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Suède : l’exploitation minière menace les Samis

Suède : l’exploitation minière menace les Samis

2024-05-11 21:40:38

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Utsi ist Rentierhirte und mit seiner Tochter und einigen Helfern unterwegs, um die Herde in die Berge an der Grenze zu Norwegen zu treiben, so wie es seine Vorfahren schon taten. Er hat uns an diesem Tag auf seinem Schneemobil mitgenommen, mit dem es in großer Geschwindigkeit durch die stille Landschaft geht. Vorneweg die Rentiere, hinterher die Männer und Frauen auf den Schneemobilen. Es ist eine harte Arbeit. Hier, im äußersten Norden Schwedens auf Höhe des Polarkreises, liegt immer noch meterhoch Schnee, nachts fällt die Temperatur teils deutlich unter den Gefrierpunkt.

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Später macht die Gruppe auf einem zugefrorenen See Pause. Zwei Männer haben blutige Wangen, sie wurden von Zweigen verletzt. Alle sitzen erschöpft auf ihren Schneemobilen, essen Kuchen und trinken Tee, während die Rentiere weiter hinten im Schnee ruhen. Sie haben noch Zeit. In rund zehn Tagen wollen sie in den Bergen sein. Denn der Frühling naht und die Rentiere werden wie jedes Jahr dorthin gebracht, wo die neuen Kälber geboren und die Tiere den Sommer über viel Futter finden werden. Der Weg dahin wird allerdings immer schwieriger. Straßen und Stromleitungen schneiden ihn ab, es fehlt an Futterstellen. Utsi sagt, die Gebiete zum Wintergrasen würden immer kleiner, die Infrastruktur wachse rapide, was das Rentierhalten erschwere.

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Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Nordschweden steht vor einem enormen Wandel. Im vergangenen Jahr verkündete die Regierung in Stockholm zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Bergbausiedlung Kiruna einen entscheidenden Fund: Europas größtes Vorkommen an seltenen Erden. „Dieser Ort steht an der Spitze des grünen Wandels in Europa“, sagte Schwedens Wirtschaftsministerin Ebba Busch. Doch dieser Wandel verschlingt selbst große Mengen an Ressourcen. Vielerorts werden nun neue Gruben und Verarbeitungswerke geplant, Stromtrassen entstehen, Städte wachsen. Die indigenen Samen sehen deswegen ihre Lebensweise bedroht, die unmittelbar mit dem Zug der Rentiere verbunden ist.

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Kiruna ist rund zweieinhalb Autostunden entfernt von den Wäldern, in denen Carl-Johan Utsi mit seinen Tieren unterwegs ist. Auf dem Weg dahin sehen wir kaum ein Auto, dafür Füchse am Wegesrand. An vielen der roten Schneeleit­stäbe entlang der Straße hängen schwarze Plastiktüten – ein Zeichen dafür, dass in der Nähe Rentiere sind.

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Ohne den Bergbau kein Kiruna

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In Kiruna hat es an diesem Tag Minusgrade, und es schneit. Weit verstreut liegen die kleinen Holzhäuschen, nur im alten Zentrum der Stadt stehen sie etwas dichter. Hier sind die Straßen abgesperrt, Bagger reißen Gebäude ein, die Reste werden geschreddert. Ein großer Teil der Stadt muss umziehen in ein neues Zen­trum etwas weiter östlich, denn der Abbau von Eisenerz führt zu Erdbeben und Rissen in den Gebäuden. Nur einige besonders schützenswerte alte Holzgebäude wie die große Kirche werden hinübertransportiert. Gut findet den Umzug kaum einer in der Stadt. Aber es hilft ja nichts, sagen die Leute, ohne den Bergbau gebe es kein Kiruna.

