BMW 3.0 CSL: 1973, Batmobil
Nachts sind alle Träume grau: Im BMW 3.0 CSL durch München
Sorry für diesen Krach, liebe Münchner. Aber wir donnern ja auch wirklich nicht jede Nacht mit dem "Batmobil" durch eure Stadt. Nur heute.
Bild: Fred Roschki / AUTO BILD
So ein Leben als Batman ist auch nicht immer la-la-la und hey-hey-hey. Was sie alles von dir erwarten! Du sollst die Stadt vor den ganzen düsteren Typen schützen, allem Verbrechen den Garaus machen. Ja, wie stellt ihr euch das denn vor? Finanzamt schließen? Dann wären schon mal weite Teile der Gaunerei beendet. Oder widerliche Tank-Abzocker einbuchten, die bei Pernod-Cola Spritpreise auswürfeln und vor lauter Lachen nicht in den Schlaf kommen? Ja, auch das würde helfen.
Aber mal ganz ehrlich: Heute will Batman nicht die Welt retten, heute will er Auto fahren. Denn sie haben ihm einen Silberschatz gegeben: BMW 3.0 CSL, Spitzname „Batmobil“. Das Coupé ist so schön und so schön laut, dass sämtliche Härchen um einen Stehplatz flehen. Welt retten ist morgen, heute wird gefahren!
Nun schreibt hier, und das ist ja auch logisch, natürlich nicht Batman, den gibt’s nur im Comic. Aber "Bat-May" schickt mit dieser Story auch einen Liebesbrief an eines der schönsten Autos aller Zeiten, den BMW E9.
Womit wir auch schon mitten in den 60ern wären. BMW hat nach harten Zeiten bei trocken Brot und stillem Wasser mit der Neuen Klasse in der Mitte der Autolandschaft und dem 02 darunter wieder so viel Kohle in der Kasse, dass sie sich "Große Klasse" trauen. Der viertürige E3 ist ab 1968 Vorgänger des 7ers, der E9 das zweitürige Coupé auf dieser Basis. Darum geht es heute aber nur bedingt, wie uns staunende Blicke der Ampelnachbarn und hastige Daumen-hoch- Gesten der Gaaaanz-langsam-Vorbeifahrer bestätigen. Heute geht es um: DAS! AUTO! 3.0 CSL, also "Coupé Sport Leichtbau".
Machen wir nach all der Aufregung, nach erstem Krächzen von Metall auf Metall, nach Quietschen von Gummi auf Asphalt und dem heiseren Trompeten der sechs Zylinder erst mal kurz Pause. Wir stehen also mitten in München vor dieser kleinen Tankstelle im Isarparkhaus, drücken den Türgriff in der linken Armlehne nach oben, wuchten mit beiden Armen auf den Polstern der Schalensitze den geschundenen Kadaver hoch, klettern achtsam raus. Der Blick wandert über die rahmenlose Seitenscheibe rüber zu den Fans, die schon ihre Handys zücken, die Füße tapsen nach hinten zur skurrilsten Theke der Stadt. Dort stellst du deine Coladose ab, atmest tief durch, versuchst Puls und Blutdruck wieder unter Grenzbereich zu bringen, was schwerfällt, denn du musst immer wieder durch die großen Fenster blinzeln und dieses sexy Biest aus allen Blickwinkeln begaffen.
CSL: Seltenes Topmodell
Herrgott, Maria, was habt ihr euch bei diesem Auto nur gedacht?! Einen CSL haben sie erstmals 1971 gebaut, 180-PS-Reihensechser, bis 1972 aber nur 169-mal verkauft. Die zweite Ausführung ab 1972 mit 200-PS-Einspritzer fand in zwei Jahren 929 Käufer. Dann kam von 1973 bis 1975 das Batmobil. Unser Auto von BMW Classic ist vom 6. August 1973, hat 206 PS, von ihm gab es 167 originale Exemplare. Unseres ist in Polaris Metallic lackiert, Farbcode 060.
