KI-Film über düstere deutsche Zukunft

Szene aus dem Film "Oma, was war nochmal dieses Deutschland?" Foto: Ponywurst Productions

Das dreiminütiges Science-Fiction-Video „Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“ hat ein enormes Medienecho ausgelöst. Darin zeigt der Produzent und Podcaster Andreas Loff eine Dystopie aus dem Jahr 2060: eine fiktive rechtsextreme Partei mit dem Namen „Die Blauen“ hat in Deutschland die Macht übernommen und das Land nach massenhaften Abschiebungen vollkommen ruiniert. Eine alte Frau, gesprochen von Anna Thalbach, erzählt ihrer Enkelin an einer fernen Küste, wie es einst mit ihrer deutschen Heimat abwärts ging. Wir sprachen mit dem Macher Andreas Loff über den Film und den Einsatz der KI.

An wen richtet sich das Video, das Sie gemeinsam mit Behzad Karim Khani und Christian Suhr realisiert haben?

Mit dem Sci-Fi-Kurzfilm wollten wir raus aus unserer Bubble. Deshalb haben wir eine Rohfassung des Clips einer Reihe von Menschen gezeigt, darunter auch Jugendlichen. Die Rückmeldungen haben uns sehr bestärkt. Die Reaktionen in den letzten Tagen waren sehr enthusiastisch, umfassen aber auch absurde Vorwürfe, wir hätten das Video für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit als Teil der verschwörerischen „Staatspropaganda“ produziert. Oder im Auftrag des BND, im Kontext eines „tiefen Staates“. Es ist sehr bizarr, was ich da gelesen habe. 

Unter Rechten hat unser Clip allen Ernstes auch Vorwürfe der „Volksverhetzung“ sowie Wünsche nach Zensur provoziert. Allein das zeigt deutlich, wo es hingehen könnte, wenn die reale Entwicklung in Deutschland der Geschichte des Films folgt.

Als kreativer Storyteller und Filmproduzent wären Sie in ihren Grundrechten – der Meinungs- und Kunstfreiheit – massiv eingeschränkt.  

Andreas Loff spielt für sein eigenes Porträt mit der KI.  Foto: Andreas Loff

Absolut. Ich würde Deutschland in diesem Fall wahrscheinlich verlassen. So wie es in unserem fiktiven Film sehr viele Menschen getan haben; und so wie es heute inzwischen schon viele gibt, die das in Betracht ziehen, falls eine gewisse Partei im Bund oder in einzelnen Ländern Teil der Regierung wird. Diese Menschen wären dann einfach weg – obwohl wir sie als Gesellschaft brauchen. 

In der Debatte zur Bekämpfung der AfD werden verschiedene Strategien favorisiert: die sich inzwischen stark radikalisierte Partei verbieten, ihr keine Bühnen bieten oder ihre Protagonisten in öffentlichen Debatten inhaltlich entlarven und souverän vorführen. Welchen Ansatz verfolgen Sie?

Der Schrei nach Verbot unseres Films zeigt, mit wem wir es zu tun haben. Als Faschist sagt Björn Höcke zum Beispiel ganz offen, Deutscher könne nur sein, wer nach dem „Blutrecht“ eine deutsche Abstammung hat. In der Folge könne man in Deutschland mit „20-30 Prozent weniger Menschen“, die dem nicht entsprächen, „gut leben“. Was es bedeutet, wenn diese und ähnliche Fantasien zu Ende gedacht und umgesetzt werden, versucht unser Film zu skizzieren.

Mir ist es wichtig zu betonen: Auch ich sehe einige Probleme und Herausforderungen im Zuge von Einwanderung und Integration. Doch das weit größere Problem scheint mir auf längere Sicht, dass, wenn wir in der Migrationspolitik weitermachen wie bisher, viele Menschen, inklusive der Fachkräfte, vor allem abwandern. Wie sollen Staat und Gesellschaft dann funktionieren? Vor diesem Hintergrund wird besonders deutlich, wie destruktiv die rechte Fantasie der „Remigration“ von einem nicht geringen Teil der deutschen Bevölkerung ist.