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Die Samen Carl-Johan Utsi und seine Tochter Áile
Le Sami Carl-Johan Utsi et sa fille ÁileJulien Staib

Seit mehr als hundert Jahren wird in Kiruna Eisenerz abgebaut, und seitdem lebt die Stadt gut davon. Im Westen, hinter einem großen Loch im Boden, das einmal ein See war, ragt ein Berg auf. Schneebedeckt ist er, Trassen sind hineingeschlagen, hier begann alles. Und von hier wird wohl bald ein neuer Boom des Bergbaus in der Region ausgehen. Die Mineralien und seltenen Erden sollen in der bestehenden Mine und in einem unterirdischen Vorkommen namens „Per Geijer“ abgebaut werden, wo sie noch konzentrierter vorliegen. Nach Angaben des schwedischen Energie- und Wirtschaftsministeriums liegen dort 1,7 Millionen Tonnen seltene Erden. Nordschweden werde damit zu einem „Hub“ für die kritischen Mineralien, wirbt das staatliche Bergbauunternehmen LKAB. „Eine Zukunft ohne fossile Energien beginnt in der Mine“, heißt es auf großen Plakaten des Unternehmens in Kiruna.

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Seltene Erden sind essenziell für den grünen Wandel. Sie werden für den Bau von Windkraftanlagen und Elektrofahrzeugen gebraucht, aber auch für Smartphones. Bisher ist Europa weitgehend auf Importe angewiesen, vor allem aus China. Mit den seltenen Erden aus Kiruna werde die Exportabhängigkeit Europas „deutlich verringert“, heißt es vom schwedischen Wirtschaftsministerium. LKAB will das Gestein künftig nach Lulea transportieren, dort geht es per Schiff weiter nach Norwegen, um dort verarbeitet zu werden.

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Wo mehr Strom benötigt wird, braucht es auch neue Stromtrassen

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Zur Nachhaltigkeit will LKAB zudem mit einem „neuen Weltstandard des Bergbaus“ beitragen. Bis 2045 soll dieser vollelektrisch und emissionsfrei werden. Das Erz soll mittels grün hergestelltem Wasserstoff zu Stahl umgearbeitet werden. Die Stahlindustrie ist Schätzungen zufolge für rund zehn Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Doch für den Wandel der Industrie werden enorme Mengen Strom benötigt. Derzeit brauche LKAB jährlich zwei Terawatt Strom, sagt ein Sprecher. Künftig würden es 70 Terawatt sein. Dafür brauche es Windkraft, Wasserkraft und vielleicht auch mehr Atomenergie. „Wir sind da offen, solange es emissionsfrei ist.“

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Wo mehr Strom benötigt wird, braucht es auch neue Stromtrassen. Ein Vorbote von dem, was auf die Gegend wohl bald in deutlich größerem Stil zukommt, ist die Aurora-Stromtrasse, die derzeit errichtet wird. Sie geht vom Messaure-Kraftwerk am Lule-Fluss nach Finnland. Knapp unterhalb des riesigen Kraftwerks, durch das der breite Fluss mit unglaublicher Kraft schäumt, wurde bereits Wald gerodet. Der Boden ist aufgerissen, eine breite kahle Schneise zieht sich durch die Landschaft. Am Straßenrand errichten Arbeiter Fundamente; große Kabelrollen und Bauteile für die neuen Strommasten liegen schon bereit.

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F.A.Z.-Karte sie./sjs.

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Südlich davon am Ufer des Flusses sind die kleinen Dörfer idyllisch. Weit verstreut stehen rote oder gelbe Holzhäuschen, mit Saunabude daneben. Wenn man nahe an den Fluss herantritt, hört man das Eis auf dem Wasser knacken. Eigentlich ist er mehr eine Anein­anderreihung von Stauseen als ein Fluss. Immer wieder unterbrochen von Wasserkraftwerken, von denen Stromleitungen in alle Richtungen wegführen.

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Sie durchschneiden auch die Gebiete der Samen und ihrer Rentiere. In Schweden leben Schätzungen zufolge mindestens 20.000 Indigene, etwa 2500 davon arbeiten in der Rentierzucht. Das Urvolk sieht sich in Nordeuropa seit Langem bedroht. Einst durch Kolonialisierung und Umsiedlung, heute durch den Wandel hin zu erneuerbaren Energien. Von einer „grünen Kolonialisierung“ spricht Utsis Tochter Áile.

