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Rheinmetall Landsysteme hat heute – nur drei Wochen nach Vertragsunterzeichnung – den ersten 8×8 Boxer Schwerer Waffenträger Infanterie (sWaTrgInf) an die Bundeswehr übergeben. Das Fahrzeug geht in die Hände des BAAINBw und wird in den nächsten Monaten nach den Vorgaben des Customer Product Management (CPM) der integrierten Nachweisprüfung unterzogen. Dabei werden die Leistungswerte überprüft, weitere Betriebsparameter und Funktionsgrenzen ermittelt sowie die Einsatzprüfung durchgeführt. Bei der Nachweisprüfung wirken das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, die zukünftigen Nutzer (Truppe) und die Industrie eng zusammen.

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Teilnehmer der Übergabe: (v.r.) Staatssekretärin Siemtje Möller, Björn Bernhard (Rheinmetall), Jessica Ward (australische Botschaft), Vizeadmiral Carsten Stawitzki, Frank Aldekamp (BAAINBw) Foto: Gerhard Heiming)

Durch das enge Zusammenwirken soll die integrierte Nachweisführung durch effizienten Ablauf beschleunigt werden. Sofern Mängel oder Defizite festgestellt werden, können unverzüglich Änderungsvorschläge zur Behebung erarbeitet werden. Änderungs-/Verbesserungsvorschläge fließen in die Serienproduktion ein.

Die Ergebnisse der integrierten Nachweisführung sind Grundlage der Genehmigung zur Nutzung (GeNu), die ihrerseits eine Voraussetzung für den Betrieb der Systeme in der Truppe ist.

Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, nannte anlässlich der Vertragsunterzeichnung den sWaTrgInf einen Meilenstein für die Mittleren Kräfte im Heer.

Einordnung des Waffensystems

Nach Angaben des BMVg soll der sWaTrgInf die Wiesel-Flotte ablösen und der Träger der direkten taktischen Feuerunterstützung und weitreichenden Panzerabwehr für die Infanterieverbände des Heeres werden. Die Fahrzeuge bedeutet eine deutliche Verbesserung in Schutz, Mobilität, Wirkung und Durchhaltefähigkeit. Die sWaTrgInf werden eines der Kernelemente der Mittleren Kräfte, deren Aufbau im Heer begonnen hat.

Die Boxer-Fahrzeugfamilie der Bundeswehr wird mit dem sWaTrgInf um eine weitere Fahrzeugversion vergrößert. Bisher sind in der Truppe 246 Gruppentransporter, 65 Führungsfahrzeuge, 72 schwere geschützte Sanitätsfahrzeuge und 12 Fahrschulfahrzeuge in Nutzung. Bestellt sind darüber hinaus 20 Boxer für die Joint Fire Support Teams und 19 Boxer Skyranger. Darüber hinaus soll u.a. zur Ausstattung der zukünftigen Mittleren Kräfte zahlreiche weitere Boxerversionen beschafft werden, über die noch nicht entschieden ist.

Die sWaTrgInf werden als einzige Boxer-Version für Deutschland nicht über die europäische Beschaffungsbehörde OCCAR und das Boxer-Joint-Venture ARTEC beschafft. Als ein Grund dafür wird die Verknüpfung mit dem australischen Programm Boxer CRV genannt. Ein weiterer Grund soll die Nutzung einer zusätzlichen Produktionskapazität sein, mit der der gewünschte Zeitrahmen realisiert werden konnte.

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Technische Beschreibung

Der sWaTrgInf basiert auf dem Boxer Combat Reconnaissance Vehicle (CRV), den Rheinmetall im Rahmen des australischen Rüstungsvorhabens Land 400 Phase 2 gemeinsam mit den australischen Streitkräften entwickelt hat. Seit 2020 werden die Fahrzeuge produziert, zunächst 25 in Deutschland und seit 2022 in Australien. Die Produktion läuft bis 2027.

Kennzeichen des sWaTrgInf ist das Missionsmodul mit dem bemannten Infanterieturm des Typs Rheinmetall Lance 2 Block II. Die Bewaffnung besteht aus der vom Schützenpanzer Puma bekannten Maschinenkanone MK30-2 im Kaliber 30 mm x 173 sowie einem Turm-Maschinengewehr vom Typ im Kaliber 7,62 mm x 51. Darüber hinaus wird das System über einen integrierten Werfer für Panzerabwehrlenkflugköper des Typs MELLS (Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörper-System) verfügen.

Das Fahrmodul für den schweren Waffenträger unterscheidet sich von den im Heer eingeführten Boxern. Wegen des hohen Gewichts des Missionsmoduls mit dem Lance-Turm wurde die Tragfähigkeit des Fahrmoduls auf 38,5 Tonnen erhöht. Dazu wurden die Achsen verstärkt und Räder mit höherer Tragkraft verwendet. Der Motor bleibt mit 530 kW unverändert.

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Erster Schwerer Waffenträger Infanterie an die Bundeswehr übergeben (Foto: Gerhard Heiming)

Der Beschaffungsvertrag

Die Beschaffung wird mit einem sehr besonderen Vertragswerk realisiert. Vertragsparteien in dem am 21. März abgeschlossenen Beschaffungsvertrag sind die Bundesrepublik Deutschland und das Commonwealth of Australia. Hauptauftragnehmer ist das australische Verteidigungsministerium, das seinerseits Rheinmetall Defence Australia (RDA) als Unterauftragnehmer beauftragen wird. Deren Unterauftragnehmer wird die Rheinmetall Landsysteme. Dafür hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 1,9 Milliarden Euro freigeben, die zunächst aus dem Sondervermögen Bundeswehr und ab 2028 aus dem Kernhaushalt des Einzelplans 14 getragen werden.

Der Vertrag mit RDA zur Produktion der 123 schweren Waffenträger ist am 10. April abgeschlossen worden. Darin ist die Lieferung des Nachweisexemplars für 2024 vereinbart. Nach erfolgreichem Leistungsnachweis und Abnahme des Fahrzeugs soll die erste Charge von 19 Fahrzeugen bis Ende 2025 erfolgen. Diese Fahrzeuge werden bei Rheinmetall Landsysteme in Unterlüß gefertigt. In der Zeit wird die Produktion bei Rheinmetall Defence Australia (RDA) vorbereitet, die derzeit den Boxer CRV für das australische Heer produzieren. Ab 2026 werden dort zusätzlich die SWaTrInf mit einer Rate von 25 Fahrzeugen pro Jahr hergestellt. Die Auslieferung des letzten Fahrzeugs ist für den Januar 2030 vereinbart.

Gerhard Heiming