"Der Kolibri – Chronik einer Liebe" – übermotivierte Verfilmung eines Familienromans | Mucke und mehr
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“Der Kolibri – Chronik einer Liebe” – übermotivierte Verfilmung eines Familienromans

Autor: Mick

"Der Kolibri" Filmplakat (© MFA+ FilmDistribution)

Der Kolibri – Chronik einer Liebe

Darsteller: Pierfrancesco Favino, Kasia Smutniak, Bérénice Bejo, Fotini Peluso
Regie: Francesca Archibugi
Dauer: 126 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.mfa-film.de/kino/id/der-kolibri-chronik-einer-liebe
Facebook: facebook.com/mfa.filmdistribution
Kinostart: 16. Mai 2024


Es geht schon turbulent los in Francesca Archibugis Romanverfilmung „Der Kolibri – Chronik einer Liebe“. Mitten hinein in den abendlichen Urlaubswirbel einer Familie wirft sie uns und schneidet gleichzeitig dramatische Ereignisse am Meer dagegen, da haben wir ihre Figuren noch nicht einmal richtig kennengelernt. Anspruchsvoll ist sie unbestritten, die Aufgabe, die die versierte italienische Regisseurin und Drehbuchautorin hier mit der Verfilmung von Sandro Veronesis Buch „Der Kolibri“ aus dem Jahr 2019 angenommen hat. Das erzählt die Familiengeschichte seines Protagonisten Marco über einen Zeitraum von fünfzig Jahren und legt dabei sein Hauptaugenmerk auf Marcos schicksalhafte Beziehung zu seiner Jugendliebe, weswegen der Verleih dem Filmtitel auch den unmissverständlichen Zusatz „Chronik einer Liebe“ spendiert hat.

Und die beginnt halt in den Siebzigern im Urlaub der Carreras am Meer, als der Teenager Marco (Francesco Centorame) jede freie Minute mit Luisa, der Tochter der ungeliebten Nachbarn, verbringt. Dass sich im selben Urlaub seine depressive Schwester Irene (Fotini Peluso) das Leben nimmt, markiert den ersten Schicksalsschlag einer Familie, der anschließend auch wirklich nichts erspart bleiben soll. Natürlich gibt das in erster Linie Veronesis Roman vor, die adäquate Umsetzung aber obliegt nun einmal der Regisseurin, was ausdrücklich die künstlerische Freiheit der Kürzung beinhaltet, die dem Werk nicht geschadet hätte. So aber bringt uns Archibugi schon in den ersten Einstellungen mit ihren schnellen Sprüngen zwischen den Zeitebenen an den Rand der Überforderung.

Dramatisch ist es dabei allemal, was sie uns an tragischen Ereignissen präsentiert, eine etwas konservativere Herangehensweise jedoch hätte ihrem Einstieg in die umfangreiche Geschichte keineswegs geschadet. Kaum haben wir Marcos Zuneigung zu Luisa und seinen schmerzvollen Verlust der Schwester registriert, befinden wir uns auch schon Jahrzehnte später in seiner Augenarztpraxis, wo er vom Psychiater (Nanni Moretti) seiner Frau Marina (Kasia Smutniak) über eine drohende Gefahr aufgeklärt wird. Konfrontiert mit deren Einlassungen während der Sitzungen fällt Marco (als Erwachsener: Pierfrancesco Favino) jetzt aus allen Wolken, was Archibugi wiederum zum Anlass nimmt, uns in die wechselhaften Wirren seiner Ehe zu katapultieren, die schon in einem ebenso merkwürdigen wie unglaubwürdigen Geschehen ihren Anfang nimmt.

"Der Kolibri" Szenenbild (© Enrico De Luigi)

(© Enrico De Luigi)

Und das soll nicht das letzte Mal sein, dass wir ungläubig die Stirn runzeln, denn wie ein roter Faden ziehen sich die Eigentümlichkeiten durch den wilden Ritt durch die Jahrzehnte, die uns die Regisseurin im steten Wechsel zwischen den absonderlichen Familienepisoden näherbringt. Denn was mit der fatalen Depression von Irene beginnt, setzt sich mit der bipolaren Störung von Marcos Frau Marina und dem Unfalltod seiner Tochter fort und endet schließlich mit der Krebserkrankung seiner ohnehin ständig streitenden Eltern, kontroverse Sterbehilfe inklusive. Weniger wäre sicher auch bei der Romanvorlage mehr gewesen, hat hier doch gefühlt jedes Mitglied der lebhaften Familie ein wahrlich ernstes Problem, von denen jedes für sich für einen eigenen abendfüllenden Film ausgereicht hätte.

Dabei kann einem das italienische Starensemble eher leidtun, das hier wirklich alles gibt, um seinen Figuren die nötige Tiefe zu verleihen, bei der gedrängten Agenda des Drehbuchs und den immer wieder unmotiviert durch Sprünge zwischen den Zeiten unterbrochenen Episoden einfach nicht genügend Raum erhält. Allenfalls Marcos Leiden angesichts seiner alles überlagernden, lebenslangen unerfüllten Liebe zu Luisa (Bérénice Bejo) vermag uns vorübergehend zu berühren, das dann auch zum imposanten Bruch mit seinem Bruder führt.

Insgesamt jedoch will Archibugis gut gemeinte Romanadaption zu viel, als dass sie uns länger richtig packen könnte. Zu überladen wirkt sie mit der Anhäufung von Familienproblemen, die man ihr irgendwann nicht mehr abnimmt, selbst wenn wohl auch jeder von uns sein Päckchen zu tragen hat. Da passt es irgendwie ins Bild, dass sie moralisch aufgeladen auf einer übernatürlichen Note endet.

Trailer:

Bewertung: 4 von 10 Punkten

 

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