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Fahren nicht auch die Samen Elektroautos?

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Der Begriff wird auch von Samen im nahen Norwegen oft verwendet. Lange stritten die Indigenen dort mit der Regierung über rund 270 große Windturbinen, die auf traditionellem Weideland der Rentiere errichtet wurden und aus Sicht der Samen die Tiere vertreiben. Norwegens Oberster Gerichtshof hatte deswegen entschieden, dass der Großteil davon illegal ist. Doch die Regierung verweigerte einen Rückbau. Erst kürzlich einigte man sich auf Entschädigungen.

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Carl-Johan Utsi sagt, die Elektrifizierung brauche Unmengen neuer Windräder und Wasserkraftanlagen, aber die würden kaum dort gebaut, wo die Teslas gefahren werden. Der Sprecher von LKAB kontert auf diese Kritik: Auch die Samen führen Elektroautos und nutzten Smartphones, für die es seltene Erden brauche.Er gibt zu, dass die Rentierhaltung durch den Wandel beeinträchtigt werde. Ohne den Wandel allerdings, bei weiterer Untätigkeit und einem fortschreitenden Klimawandel, sei das erst recht der Fall. „Wenn wir jetzt nicht gegen den Klimawandel ankämpfen, sind 100 Prozent des Landes betroffen. Wenn wir auf den grünen Wandel setzen, gilt das nur für einen Teil des Landes.“ Es gebe keine anderen Optionen, um den CO2-Ausstoß zu verringern.

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Die Eisenerzmine des stattlichen Unternehmens LKAB in Kiruna
La mine de minerai de fer de la société majestueuse LKAB à KirunaEPA

„Wenn der grüne Wandel selbst so viele Ressourcen braucht, wie grün ist er dann eigentlich?“, fragt hingegen Johan Sandström. Er ist Professor für Verhaltensökonomie an der Universität Lulea und forscht seit Langem zu den Minenstädten in der Region. „LKAB reduziert radikal die eigenen Emissionen. Aber diese sind doch nicht das einzige Umweltproblem“, sagt er. Kritische Fragen würden von den Bergbaubetreibern und Energieunternehmen ungern gesehen. LKAB verwehre ihm seit einiger Zeit den Zugang zu Minen. Auch versuche die Firma, Einfluss auf die Forschung zu nehmen. Sobald man Fragen stelle, werde man argwöhnisch beäugt.

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Auch wir erleben das. Eigentlich hatte LKAB zunächst zugesagt, die F.A.S. durch das Bergwerk in Kiruna zu führen. Dann fragt eine Sprecherin nach dem Fokus des Artikels. Nachdem wir schildern, dass es um den grünen Wandel und auch um die Kritik daran gehen soll, wird der Termin abgesagt. Die Grubenbesichtigung passe nicht zu der Ausrichtung des Artikels, sagt die Sprecherin. Stattdessen sollten wir doch bitte die Schau-Mine für Touristen besuchen. Nächste freie Termine leider erst in einigen Wochen.

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Der Forscher Sandström lebt in dem Städtchen Boden, das auch am Lule-Fluss liegt. Dort entsteht ein neues Stahlwerk. Ab 2030 sollen dort jährlich fünf Millionen Tonnen komplett „grüner Stahl“ hergestellt werden. Nachhaltigkeit stehe „im Mittelpunkt von allem“, schreibt die Betreiberfirma. Doch die neue Fabrik allein benötige so viel Strom, wie der gesamte Lule-Fluss produziere, sagt Sandström. Wo solle all der Strom herkommen?

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Die Rentiere werden faul und dick

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Auf diese Frage gebe es keine Antwort, sagt Mikael Kuhmunen. Auch er ist Rentierbesitzer, ein wortkarger, stämmiger Mann, und er lebt in der kleinen Ortschaft Harads am Lule-Fluss. Heute bringt er in den Wäldern etwas außerhalb der Ortschaft seinen Rentieren Futter, so wie jeden Tag im Winter. Pellets, die er in großen Plastikkörben von seinem Pick-up lädt. Kuhmunen hasst das Füttern, fast so sehr wie das Schlachten. „Das Füttern zerstört die Natur“, sagt er. Es mache die Rentiere faul und dick. Aber es ginge nicht anders. Es gebe zu wenige Wintergrasstellen, und der Klimawandel mache alles noch schlimmer, denn er führe dazu, dass mehr Schnee falle, der dann schmelze. Wenn das Wasser dann wieder gefriere, mache das Eis das Grasen unmöglich.

