14.05.2024

Erstes gesamteuropäisches Datenarchiv dokumentiert schwindende Artenvielfalt

Auf den Wiesen Europas nimmt die Artenvielfalt rasant ab. In einem bisher einmaligen Projekt haben europäische Vegetationsforscher:innen um Franz Essl von der Universität Wien und mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften jetzt eine umfangreiche Datenbank geschaffen. Mit über 283.000 Beobachtungen aus verschiedenen Lebensräumen Europas fungiert sie wie ein Archiv der Naturgeschichte unseres Kontinents.

Artenreiche Blumenwiese wie diese mit blühendem Klappertopf in Oberösterreich sind in den letzten Jahrzehnten in ganz Europa selten geworden. © Franz Essl

Artenreiche Wildblumenwiesen sind nicht nur in Österreich selten geworden. Die intensive Bewirtschaftung von Wiesen, Weiden und Wäldern setzt der Biodiversität in ganz Europa zu. In den vergangenen Jahrzehnten sind immer mehr Pflanzenarten verschwunden – und mit ihr die Vielfalt an blühenden Wiesen.

Wie sich die Vegetation an spezifischen Standorten in Europa über die Jahre verändert hat, darüber gibt jetzt eine neue umfassende Datenbank Auskunft. Das Gemeinschaftsprojekt ReSurveyEurope, das gemeinsam mit der Universität Brünn, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, unter Beteiligung der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ins Leben gerufen wurde, ist Europas größte Datenbank, die Beobachtungsflächen aus verschiedenen Lebensräumen des Kontinents zusammenführt. Details zu ReSurveyEurope sind jetzt in einer Studie im Journal of Vegetation Science veröffentlicht.

Beeindruckende Basis für Forschungen zu Veränderungen der Vegetation

„Zum ersten Mal liegt eine Datenbank vor, die die Änderungen in der Artenvielfalt der Vegetation während der letzten Jahrzehnte in Europa umfassend dokumentiert“, erläutert Franz Essl von der Universität Wien, einer der Initiatoren und Hauptautoren der Studie. „Diese Daten erlauben die Beantwortung zahlreicher wichtiger und spannender Fragestellungen. So lässt sich nun erstmals umfassend auswerten, wie stark die Artenrückgänge in der Pflanzenwelt in Europa während der letzten Jahrzehnte waren.“

Für Harald Pauli steht fest: „Die neue Datenbank eröffnet ein breites Spektrum für Untersuchungen, die nicht nur den Klimawandel, sondern auch menschliche Landnutzungsänderungen im Fokus haben“. Pauli ist Hochgebirgsökologe am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und leitet das GLORIA-Netzwerk, ein internationales Langzeit-Monitoring- und Forschungsprogramm zur Biodiversität alpiner Pflanzengemeinschaften, das auch große Datensätze zum neuen Projekt ReSurveyEurope beigesteuert hat.

Mit über 283.000 Beobachtungen auf 79.190 Untersuchungsflächen und 449 unabhängigen Wiederholungen bietet ReSurveyEurope eine beeindruckende Datenmenge. Die ältesten Vergleichsdaten, die einbezogen wurden, reichen bis 1911 zurück und stammen aus den Schweizer Alpen. „Die Änderung der Pflanzenvielfalt ist momentan vielleicht weniger deutlich sichtbar als der Gletscherschwund, hat aber großen Einfluss auf unser Leben in einer wärmeren Zukunft,“ sagt Andrea Fischer, Glaziologin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW und Wissenschaftlerin des Jahres.

Über 250 Wissenschaftler:innen beteiligt

An der Veröffentlichung waren insgesamt über 250 Wissenschaftler:innen beteiligt. Aus Österreich waren neben der Universität Wien und der ÖAW auch die Universität für Bodenkultur Wien und das Umweltbundesamt an Bord. Eine der Stärken von ReSurveyEurope ist die Bereitstellung von empirischen Zeitreihendaten, die ideal für die Kalibrierung und Validierung von Modellen an exakten Standorten sind. Die Forscher:innen sind sich einig: In Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise ist diese Datenbank nicht nur ein Archiv der Vergangenheit, sondern eine wertvolle Ressource für die Zukunft, um Ökosysteme besser verstehen und schützen zu können.

 

Auf einen Blick

Publikation
„ReSurveyEurope: A database of resurveyed vegetation plots in Europe“, Ilona Knollová, Milan Chytrý, Helge Bruelheide, Stefan Dullinger, Ute Jandt et al., Journal of Vegetation Science, 2024
https://doi.org/10.1111/jvs.13235

Rückfragehinweise

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