Bilder sagen manchmal gar nichts - Falsche Symbolbilder | CONSULTING.de

Consulting im Style-Check – Kolumne von Wolfram Saathoff Bilder sagen manchmal gar nichts – Wie Sie mit falschen Symbolbildern Kunden vergraulen

Wenn Sie einen Lügner überführen wollen, fragen Sie ihn, ob ihm Bildrecherche leicht fällt. Antwortet er mit ›Ja, klaro!‹, ist er ein Kreter. Denn seit Epimenides von Knossos wissen wir: Alle Kreter lügen. Kolumnist Wolfram von Ostfriesland über ein Thema, das jeden betrifft und doch niemand so richtig ernst nimmt. Spoiler: Sie baden gerade Ihre Hände darin.

Schlechte Karten für das weibliche Geschlecht – über die Heiratspolitik Heinrich VIII - und die Schwierigkeiten der Bildrecherche (Bild: Haus am Meer).

Der Frauenverschleiß von Heinrich, dem VIII

Heinrich VIII., von seinen Freunden ›Henry‹ genannt, Tudor-König von England Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhundert, hatte einen enormen Frauenverschleiß. Damals war die Welt eine andere, Mätressen waren okay, aber ehelichten durfte man nur eine Frau und musste bis zu deren Ableben im Kindbett oder via anderweitig natürlichem Vorgehen abwarten, wollte man zum Nachfolgemodell greifen. Was Heini, wie ihn seine Freunde nicht nannten, Ungemach bereitete.

Die juristische Möglichkeit einer Scheidung steckte noch in der Konzeptphase, wie der Lüstling sich stattdessen seiner diversen Frauen entledigte steht in den misogyneren Kapiteln der an misogynen Kapiteln generell nicht armen Geschichtsbücher geschrieben und führte zu einem Abzählreim, der sich auf Englisch praktischerweise reimt, auf Deutsch leider nicht: ›Geschieden, Geköpft, Gestorben; Geschieden, Geköpft, Überlebt‹.

Nur wenige seiner Frauen überlebten ihn

Eine von denen, die vierte over all und die zweite unter denjenigen, die die Ehe überlebten, war Anna von Kleve. Ihre Vorgängerin, Jane Seymour, war kurz nach der Geburt des späteren Königs Edward VI. leider gestorben, was nicht nur ihr, sondern auch dem König ausgesprochen missfiel. Als seine Beratenden ihre Arbeit taten und ihn berieten, nämlich dahingehend, sich eine neue, nach klassischer Zählung dann die vierte Ehefrau zu suchen, war er mäßig okay mit diesem Gedanken, hatte er Jane doch für einigermaßen tauglich befunden. Wohl die erste Ehefrau, mit der er zufrieden gewesen sein soll, manch einer munkelte von Liebe – und dann so was!

Warum fiel die Wahl auf Anna von Kleve?

Die Wahl des den König beratenden Gremiums fiel auf Anna von Kleve, die zur Frau zu nehmen politisch Sinn ergab, denn das Herzogtum Kleve verfügte nicht nur über Humor (regiert wurde es damals von ›Schloss Burg‹ aus, was Heinrich mit Sicherheit zum Schmunzeln gebracht hätte, wäre er über den Verlust seiner dritten Frau nicht in solch tiefer Trauer gewesen und des Deutschen mächtig), sondern auch über Geld und Einfluss, was den Beratern des Königs zusagte. Dem König weniger, er wollte die Dame nur heiraten, so sie denn ansehnlich, sprich: attraktiv wäre. Instagram gab es damals noch nicht, also musste der König anderweitig von den optischen Vorzügen Annas überzeugt werden.

Beschönigungen

Man beauftragte einen Maler namens Hans Holbein, damals so etwas wie der Hoffotograf der Tudors, der schon die verstorbene Jane Seymour hatte malen dürfen/müssen, wohlgemerkt zu deren und seinen Lebzeiten, nach Kleve zu reisen und ein Portrait von Anna zu malen, um den König von deren überragender Schönheit zu überzeugen. Königs-Berater Thomas Cromwell (ebenfalls mal von Holbein gemalt und ebenfalls mal von Heinrich geköpft, wenngleich nie mit ihm verheiratet) wies den jungen Maler an, das Anna-Portrait besonders vorteilhaft auszuführen, damit der König ihr auf jeden Fall verfiele.

Für die TikTok-Jugend da draußen: Holbein sollte einen Bold Glamour-Filter anwenden, der aus der leicht bunkigen Herzogstochter aus der Nähe von Düsseldorf eine Kim Kardashian machen möge. Für die Boomer unter meiner Leserschaft: Kim Kardashian ist … ach, googeln Sie das lieber nicht!

Wenn die Realität nicht hält, was das Bild verspricht

Der Plan ging auf, Heinrich sah das Portrait (in der Wikipedia zu sehen ) und war so hin und weg, dass er direkt ins damals noch schöne Deutschland aufbrach, um die junge Frau vom Fleck weg zu heiraten. Sie können sich Heinrichs Überraschung vorstellen, als er ihrer gewahr wurde! Einer komplett ausgedachten Legende zufolge muss seitdem auf der Rückseite jedes Ölgemäldes der Hinweis ›Abbildung ähnlich‹ angebracht werden.