Nachts sind alle Träume grau. Du stehst also vor dem Wagen an der Tanke, guckst hier und klopfst da, und du findest: keine unnötigen Kilos. Sie haben den CSL komplett als Luftikus gedacht, bei den Karmännern in Osnabrück eine Spezial-Leichtbaukarosserie in Auftrag gegeben mit Frontklappe und Außenhaut der Türen aus Alu. Nur 1165 Kilo bringt der CSL auf die Waage, 255 weniger als ein 3.0 CSi. Mit Städtepaket wiegt er 1300 Kilo, dann hat er das Fahrwerk vom CSi, hinten verchromte Stoßstange mit Gummischutzleiste und Hörnern, Hartglas-Sicherheits-Frontscheibe, Werkzeugbox an der Kofferraumklappe, CS/CSi-Motorhaubenverschluss, Servolenkung und den Bodenteppich aus feinem Velours.
Der Clou unseres CSL ist das Racing-Paket. Sie haben den Wagen ohne Stoßstange vorn ausgeliefert, dafür einen Frontspoiler aus glasfaserverstärktem Kunststoff angebaut, auf die Kotflügel Luftleitprofile aus schwarzem Integralschaum montiert und auf den Kofferraumdeckel einen Heckspoiler aus Kunststoff mit einer Abschlussleiste aus Weichschaum.
Den Rest des Racing-Pakets haben sie einfach so in den Kofferraum gelegt. Nämlich diese riesige XXL-Theke namens Heckflügel, die Heckflosse darunter und das Luftleitblech oberhalb der Heckscheibe. Für all das hatte BMW keine Zulassung. Sollte der Kunde doch bitte schön selbst montieren, wenn er im CSL über die Rennstrecke donnern wollte. Wie gut, dass zumindest die Heckklappe aus Stahlblech serienmäßig mit Lochbild innen für die Montage der Heckflossen geliefert wurde und auch die vier verchromten Radausschnittblenden ab Werk montiert waren.
Wie nun die 167 Batmänner den TÜV überzeugt haben? Sagen wir so: Damals, als es noch Aschenbecher vorn UND hinten für die schnurrbärtigen Quarzer gab, war einiges möglich, Stichwort Scheinchen in den Papieren. Wenn der Prüfer auch nur einen halben Liter Benzin im Blut hatte, dann ging die Einzelabnahme von Luftleitblech, Flosse und Flügel geräuschlos über die Bühne. Vor Batman aus der Sammlung kniet unter Garantie auch heute noch jeder TÜV-Mann voller Ehrfurcht nieder und klebt verliebt die Plakette. Und wenn nicht, soll ihn gefälligst auf dem Lastenrad der Blitz treffen.
Nächtlicher Einsatz
Potzblitz, stockdunkle Nacht in München, nur die Leuchtreklame wirft etwas buntes Licht in den Himmel. Es ist eine dieser letzten milden Herbstnächte, in denen die Münchner bei einem halben Hellen bis spät draußen sitzen vor den Kneipen und suchend nach links und rechts gucken bei diesem Lärm, der einen ins Mark trifft.
Das Batmobil hat nur ein Abgas-Endrohr, wo heute all diese hochgezüchteten Vierzylinder den künstlichen Krach durch deren vier an die Außenwelt senden. Hier reicht eins, um deinen Kopf ganz Karussell zu machen. Wie der krächzt und wie der klötert, wie der dröhnt und wie der sprötzt. Jedenfalls gucken sie von den Trottoirs, und sie gucken nicht angewidert, sie nicken lächelnd, erkennen den kulturellen Wert unseres Exponats, das auf 320.000 Euro versichert sein soll.
Der 3.0 CSL, diese silberne Ausgeburt der automobilen Geilheit, ist das erste Werk der späteren BMW M GmbH. Sie haben nicht etwa einen kompromisslosen Sportwagen gebaut, der nur auf dem Rundkurs zu bändigen ist. Nee, Batman kommt selbst im Stadtverkehr prima klar, wenn du auch beim Rangieren ein bisschen Muckis in den Armen brauchst; das geht trotz relativ großem, dreispeichigem 38-Zentimeter-Lenkrad schwerer von der Hand als in jedem Kleinlaster von heute. Um aber das echte, leibhaftige Herz dieses Autos zu spüren, müssen wir kurz raus aus der Stadt.
