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Taylor Swift bis Lady Gaga – den Diven von einst können sie nicht das Wasser reichen

Freier Feuilletonmitarbeiter
Eher weltgewandte Geschäftsfrau als Diva: Popstar Taylor Swift Eher weltgewandte Geschäftsfrau als Diva: Popstar Taylor Swift
Eher weltgewandte Geschäftsfrau als Diva: Popstar Taylor Swift
Quelle: WireImage/Gotham
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Die großen Diven der Film- und Opernwelt weckten das Begehren, weil sie über den Dingen standen und für ihre Anhänger unerreichbar blieben. Warum die glitzernden Pop-Primadonnen der Gegenwart nur noch ein Abklatsch der wahren Bühnen-Göttinnen sind.

Die Sterne sind verblasst. Die Göttinnen sind tot. Erste Damen gibt es kaum mehr. Und die Kultbilder sind abgegriffen. Star, Diva, Primadonna, Idol – sie alle sind längst banalisierte Opfer der Beliebigkeit geworden. Jeder ist heute berühmt, „man kennt mich aus dem Fernsehen“, so lautet der uniforme Begrüßungssatz aller Reality-Stars, die natürlich nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben, ja nicht mal als Sternchen zu blinken vermögen. Und die sich in ihrer Bubble selbst kaum kennen.

Eine Diva, das war eben die dem Alltag Abgewandte, eine glitzernde Sirene aus weiter Ferne, der wir nicht als Leserreporter per Handy auf die ungeschminkte Pelle rücken konnten und die uns, #poweredby, auch nicht werbefinanziert an ihrem vermeintlichen Alltag zwischen „ach wie toll, wieder was zum Auspacken“ und geeister Champagnerlatte teilhaben ließ. Die echte Diva, die steht auf einem Piedestal weit über den gewöhnlichen Sterblichen. Sie sieht perfekt aus, sie inszeniert sich außergewöhnlich, sie benimmt sich nicht immer nett und pflegeleicht, ja sie hat vorzugsweise sehr erratische Macken. Das aber gefällt uns. Denn sie ist anders als die anderen, modelliert sich von der makellosen Fußlackierung bis zur letzten, hochgetufften Haarsträhne als eine Primadonna. Keiner würde so rumlaufen und sich permanent selbst inszenieren. Aber genau dafür wird sie geliebt.

Marlene Dietrich in einem Pelzmantel, der speziell für ihre Auftritte angefertigt wurde
Marlene Dietrich in einem Pelzmantel, der speziell für ihre Auftritte angefertigt wurde
Quelle: CBS/Getty Images

Primadonna, so hieß die erste Sängerin in der Oper, nachdem sie endlich die freilich unterhaltsame Herrschaft der vorher sehr divös auf der Bühne des barocken Musiktheaters agierenden Kastraten als stilistisch veraltert abgeschüttelt hatte. Das 19. Jahrhundert war ihre Zeit, die Primadonna starb die schönsten Wahnsinnstode als romantische Koloraturheldin. Sie war Opfer, gewiss, aber das mit der beifallsheischenden Finalarie. Und sie war Unternehmerin, verdiente Geld, sehr viel Geld. Im Zeitalter der Hysterie mutierte sie zur Verführerin und zum Vamp namens Lulu, vor dem die Herren der Schöpfung Angst hatten, angezogen wie abgestoßen wurden.

Erst war sie die in schönsten Tönen ersterbende Traviata, dann mordete sie die Männer „wie die Motten das Licht“. Das sang Marlene Dietrich im allerletzten Backfischspeck als „blauer Engel“ Lola. Dann wurden ihr zugunsten hoher Wangenknochen die Backenzähne gezogen, sie schiffte sich nach Hollywood ein und wurde unter Anleitung ihres Svengali Joseph von Sternberg eine Göttin des Zelluloids. Bald wusste sie allerdings selbst am besten, wo der Scheinwerfer zu stehen hatte, um im unwirklichsten Licht überirdischer Schönheit zu glänzen: Ich bin die Frau!

