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Das Literarische Quartett vom Mai 2024 mit Salman Rushdie

Sir Salman Rushdie sitzt unter der Lampe am Tisch des Literarischen Quartetts vom Mai 2024 und hält »Die Verwandlung« von Franz Kafka in der Hand (Foto: ZDF/Jens Gyarmati)
Sir Salman Rushdie sitzt unter der Lampe am Tisch des Literarischen Quartetts vom Mai 2024 und hält »Die Verwandlung« von Franz Kafka in der Hand (Foto: ZDF/Jens Gyarmati)

Sir Salman Rushdie diskutiert mit Thea Dorn, Deniz Yücel und Juli Zeh im Literarischen Quartett. Ein bemerkenswerter Coup, der der Redaktion des ZDF gelungen ist. Die Chronistenpflicht verlangt eine Würdigung, auch wenn die Sendung nicht besser war als sonst. Aber anders.

Salman Rushdie ist zur Präsentation seine Buches »Knife« gerade in Deutschland. In diesem Werk arbeitet er den Mordanschlag auf ihn vom 12. August 2022 literarisch auf. Am Abend des 16. Mai 2024 fand die einzige öffentliche Veranstaltung dazu in Berlin statt. Die Buchpremiere kann man in der ARD-Audiothek nachhören.

Davor war Rushdie als ganz normaler Diskutant bei der Aufzeichnung des Literarischen Quartetts und stellte Franz Kafkas »Die Verwandlung« vor. Erstaunlich, dass der in einem Monat 77-jährige Salman Rushdie das mitgemacht hat. Immerhin musste er der bisweilen unübersichtlichen Diskussion per Simultandolmetscher folgen. Seine Diskussionsbeiträge wurden später mit einem deutschen Voice-Over versehen. Schade, dass in der ZDF-Mediathek keine Version ohne Übersetzung verfügbar ist.

Das Literarische Quartett vom Mai 2024: Salman Rushdie, Juli Zeh, Thea Dorn und Deniz Yücel (Foto: ZDF/Jens Gyarmati)
Das Literarische Quartett vom Mai 2024: Salman Rushdie, Juli Zeh, Thea Dorn und Deniz Yücel (Foto: ZDF/Jens Gyarmati)

Neben Kafka wählte man natürlich internationale Literatur aus, sodass Rushdie fundiert mitdiskutieren konnte. Und auch die Übersetzer der Werke von Gabriel García Márquez, Bernardine Evaristo und George Saunders wurden diesmal alle erwähnt.

Rushdie war allzuoft aus nicht-literarischen Gründen Thema in den Medien. Das war 1989, als nach den »Satanischen Versen« der iranische Revolutionsführer Ayatollah Chomeini zur Ermordung Rushdie aufrief, 2022 dann gab es während einer Lesung in den USA einen Mordanschlag, bei dem Rushdie das rechte Auge verlor und 2023 erhielt der indisch-britische Schriftsteller den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

1989, als das Literarische Quartett noch von Marcel Reich-Ranicki geleitet wurde, verzichtete die Runde mit Helmut Karasek und Siegrid Löffler bewusst auf eine literaturkritische Besprechung der »Satanischen Verse«. »Eine Diskussion, die die Qualität des Buches von Salman Rushdie verquickt mit dem Mordbefehl des Ayatollah Chomeini, die leistet Vorschub dem Gedanken, es könne was dran sein an dem, was man vielleicht dem Buch vorwerfen kann und der Praxis eines solchen absurden Mordbefehls«, argumentierte damals der Miterfinder des Literarischen Quartetts Jürgen Busche. Würde man über das Buch literaturkritisch diskutieren, verharmlose man den Fall, so Busches Argumentation. Es sei vielmehr ein Thema der nationalen und internationalen Politik.

Dass nicht die Literaturkritik, sondern ein versuchter Mordanschlag über 30 Jahre später zur Wiederentdeckung der »Satanischen Verse« und zur Verleihung des Friedenspreises führte, ist ein wenig makaber und zeigt, dass die von Busche angeführte Argumentation bis heute gilt.

Tatsächlich wurden die Satanischen Verse im Literarischen Quartett vom August 2022 von Adam Soboczynski, Thea Dorn, Deniz Yücel und Vea Kaiser besprochen.

Eine darübergesprochene Übersetzung eines ausländischen Gastes in einer ansonsten deutschsprachigen Fernsehsendung bringt immer ein leichtes »Wetten, dass …?«-Gefühl mit sich und natürlich konnte sich Rushdie nur bedingt beispielsweise in die aufgeregte Diskussion über »Zuleika« von Bernardine Evaristo einmischen. Dennoch argumentierte er fundiert und war er in die Runde eingebunden. Nach den vielen Nachrichten über ihn, konnte man den 76-Jährigen als gebildeten und humorvollen Menschen und Diskutanten erleben, der nicht nur Kafka, sondern auch Asterix gelesen hat.

Salman Rushdie als nicht-deutschsprachiger Gast war mit Sicherheit eine besondere Ausnahme und sein Auftreten in der ZDF-Sendung eine Besonderheit. Man kann jedoch nicht sagen, dass es dem Format genützt oder geschadet hat. Der Rest der Diskussion war wie so oft wenig bemerkenswert.

Wolfgang Tischer

Link ins Web:

Die in der Sendung vom 18.05.2024 besprochenen und erwähnten Bücher:

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