Deutschland, Deutschland, hörst du mich? Heut’ Nacht komm ich über dich! Sie haben ihren Sechsender in der letzten Ausbaustufe von 3,0 auf 3,2 Liter Hubraum aufgebohrt, sie haben ihm aber nur sechs PS mehr mit auf den Weg gegeben. Beim Spurt von 0 auf 100 ist das Batmobil mit 7,1 Sekunden sogar um 0,2 schlechter als der Vorjahres-CSL mit 200 PS. Wir wollen nicht klugscheißen. Du machst dir auch so fast ins Höschen, wenn du den Pinsel durchdrückst und den Blinker (rechts am Lenkstockschalter) zum Überholen setzt.
Dieser Druck ab Leerlaufdrehzahl, bei 2600/min noch mal ein Extra-Punch. Der Einspritzer mit Bosch D-Jetronic dreht zuerst ganz ruhig und turbinenartig hoch, um dann im etwas höheren Drehzahlbereich die zweite Luft zu bekommen. Dann wird er zornig, dann dreht und dreht er. Bis du irgendwann bei 6000/min zur Viergangschaltung greifst. Dabei feiert sich der Motor mit lautstarkem Gedröhne selbst. Hier kommt der Applaus von vorn, und BMW schreibt: "Sicherheit beim Automobil ist eine Frage der Leistungsreserven."
Zeitreise im Kultmobil
Jedenfalls hast du, und das gilt es im Kontext der Zeit zu betrachten, Power in jeder Lage. Der CSL hat eine feine ZF-Gemmer-Schneckenrollenlenkung, die auf kleinste Befehle reagiert, ein Fahrwerk mit Bilstein-Gasdruckstoßdämpfern, progressiven und härteren Schraubenfedern und ein Differenzial mit 25-prozentigem Sperrwert. All das macht den Wagen zu einem stabilen, niemals nervösen Alltags-Rennwagen.
Und so ziehst du deine Bahnen mit dem Sportgerät der 70er. Wenn du in den Rückspiegel guckst, erkennst du schemenhaft, wie die Welt hinter dir in Unschärfe versinkt. Einzig dieser unfassbar große Flügel bleibt scharf, den haben sie so riesig geformt, damit immer Druck auf der Hinterachse ist, der BMW stabil bleibt.
Stabil bleiben. Bloß nicht die Contenance verlieren. Das ist einerseits schwer, weil du in diesem Auto die pure Unvernunft einatmest, den Hang zum Prassen und Protzen ohne Sinn und Verstand aus jeder Ritze spürst. Auf der anderen Seite sorgen allein die Schalensitze dafür, dass Du Haltung bewahrst. Ja, rein- und wieder rauskommen ist schwer. Aber wenn du erst mal sitzt, halten dich die engen Wangen auf Kurs, der grobe Cordstoff und die lang gezogene Schenkelauflage haben sogar etwas Heimeliges. Jedenfalls gibt es auch heute nicht viele Autos mit einer dermaßen überragenden Sitzposition, mit einer derart grandiosen Rundumsicht, mit einer derart einfachen und – bis auf den Blinker rechts – intuitiven Bedienung.
Ach, hätte Papa damals nicht auf ein Haus gespart, sondern das Geld ins Batmobil gesteckt, denke ich, als ich die Preisliste studiere. Basis 1974 happige 38.860 Mark, Metallic-Lack 595,50, Blaupunkt Frankfurt 432,34, zweiter Außenspiegel 22,52, ein Liter Lack (man weiß ja nie …) 17,12. Macht unterm Strich 40.000 Mark. Vielleicht ganz gut, dass ein CSL nie in der Garage stand, sondern nur bei mir im Matchbox-Parkhaus. Wenn du so was immer hast, geht irgendwann der Reiz verloren.
Und dann packt dich noch mal der Reiz des Wahnsinns, du willst einfach fahren, die Nacht spüren, das Auto fühlen. So ein Leben als Batman ist nicht immer la-la-la und hey-hey-hey. Heute aber schon.
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