Mit Bildern ist das halt so eine Sache. Sie können im Betrachtenden das Feuer der Lust auf mehr entfachen, sie können aber auch tierisch abtörnen. Sie können einem das Blaue vom Himmel versprechen, sie können aber auch die rote Flagge sein, die sagt: Geh mal lieber nach woanders, hier ist nicht so gut.

Sie können so viel.

Wenn man sich denn Mühe gibt.

Ein toller Artikel ist da entstanden,…

Und das ist der Ort, an dem viele Kinder in viele Brunnen fallen, da beobachtet der Hobby-Ornithologe manch denkfaulen Vogel, der ganz nach der 20-zu-80-Regel denkt:

Ach, reicht doch. Das ist in Sachen Marketing eh nie ein guter Gedanke, hier aber im Besonderen.

Stellen wir uns vor, Sie hätten einen ganz tollen Beitrag geschrieben zum Thema Transformation. Haben sich richtig fett Mühe gegeben, wie wir jungen Leute das so sagen, finden Ihre eigenen Worte nicht nur gut gewählt, sondern herausragend. Ein Wort, das Sie selten verwenden, kommt zum Einsatz: Stolz. Nein, ehrlich: Ihr Artikel ist wirklich gut! Steckt ja auch richtig viel Arbeit drin.

Hurtig, hurtig also auf LinkedIn posten, die Leute sollen das Meisterstück ja auch schnell lesen und sich an Ihrer Weisheit wärmen können!

…aber wo ein passendes Bild dazu finden?

Aber Halt! Mist. Da muss ja noch ein Bild zu. Bild. Hm. Bild, Bild, Bild. Was nehmen? Schnell nachdenken. Transformation. Trans-for-ma-tion. Transf... oh! Idee: Raupe zum Schmetterling! Perfekt. Bild rausgesucht, Artikel hochgeladen. Das ging fix. Sie klopfen sich selbst auf die Schulter und überhören dabei das Platsch!, mit dem wieder ein Kind in einen Brunnen fiel.

Bildrecherche ist die Königsdisziplin im Marketing. Das eine, richtige Bild für einen Fachbeitrag zum Beispiel, einen Artikel, Ihre Internetseite, ein Whitepaper et cetera tätä zu finden, kann Stunden dauern. Manchmal Tage. Kein Scherz.

Ein gut ausgewähltes Bild kann Menschen dazu bringen, sich für Ihr Thema zu interessieren. Ein schlecht ausgewähltes Bild hingegen lässt die Menschen weitergehen wie ein Schaufenster voller hässlicher Schuhe.

Bilder, die wie Faust aufs Auge passen, aber dennoch nicht gut sind

Leider nutzen nur wenige diese Chance, Aufmerksamkeit auf sich und ihre Arbeit zu ziehen. Selbst große Medien mit eigenen Abteilungen für so was geben sich oft genug mit einem beherzten Reicht-doch zufrieden.

Da mag man sich sagen: Wieso?

Es wird abgebildet, worum es geht! Passt doch!

Ein Bild kann Interesse wecken, so noch keines war

Eben nicht, denn bei so naheliegenden Symbolbildern kann die Leserin, der Leser ganz schnell sagen: Interessiert mich nicht, kenn ich schon, betrifft mich nicht. Und scrollt weiter.

Ein gutes Bild zeigt nicht was in der Headline steht (nur eben als Foto), sondern kann – ähnlich wie gute Typografie – dem Betrachtenden vermitteln, worum genau es in dem Text geht, warum genau es sich lohnt, ihn zu lesen, kurz:

Es kann Interesse wecken, wo unter Umständen noch keines vorhanden ist. Selbst, wenn man sich nicht für Passwörter, KI oder Saugroboter interessiert. Machen Sie dem Leser, der Leserin das Wegscrollen schwerer anstatt sich selbst die Bildrecherche leichter.

Zeigen, worum es wirklich geht

Verzichten Sie auf Naheliegendes oder Platzhalter. Also bitte auch keine Bilder von sich schüttelnden Händen, bunten Post-Its, bekrakelten Flicharts oder Hände, die auf Dinge zeigen. Zeigen Sie, worum es Ihnen wirklich geht. Wie gesagt: Leicht ist das nicht. Eher die ganz hohe Kunst! Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit: Du machst es dir doch selbst leicht – im Artikel geht es um Heinrich VIII. und nimmst ein Bild von einem König!

Mal ganz unter uns: Erwarten Sie auf consulting.de einen Artikel über einen mittelalterlichen Frauenhasser? Sehen Sie! Ach so, tun Sie doch? Dann werden Sie eher hier fündig!

Und wenn Ihnen die Bildrecherche auch immer wieder Probleme bereitet, dann wenden Sie sich vertrauensvoll an die Agentur für Hirn und Herz: Im Haus am Meer  wird Ihnen geholfen. Nur nicht bei Scheidungen!

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Über die Person

Warum sehen Beratungsunternehmen eigentlich so aus wie sie aussehen? Diese Frage stellt sich Wolfram Saathoff (Schuhgröße 43) in seiner monatlichen Kolumne. Der Kommunikationsdesigner und Trendforscher hat in Hamburg an der Design Factory International studiert und führt seit 2004 zusammen mit seinem Partner in Crime Steffen Kratz die Werbeagentur Haus am Meer in Barcelona. Gemeinsam machen sie die Beratungsbranche schöner. Mehr über die Agentur für Berater: www.hausammeer.org

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