Na, das hätte ich auch gekonnt! - Hildesheimer Allgemeine
Kolumne Gefundenes Fressen

Na, das hätte ich auch gekonnt!

Hildesheim - Zwei Striche und ein rotes Dreieck auf Papier? Ein Fettfleck in einer Zimmerecke? Abstrakte Kunst verführt schnell dazu zu glauben, dass sie gar keine richtige Kunst ist, sondern etwas, das eigentlich jedes Kind kann – sogar auch HAZ-Kolumnistin Kathi Flau.

Die Kolumne Gefundes Fressen erscheint jeden Montag in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung. Foto: HAZ

Hildesheim - Es ist völlig unmöglich, an abstrakter Kunst vorbeizugehen, ohne dass einer sagt: „Na komm, ey, so’n büschn Gekritzel und paar Farbkleckse drumrum, das hätt ich auch noch fertig gekriegt.“

Was mir neulich einfiel, als ich über den Mitarbeiter der Münchner Pinakothek las, der von seinem Arbeitgeber angezeigt wurde. Nicht, weil er Kunst geklaut hätte, im Gegenteil. Wo sauteure Werke von Jonathan Meese, Neo Rauch oder Oskar Schlemmer hängen, hatte er die Galerie mal eben vervollständigt: mit einem eigenen Bild. Aus seinem Fundus hatte der 51-Jährige das schönste ausgesucht und unter die zeitgenössischen Künstler gemischt. Auf sein Können zu verzichten, war der Weltöffentlichkeit wohl nicht länger zuzumuten.

Zack, Anzeige wegen Sachbeschädigung

Das Ganze ging aber ärgerlich aus, denn um das Bild aufzuhängen, hatte der Mann Löcher in die Wand gebohrt. Zack, Anzeige wegen Sachbeschädigung, Bild entfernt, Löcher zugespachtelt, Ende des Ausflugs in die Kunstwelt. So schnell können Karrieren enden. Oder beginnen. Der britische Künstler Banksy macht sich einen Spaß daraus, eigene Bilder in Museen zu platzieren. So bereicherte er das British Museum um die Darstellung eines Jägers mit Einkaufswagen. Im New Yorker MoMA hängte er eine Suppendose im Warhol-Stil an die Wand. Und, was war? Alle begeistert! Tja.

Es ist wohl wie mit Fettflecken in einer Zimmerecke: Der eine wird berühmt, der andere müsste, wenn er ihn gemacht hätte, eine teure Malerfirma kommen und ihn weider beseitigen lassen. Weil er das aber vorher schon weiß, macht er den Fettfleck erst gar nicht. Er geht lieber später an Beuys’ Fleck vorbei und sagt dabei sehr richtig: „Naja, also das hätte ich ja nun auch gekonnt.“

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