoretische Konzepte zu bestimmten Themen eingeführt, gefolgt von praktischer Tierbestimmung lebender Organismen. Die gesammelten Informationen werden anschließend besprochen, und die gewonnenen Ergebnisse werden den anderen Teilnehmern präsentiert. Das Ziel besteht darin, ein umfassendes Verständnis der jeweiligen Lebensräume oder Taxa zu vermitteln. Die Kurse sind hauptsächlich auf deutschsprachige Schulklassen ausgerichtet, können jedoch bei Bedarf auch auf Englisch abgehalten werden.

Eine typische Arbeitswoche für uns Assistent*innen sah folgendermaßen aus:
Die Woche beginnt am Samstag mit den zahlreichen Gepäcktransporten von Porto nach Campese. Parallel sind noch letzte Aufräum- und Reinigungsarbeiten zu erledigen In der Regel begannen die Kurse sonntags (Schwerpunkt: Echinodermata). Alle, die nicht im Kurs assistieren, waren für die Ausrüstung der Schüler*innen mit ABC-Ausgaben verantwortlich. Im September konnten das bis zu 9 Klassen sein, die nacheinander mit Neoprenanzügen, Masken, Schnorcheln und Flossen auszustatten sind.

Montag und Dienstag sind die Kurstage zu Sedimentboden und Hartboden zu begleiten, bzw. Echino-Kurstage bei versetzten Zeiten. Montag und Dienstag begleiteten wir die Kurse zu Sedimentböden und Hartböden sowie die Echino-Kurstage zu verschiedenen Zeiten. Die Vorbereitung der Kurse umfasste nicht nur das Zusammenstellen von Schalen mit Organismen aus der Hälterung (einem gekühlten Aquarium), sondern auch das Sammeln von Sandproben aus dem Hafen und das Ziehen von Plankton bei Sonnenaufgang. In den Kursen selbst halfen wir den Schüler*innen bei der Bestimmung der Organismen und unterstützten sie bei der Suche nach relevanten Informationen. Dies erforderte nicht nur einen angemessenen Umgang mit den Schüler*innen, sondern auch eine gute Kenntnis der Bestimmungsbücher sowie der Systematik und Anatomie der Kursorganismen. In der Nachbesprechung bestand unsere Arbeit darin, die Organismen im Video-Binokular passend zur Diskussion zu präsentieren und gewünschte Details zu zeigen. Nach Kursende sind die Organismen wieder in der Hälterung zu versorgen und die Kursräume aufzuräumen.

Mittwochs standen oft die von den Praktikant*innen geführten Schnorcheltouren an bei denen wir uns zwar an einen Leitfaden halten mussten, aber auch individuelle Interessen einfließen lassen konnten. Dabei betreuten wir Gruppen von bis zu 10 Schüler*innen und führten bei vielen Klassen bis zu drei Touren pro Tag durch.

Der Donnerstag war für den Kurstag „Vernetzte Welt“ vorgesehen, in dem globale Zusammenhänge, Nahrungsnetze und anthropogene Einflüsse behandelt wurden.

Freitag war Abreisetag und gleichzeitig großer Reinigungstag. Es war vorgesehen, dass die Assistent*innen einen freien Tag pro Woche hatten, der auf Freitag und Samstag verteilt war.

Da viele Klassen gerne auch Nachtschnorchel ausprobieren wollten, lag es an uns Assistent*innen, diese eigenständig zu organisieren und durchzuführen, was mit einem kleinen Taschengeld honoriert wird.

Zusätzlich zu den meeresbiologischen Kursvorbereitungen und -nachbereitungen waren wöchentlich wechselnde Arbeiten zu erledigen, wie die Versorgung der Organismen in der Hälterung. Dies umfasste Wasserwechsel, Fütterung, Gesundheitschecks und ähnliches. Darüber hinaus waren auch Aufgaben wie Wäschewaschen und die Reinigung des Schnorchellagers und der Tauchbasis zu erledigen.

Der Arbeitsaufwand hing von der Anzahl der Klassen ab und variierte daher von Woche zu Woche. In der Hauptsaison kam es zu einigen Überstunden, die nach Möglichkeit in ruhigeren Wochen ausgeglichen werden konnten.

Unterkunft und Lebensstruktur:
Die Assistent*innen waren in zwei Gruppenapartments untergebracht, in Zweier- bis Viererzimmern mit Gemeinschaftsküchen und -bädern. Ich wohnte in der unteren Wohnung, die knapp eine Minute vom Strand entfernt und direkt hinter der Tauchbasis (Campese Diving Center) lag. Die Küche war mit allem ausgestattet, was man braucht, die Zimmer waren einfach, aber zweckmäßig eingerichtet, und die Bäder wurden vor oder nach Tauchgängen vom gesamten Team genutzt. Die untere Wohnung wurde auch von den Assistent*innen der Tauchbasis mitbewohnt, was nochmal andere Gesprächsthemen bot.

Auf so engem Raum und mit wenig Freizeit war es besonders wichtig, eigenen Strategien und Abgrenzungsmechanismen zu entwickeln. Da alle Assistent*innen aus unterschiedlichen Hintergründen kamen, darunter einige, die erst frisch aus der Schule kamen, war eine gute Gesprächsstruktur hilfreich. Gute Kommunikation und Absprachen waren auch unerlässlich, da von die Institutsleitung großen Wert auf Ordnung und Sauberkeit legte.

Nahrungsmittel waren auf der Insel teuer und die Auswahl beschränkt, manche Produkte nur gelegentlich erhältlich. Daher hatten wir Assitent*innen einen gemeinsamen Kochplan erstellt und gemeinsam eingekauft, was im Großen und Ganzen funktionierte. Das abendliche Eis war dennoch oft drin.