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Ein paar Hundert Rentiere hat Kuhmunen hier im Wald just unter einer Stromleitung stehen. Bald wird er sie ebenfalls in Richtung Berge bringen, wo sie mit anderen Herden zusammengeführt werden. Dafür muss er Lastwagen nutzen. Die Wege zum Treiben der Herde seien zu zerschnitten. Der Bergbau, der Tourismus, die Holzwirtschaft, alles wachse und fresse die Natur auf.

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Wie viele Rentiere er insgesamt habe? Das frage man nicht, sagt er deutlich. Einige Tausend Tiere besitze die Familie gemeinsam. Kuhmunen lebt den Winter über mit seinem Vater, seinem Schwager und seinen beiden Söhnen in einem kleinen Holzhaus in Harads. Den Sommer über ist er in den Bergen bei den Rentieren. Bei seiner Frau in Jokkmokk, rund eine Autostunde entfernt, sei er nur selten. Diese habe gewusst, auf was sie sich eingelassen habe, ihre Eltern seien auch Samen, sagt er. „Sie hat es im Blut.“

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„Ohne die Rentiere hätte ich kein Leben“

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Kuhmunen flucht über die harte Arbeit und das Wetter, aber er liebt seine Rentiere. „Es ist mehr als ein Geschäft, es ist ein Leben. Das lernt man von der Geburt an. Ohne die Rentiere hätte ich kein Leben“, sagt er. Als junger Mann hatte er einst ein Studium angefangen, weit von der Heimat entfernt. Aber als dann sein Vater anrief und davon erzählte, dass gerade die Rentiere zusammengetrieben würden, war er nach drei Tagen wieder zu Hause. Seine Söhne wollen ihm nachfolgen, aber Kuhmunen ist skeptisch. „Es wird jedes Jahr schwieriger“, sagt er. Weniger Futter und weitere Wege ergäben weniger Rentiere und weniger Einkommen. „Wir sind gewohnt, uns daran anzupassen, aber so verschwinden wir langsam“, sagt er. Darüber spreche er mit seinen Söhnen aber nicht. „Ich will ihnen nicht ihr Leben nehmen.“

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Später an diesem Tag fährt Kuhmunen mit dem Schneemobil durch den Wald auf der anderen Flussseite, wohin einige Rentiere gelaufen sind. Er muss sie über den Fluss zurücktreiben, aber das ist gefährlich, da die Wasserhöhe unter dem Eis durch den Stausee stark schwankt. Immer wieder würden auch Tiere erschossen, erzählt er. Im vergangenen Jahr fünf Stück. „Viele Menschen mögen die Samen nicht. Weil wir angeblich der Entwicklung im Weg stehen. Dabei haben wir nichts getan.“ Aus seiner Sicht werden die Rentierbesitzer zwei Mal bestraft: Der Klimawandel, den sie nicht verursacht hätten, erschwere ihr Leben immens, und die Veränderung durch den „grünen Wandel“ zerstöre ihr Land. Kuhmunen spricht lieber von einem „schwarzen Wandel“.

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„Die Leute vergessen, dass der Haupttreiber des sogenannten grünen Wandels der Kapitalismus der alten Schule ist“, sagt der Rentierhirte Utsi dazu. Die Investoren wollten mehr Geld und strichen sich grün an. „Dabei sind das die Gleichen, die uns doch den Klimawandel gebracht haben.“ Nordschweden sei kein Land der Zukunft, wie es oft heiße. Eher ein Land des Staubs und Gerölls. Derzeit werde mit den Samen das letzte indigene Volk Europas geopfert. Europa müsse sich gut überlegen, ob es das wolle.



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