Insgesamt appelliert der Clip weniger an ein grundsätzliches humanistisches Bewusstsein, sondern vor allem an ein egoistisches Eigeninteresse: etwa, dass die ärztliche Versorgung garantiert ist, die Müllabfuhr funktioniert und spürbaren Folgen des Klimawandels vor Ort abgemildert werden.

Mit dem Clip wollten wir keine kämpfende Einheit hochpeitschen. Im Zuge des Feedbacks vor seiner Fertigstellung bin ich viel mit Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund in Gespräch gekommen. Oder mit Menschen mit einem ausländischen Partner, deren Kinder davon erzählen, sie hätten in der Schule gehört, sie und ihre Familie müssten das Land verlassen, falls die AfD an die Macht kommt. Diese Erzählungen haben mich sehr berührt. 

Eine der Stärken Ihres Films ist seine inhaltliche Klarheit. Ist Ihr Clip auch eine Kritik am häufig unbeholfenen Umgang vieler Medien mit der AfD?

Was ich aus meiner Erfahrung sagen kann: Mit manchen Rechten lohnt es sich durchaus, ins Gespräch zu kommen. So haben sich als Reaktionen auf unser Video auch einige interessante Chats ergeben. In einer Demokratie muss man es aushalten, dass auch Rechte ihre Meinungen kommunizieren und kontrovers diskutiert wird. Selbst wenn man sich dann immer mal wieder auch darauf einigen muss: let‘s agree to disagree. Bei destruktiven Beschimpfungen und Gewaltfantasien, wie wir sie als Reaktion auf unseren Film en masse erlebt haben, ist selbstverständlich eine rote Linie überschritten. Mit manchen Menschen ist keine respektvolle und inhaltlich produktive Diskussion möglich.  

Bei den Entwicklungen Ihrer Firma Ponywurst Productions greifen sie stark auf Technologien Künstlicher Intelligenz zurück. Welche Rolle hat KI bei der Produktion von „Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“ gespielt? 

Die Story ist ohne KI entstanden, auch wenn das durchaus eine interessante Methode ist, um mögliche zukünftige Entwicklungen zu skizzieren. Der WDR hat das kürzlich etwa auch in Bezug auf die AfD gemacht. Bei „Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“ wurde KI jedoch nur für die Bebilderung eingesetzt. Für mich und mein Team bei Ponywurst Productions ist KI ein sehr interessantes Werkzeug für die Kreation von Videos und Bildern.

Aus medienethischer Sicht stellt sich die Frage nach den inhaltlichen Grenzen von KI. So etwa angesichts der Verbreitung von demagogischen Deep Fakes als Form politischer Manipulation.

KI ist für verschiedene Nutzungen offen. Das Entscheidende ist für mich daher die Medienkompetenz der Rezipient*innen. Die müssen wir als Gesellschaft besser lernen. Ähnlich wie die diversen Techniken der Bildmanipulation seit der Entstehung der Fotographie können Deep Fakes auch für demagogische Zwecke genutzt werden. Für mich haben Deep Fakes aber auch ein künstlerisches und manchmal auch politisches Potential. 

Inwiefern?

Wenn sie etwa mit Humor verbunden werden. So dass schnell erkennbar ist: das kann gar nicht wahr sein. In einem meiner Videos fragt Tino Chrupalla, AfD-Bundessprecher und Vorsitzender der Bundestagsfraktion, Robert Habeck, in welcher Farbe die Wärmepumpen ausgeliefert werden und ob sie auch umlackiert werden können. Vor seiner politischen Karriere arbeitete Chrupalla als Lackierer und Maler. Mit solchen Deep Fakes möchte ich erreichen, dass Menschen nicht alles glauben und sich öfter kritisch fragen: kann das wirklich stimmen, kann wirklich echt sein?

 


„Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“

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