Da alle Bezugspersonen auf der Insel deutschsprachig waren, gab es kaum sprachliche Barrieren und daraus resultierende zwischenmenschliche Schwierigkeiten. Andererseits war der kulturelle Austausch begrenzt, und der Hauptgewinn bestand im Kennenlernen der Tourismusbranche und pädagogischen Handelns.

Freizeitgestaltung:
Es gab Wochen, in denen ich erschöpft ins Bett gefallen bin und morgens wieder aufgestanden bin. Auch wenn es in entspannteren Zeiten nachmittags oder vormittags frei sein konnte, wurde ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit erwartet. Daher war es ratsam, sich deutlich abzumelden, um auch mal abschalten zu können. In dieser Zeit konnte nach Absprache getaucht werden, und es war möglich, ohne zusätzliche Kosten an den Tauchausflügen der Tauchbasis teilzunehmen. Wer nicht mehr Wasser sehen wollte oder die Bucht verlassen wollte, konnte wandern gehen oder mit dem Inselbus die anderen Ortschaften erkunden. An freien Tagen nahm ich so oft es ging an den Tauchausflügen teil und genoss es, die erlernten Zusammenhänge des Ökosystems im Freiwasser zu erkennen und noch besser zu verstehen. Plötzlich wurde der löchrige Geweihschwamm zu einer wahren Sensation.

Persönliche Erfahrungen und Fazit:
Meine Zeit auf Giglio lässt sich im Wesentlichen in verschiedene Phasen einteilen. Zunächst kam ich kurz vor Beginn der Sommerpause auf die Insel und durfte als erstes als Teilnehmerin die Kurse kennenlernen. Darauf folgte die Phase der Aufräum- und Reinigungsarbeiten im Institut während der Sommerpause. In dieser Zeit wurden einige der späteren Aufgaben getestet, wie die Abnahme des Schnorchelparcours. Der Zeitraum diente außerdem auch dafür, meine „Arbeitsmoral“ zu überprüfen, denn ich wollte meine Datenerhebung für die Bachelorarbeit dort absolvieren. Nach drei Wochen erhielt ich grünes Licht und die intensive Vorbereitung begann. In den folgenden Wochen habe ich nicht viel Tageslicht gesehen und war auch nach Arbeitsschluss oft mit der Systematik von Malacostraca (höhere Krebstiere) und der Vertiefung in Braun- und Rotalgen beschäftigt. Meine Proben sollten tauchend gesammelt werden und leider ist daran am Ende auch der Abschluss meiner Bachelorarbeit gescheitert. Das Wetter war teilweise so schlecht, dass der Sammelort nicht angefahren wurde, die Gäste hatten diesen schon besucht oder Mischa (der als einziger die Proben sammeln durfte) war anderweitig eingesetzt. Ein Projekt parallel zu einer vertraglichen 40h Woche zu stemmen ist doch sehr ambitioniert. Ich habe dennoch viel über Krebse und die Artbestimmung anhand von kleinsten morphologischen Unterschieden gelernt.

Die dritte Phase meiner Erfahrungen war geprägt von den täglichen Aufgaben und dem sozialen Miteinander innerhalb der Assistent*innen-Gruppe. Besonders der Zusammenhalt und Austausch mit den anderen war mir eine wichtige Unterstützung. Da wir (insgesamt 7 vom Insti und 2 von der Basis) nicht nur gemeinsam abends gekocht haben, sondern uns auch sonst innerhalb der Gruppe nahestanden, ging die Arbeit leichter von der Hand.

Es ist erstaunlich, wie viel Arbeit hinter 5-tägigen meeresbiologischen Kursen steckt. Das Konzept schien darauf ausgerichtet zu sein, verschiedene Lerntypen anzusprechen, was äußerst interessant und lehrreich war. Wenn beispielsweise ein*e Schüler*in im Kurs zunächst desinteressiert wirkte, beim Schnorcheln plötzlich aufblühte und alle anderen mit begeisterte, war es für mich immer ein besonderer „aha -Moment“.

Für mich persönlich waren die Schnorcheltouren am Tag und bei Nacht die schönsten Arbeitsstunden. Besonders das magisch anmutende Meeresleuchten mit dem erwarteten „wow“ der Schüler*innen war jedes Mal eine Freude. Einer meiner schönsten Momente war, als eine Schülerin nach Kursende zu mir kam und sich mit den Worten bedankte, sie wolle jetzt Meeresbiologin werden, da ihr der Kurs so gut gefallen habe und sie uns cool fände. Ich hätte mir keine schönere Bestätigung der Arbeit vorstellen können.

Zusammenfassend war die Zeit auf Giglio voller Aufgaben und Herausforderungen. Ich habe viel gelernt, auch wenn es nicht das war, wovon ich zu Beginn ausgegangen war. Wer ein Praktikum sucht, das Einblicke in die Umweltbildung und den touristischen Dienstleistungssektor bietet und bereit ist viel zu arbeiten (auch bei sozialen Herausforderungen), kann an diesem Ort viele Erfahrungen sammeln. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass in der Hektik der Arbeit die strikte Befolgung von Anweisungen erwünscht ist und radikalere Meinungen nicht willkommen sind. Giglio bietet also überschaubares Inselleben und interessante Einblicke in die ausgeführte Umweltbildung. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass das Institut für marine Biologie nicht die richtige Wahl ist für Personen, die nicht mit Abhängigkeitsverhältnissen und wenig Rückmeldung innerhalb der Personalstrukturen arbeiten möchte.