Die Kinostars hatten plötzlich die Operndiven ersetzt, für die ihre Fans einst die Pferde ausgespannt hatten und die ganze Auditorien mit ihren hohen Ds ins Delirium versetzten. Jetzt diktierten neue Göttinnen die Regeln, doch in Wirklichkeit wurden sie meist von weiter oben regiert. Auch sie waren nur Angestellte, Delegierte der Eleganz im mächtigen Studiosystem der Medienmogule als höchster Instanz. Die schliffen Biografien zu Recht, wie sie die Glamourbilder retuschierten, die Garderobe und die Frisur ja sogar die Ehegatten diktierten.

Es nicht leicht, eine Göttin zu sein: Greta Garbo als Mata Hari
Es nicht leicht, eine Göttin zu sein: Greta Garbo als Mata Hari
Quelle: picture alliance

Nichts war echt, der trügerische Schein umso schöner. Bigger than life, als Avatar auf der Kinoleinwand, das waren wahre Kunstwerke im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Groß und berühmt wurden sie erst durch die überdimensionale Leinwand, die echte Person dahinter bekamen die damaligen Fans nie zu sehen.

Die entrückteste Diva war Greta Garbo, auf ewig schön in kühlem Schwarz-Weiß. Freilich musste sie ihren Thron auf dem Gipfel mit manischer Menschenscheu, gepaart mit Schüchternheit und einem niedrigen Selbstwertgefühl sowie einem allzu frühen Rückzug aus dem Scheinwerferlicht bezahlen. Eher ein Fall für die Couch als das Podest. Nur ahnte das damals noch keiner hinter ihrer völligen Abgeschirmtheit.

Ein Gespräch über Diven

Als Hollywood seine auf Unterordnung basierende Vorherrschaft verlor, stiegen die Diven der Gegenkultur auf, die konnten jetzt durchaus männlich sein: der durch seinen jugendlichen Autounfalltod auf dem Weg zum Starruhm jäh gestoppte und so zum Mythos gewordene James Dean wie auch der sein Becken als Testosteronschleuder gebrauchende Elvis Presley mit dem sinnlichen Lippenschwung, für den einsame Hausfrauen gemordet hätten. Männliche Diven waren übrigens auch schon die Dandys des Fin de Siècle, müde, vom Ennui geschüttelte Zwitterwesen, die sich auf lila Samt betteten, der grünen Absinth-Fee huldigten und weltvergessen dem Opium-Rausch entgegenfieberten.

Selbst im braven Pirouetten-Staccato des Balletts konnte der als Tartarensohn im fahrenden Zug in der russischen Steppe geborene, spektakulär in den Westen geflüchtete Rudolf Nureyev zur Diva mutieren. Ob er nun Marianne Faithfull ihren Mick Jagger zumindest kurzzeitig abspenstig machte, mit der viel älteren Margot Fonteyn seine schwerelose Ballerino-Partnerschaft zelebrierte oder auf den Li-Galli-Inseln vor der Amalifi-Küste junge, willige Männer mit und ohne Badehose vernaschte, er war rebellisch, nonkonformistisch, haltlos und immer extrem sexy. Er war anders, entrückt.

Maria Callas in ihrem Apartment in Mailand
Maria Callas in ihrem Apartment in Mailand
Quelle: picture-alliance/Leemage/Franco Gremignani
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Die Zeit von Elvis und Nureyev war auch die Zeit von Maria Callas, die noch einmal die Operngloriole der Diva hochhielt, ein hässliches Entlein, das zur griechischen Singgöttin der Mailänder Scala und gleichzeitig von „Paris Match“ und „Life“ wurde. Die Callas stieg auf (oder ab?) zur Jet-Setterin an der Seite eines anderen weltberühmten Griechen, Reederei-Tycoon Aristoteles Onassis, der sie für John F. Kennedys Witwe wieder verließ. Gleichzeit ging ihre Stimme kaputt, sie verstummte, starb, keine 50 Jahre alt, einsam in ihrer Pariser Wohnung, an „gebrochenem Herzen“, nicht weit weg Marlene Dietrich, die sich auf ihre Art von der Welt verabschiedet hatte.

