Ein Besucherparkplatz des Botanischen Gartens in Hamburg soll einer Flüchtlingsunterkunft weichen. Die Anwohner sind geteilter Meinung. Manche befürworten das Projekt - andere sind strikt dagegen.
Zwischen den ganzen Wahlplakaten fällt die Ankündigung auf einer ähnlich gestalteten Werbefläche kaum auf.
Für den 27. Mai lädt der CDU-Ortsverband Flottbek-Othmarschen zu einer Podiumsveranstaltung mit dem Titel „Flüchtlinge in Hamburgs Westen: Wie gelingt wirkliche Integration vor Ort?“. Damit ist schon zusammengefasst, was die Menschen hier im Vorfeld der Europawahl beschäftigt.
Flüchtlingsheim im noblen Stadtteil
Nach wochenlangen Spekulationen wissen die Flottbeker seit Ende April, dass ein Parkplatz des Botanischen Gartens – unweit eines S-Bahnhofs und eines Wohngebiets – vorerst für eine Flüchtlingsunterkunft weichen soll. Nach Plänen der Verwaltung finden hier dann bis zu 144 Menschen Platz; vorrangig Familien.
In dem vornehmen Stadtteil, der bislang noch keine öffentlichen Flächen für Unterkünfte räumen musste, regt sich seitdem Widerstand. Eine Bürgerinitiative will gegen das Vorhaben klagen, weil die Infrastruktur ihrer Ansicht nach nicht für Flüchtlinge ausgelegt ist. Eine Solidaritätsgruppe hält dagegen: Sie will die Aufnahmebereitschaft im Hamburger Westen stärken.
Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die Anwohner im anliegenden Viertel. Rund um die Baron-Voght-Straße trennt sie nur die Heinrich-Plett-Straße vom Botanischen Garten und dem Parkplatz, der Besuchern derzeit noch eine Abstellmöglichkeit bietet. Die prächtigen Häuser – teils Villen – sind umringt von großzügig geschnittenen Gärten.
An einem sonnigen Tag strahlen Fußgängern die farbenfrohen Blumen entgegen. Nicht weit vom Großstadttrubel entfernt, genießen die Bewohner hier ihre Privatsphäre.
„Man sollte die Flüchtlinge willkommen heißen“
Eine klare Haltung zur Unterkunft auf dem Parkplatz vertritt Christina Schermaul. Gerade nach Hause gekommen, steigt sie auf ihrem Grundstück in einer Seitenstraße aus dem Auto aus. „Man sollte die Flüchtlinge willkommen heißen“, findet sie.
Die Fläche wirke zwar auch auf sie nicht sonderlich groß, doch für 144 Menschen dürfte sie ausreichen. Die Anwohnerin sagt auch: „Es braucht Spielflächen für die Kinder.“ Wenn solche Anforderungen durch den Standort erfüllt würden, spreche nichts gegen eine Unterkunft im Hamburger Westen oder in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Den Standort pauschal abzulehnen, geht Schermaul zu weit. „Die Petition der Bürgerinitiative tut so scheinheilig, das finde ich nicht in Ordnung“, sagt sie. Irgendwo müssten die Menschen untergebracht werden. „Nicht vor meiner Haustür“ halte sie da für eine schwache Argumentation.
Unentschlossener zeigt sich eine Nachbarin, die gerade mit einem Unkrautbrenner ihre Einfahrt bearbeitet. „Ich bin nicht unbedingt dagegen“, sagt sie. Der Parkplatz als Standort stört sie grundsätzlich nicht.
Doch mehrere Punkte hält die Frau für schwierig. Zum einen die fehlenden Einkaufsmöglichkeiten im unmittelbaren Umfeld. Zum anderen Schulen, die aktuell eher gehobene Klientel besuchen. Hier Fuß zu fassen, könne für Flüchtlinge zur Herausforderung werden. „Ob der Standort ideal ist, müssen andere entscheiden“, meint die Anwohnerin letztlich.
„Das war nicht durchdacht“
Das Argument mit den Schulen greifen auch zwei Spaziergängerinnen auf, die in der Nähe wohnen. „Ich sehe das an meinem eigenen Enkel“, sagt eine der Seniorinnen. Ohne Markenklamotten und aus einer Familie, die „nur“ eine Drei-Zimmer-Wohnung bewohne, zähle der Zweitklässler bereits zur „untersten Schicht“.
„Das prägt viele Kinder ziemlich“, befürchtet sie. Und glaubt, dass Kinder aus Flüchtlingsfamilien hier einen schweren Start haben dürften. Zudem fehlen am Botanischen Garten aus Sicht der Anwohnerin Spiel- und Spaziermöglichkeiten.
Und: Die Lebensmittelpreise in Flottbek seien bedeutend höher als in anderen Hamburger Vierteln. Das könne für Flüchtlinge, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, eine zusätzliche Belastung darstellen.
Spaziergängerinnen finden den Parkplatz zu klein
Aus Sicht der beiden Spaziergängerinnen ist das Parkplatz-Gelände für 144 Menschen schlicht zu klein. „Was ist mit den Behinderten?“, fragt die Seniorin weiter.
Fehlen auf dem Gelände die Stellflächen, müssten Besucher und Pendler auf andere Parkplätze ausweichen. Mit ihrem E-Scooter komme sie als immobiler Mensch nicht von der ersten Etage des gegenüberliegenden Parkhauses herunter.
Aus Sicht der Spaziergängerin gibt es keine Argumente, die für den Standort sprechen. Nicht jeder freie Platz sei eben auch ein passender. „Wir können uns das alles in allem nicht vorstellen“, sagt ihre Begleiterin.
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