Triumph und Tragik halten das Image der vor 101 Jahren geborenen Diva so frisch wie ihre immer neu recycelten und remasterten Aufnahmen. Das nämlich ist es: Es muss etwas geben, an dem sich das Image auch einer verblassten Diva für die Nachgeborenen dingfest machen lässt, egal ob Fotos, Filme, Platten. Einzigartig ist bis heute die Individualität, die Technik, die Brillanz, die sich wandelnde Emotionalität der mal scharfen, dann wieder sanften Stimme von Maria Callas.

Er entwarf Bühnenroben für Ikonen wie Cher, Madonna und die Monroe
Pop-Diva Cher 1978 in einer Bob-Mackie-Kreation als Disco-Isis, der Göttin der ägyptischen Mythologie für Wiedergeburt und Magie
Kostümdesigner der Popstars

Und diese rücksichtslose, ja selbstzerstörerische Unbedingtheit, die hochfahrende Klasse, der Fleiß, das hebt die Callas bis heute als echte Diva über ihre Nachfolgerinnen empor. Eine Angela Gheorghiu, inzwischen weit über ihrem vokalen Zenit, kann höchsten die Allüren der Callas imitieren.

Marilyn Monroe, Jimi Hendrix, Romy Schneider, Freddie Mercury, Kurt Cobain, Lady Di, Michael Jackson, Prince – sie haben etwas hinterlassen, sie sind früh gestorben. Sie sind Idole, Mythen. Waren sie auch Diven? Klar, sie hatten Launen, aber sie ließen uns an ihren Unsicherheiten, ihren Zweifeln teilhaben. Sie waren und blieben doch Menschen.

Eine moderne Diva?

Göttin zu sein ist schwer. Es erfordert Energie, Disziplin, aber eben auch Abstand, Distanz, Entrücktheit. Im besten Fall gewinnt man Unabhängigkeit, Status und Freiheit. Die stets nahbare Sopranistin Joan „la Stupenda“ Sutherland sagte sehr direkt: „Um eine Diva zu sein, ist es unerlässlich, ein Gemüt wie ein Pferd zu haben.“

Eine Barbra Streisand, die sich in einer Männerwelt selbst ein Imperium geschafften hat, von der Musicalinterpretin über die Filmschauspielerin zur Popsängerin, Autorin, Regisseurin und Produzentin, hat wenigstens – bei aller zeitweiliger Verbiestertheit – jüdische Selbstironie. Madonna, durchaus Primadonna mit Diva-Potential, macht sich gegenwärtig zur Witzfigur, weil sie nicht in Würde altern will, ihrem dynamischen Gestern hinterherhoppelt, auch den Zeitgeist-Zug lange schon verpasst hat.

Den Popstars von heute wie Lady Gaga fehlt die Entrücktheit der klassischen Diven
Den Popstars von heute wie Lady Gaga fehlt die Entrücktheit der klassischen Diven
Quelle: Frazer Harrison/Getty Images; Amy Sussman/Getty Images

Lady Gaga ist zu chamäleonhaft. Aber was ist mit Taylor Swift, größter, geldwertester Popstar unserer Zeit? Eine Diva? Echt, jetzt? Schon ihre Country-Anfänge prädestinierten sie nun gar nicht zur Primadonna. Womöglich ist sie die erste, die sich fragt, was denn nun so besonders an ihr ist. Wohl die Massenkompatibilität. Sie passt zu allem und jedem, sorgfältig zurechtgeschneidert wie ihre Songs. Und ist damit das Gegenteil einer Diva. Die nämlich schwebt göttlich auf ihrer Wolke sieben, ein Sehnsuchtstraum, irreal, zickig bisweilen, gerade deshalb so begehrenswert. Eine Taylor Swift trägt bunte Strasskostüme und ist im Alltag sofort wieder ein 34-jähriges Mädchen und eine offenbar sehr gute Geschäftsfrau.

Das nämlich ist die Tragik der modernen Diva: Wäre sie wirklich eine, eitel, eisig, einsam, dann wäre sie beneidet und das allererste Opfer im schimpfenden Geschnatter des zeitgenössischen Social-Media-Fegefeuers. Selbst den Rollenmodell-Status als feministische Vorkämpferin – wie etwa noch Mae West oder Josephine Baker – haben ihr die Schwestern längst genommen. Und so sind die letzten großen Diven von heute die Dragqueens – der verkleidete Mann als queer-ironisches Zerrbild einer dominanten Frau.

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