Zum Abschied: So sehr hat Frank Baumann Werder Bremen geprägt!
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„Die Weltherrschaft“ - Kurz vor dem Abschied: Über das Wirken von Frank Baumann bei Werder

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25 Jahre war Frank Baumann bei Werder Bremen: 1999 kam er als Spieler, 2009 beendete er seine Karriere mit dem DFB-Pokal-Sieg. Nun scheidet er 2024 als Geschäftsführer aus.
25 Jahre war Frank Baumann bei Werder Bremen: 1999 kam er als Spieler, 2009 beendete er seine Karriere mit dem DFB-Pokal-Sieg. Nun scheidet er 2024 als Geschäftsführer aus. © IMAGO / Contrast, IMAGO / Sven Simon, IMAGO / RHR-Foto

Vor 25 Jahren kam Frank Baumann als Spieler zu Werder Bremen, nun scheidet er als Sportchef an der Weser aus. Ein ganz persönlicher Blick auf sein Wirken beim SVW.

Bremen – Es ist Sommer 2019, der SV Werder Bremen bereitet sich im bayerischen Grassau auf die Saison vor und hat gerade die vorzeitige Vertragsverlängerung mit Trainer Florian Kohfeldt verkündet. Frank Baumann ist bestens gelaunt und legt nach der Frage eines Journalisten, welche Erwartungen er als Sportchef denn nun habe, sein breitestes Grinsen auf und sagt: „die Weltherrschaft.“ Baumann lacht verschmitzt – sekundenlang. So erlebt man ihn in der Öffentlichkeit eher selten. Aber dieser Frank Baumann hat eben viele Gesichter. Ich kenne ihn, seit er 1999 an die Weser kam. Er wollte nicht viel mit Journalisten sprechen, er brauchte das nicht für sich, aber er hat es trotzdem getan – für die Mannschaft, für Werder Bremen, einfach für ein besseres Verständnis. Ein Portrait über Frank Baumann, der den Club auf eigenen Wunsch verlässt und am Samstag im Heimspiel gegen den VfL Bochum verabschiedet wird.

Frank Baumann kam 1999 vom Absteiger 1. FC Nürnberg zu Werder Bremen und wurde ein brillanter Sechser

„Es war schon eine anstrengende Trainingseinheit. Aber das ist klar, wenn man das erste Mal seit drei Wochen etwas tut“, sagte Baumann nach seiner Premiere am Weserstadion am 6. Juli 1999. Er war von Absteiger Nürnberg an die Weser gewechselt. Was der Sportchef Baumann wohl denken würde, wenn einer seiner Spieler sich heute so äußern würde? Die Zeiten haben sich geändert. Zum Start in die Vorbereitung werden fitte Profis erwartet.

Nun sollte keiner denken, Frank Baumann wäre als Profi womöglich faul gewesen. Er hat sich alles hart erarbeitet. Aus dem guten Libero wurde erst ein starker Innenverteidiger, dann ein brillanter Sechser. 28 Länderspiele für Deutschland stehen nicht umsonst in seiner Vita, dazu die Vize-Weltmeisterschaft 2002. Ein taktisches Foul müsste in Bremen eigentlich „ein Baumann“ heißen. Kaum einer unterband gegnerische Konter so geschickt ungeschickt wie er. Es sah aus wie ein Versehen und wurde auch dank Baumanns gekonnter Unschuldsmiene fast nie mit einer Gelben Karte geahndet. Ansonsten stand er im Mittelfeld selten im Mittelpunkt und kam deshalb bei unserer Notenvergabe über eine Drei selten hinaus. Man mag es kaum glauben, aber das wurmte ihn – also nicht die Note an sich, sondern dieses Wiederkehrende, dieser Stempel des Mitläufers. 2006 in Belek im Trainingslager fragte er bei mir direkt nach und beschrieb mir dann anschaulich seine Aufgabe auf dem Platz. Ab dem Moment war er für mich die Ballwand, die mit direktem Spiel Tempo machen sollte. „Mit meinen Dribblings würde das ja nicht gehen“, scherzte er damals. Typisch Baumann! Solche Sprüche schoss er gerne mal aus der Hüfte, um die Atmosphäre aufzulockern.

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Frank Baumann reckt als Kapitän des SV Werder Bremen drei Trophäen in die Höhe

Eine gute Stimmung war ihm wichtig. Darin sah er auch seine Aufgabe als Kapitän. Er war nicht derjenige, der intern oder extern lautstark auf den Tisch haute, um ein Zeichen zu setzen. Wenn er aus der Kabine kam und wir Reporter ihn abfingen, um nach den Gründen für die gerade anhaltende Krise zu befragen, da wiegelte er gerne ab: „Ich muss jetzt noch nichts sagen.“ Er dosierte seine verbalen Eingriffe wohl überlegt und überließ gerne anderen die große Bühne. Vielleicht wäre Frank Baumann bei aller sportlichen Bedeutung 2004 sogar etwas untergegangen, hätte er nicht beim Double-Gewinn als erster Bremer die Trophäen in den Himmel gereckt. Auch 2009 nahm er als Kapitän des SV Werder Bremen den DFB-Pokal in Empfang und beendete danach seine Karriere – mit erst 33 Jahren.

Ihm war es wichtig, selbst zu entscheiden, wann es genug ist. Außerdem war längst alles geplant. Der Mann aus Würzburg sollte nach einem Jahr Pause Assistent der Geschäftsführung – also von Klaus Allofs – werden. Wohl dem, der wie Baumann vor der großen Karriere als Fußballer eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten abgeschlossen hat.

Frank Baumann macht Karriere als Manager bei Werder Bremen - doch manche Entscheidungen kamen zu spät

Trotzdem lief nicht alles glatt. 2011, bei einem Testspiel in Southampton, verteilte Assistent Baumann auf dem Flughafen die Tickets wahllos an seine Ex-Kollegen und uns Journalisten, wie er es aus seiner Zeit als Profi bei gecharterten Maschinen gewohnt war. Ich hätte es vielleicht als Philipp Bargfrede durch die Kontrolle geschafft, doch einen Wesley wollten die englischen Beamten partout nicht als Markus Rosenberg durchgehen lassen...

Baumanns neuer Karriere schadete das nicht. Er wurde erst Leiter der Scouting-Abteilung, dann Sportlicher Leiter der U23 und Direktor Profifußball. Doch 2015 machte er Schluss. Er brauchte eine Pause, ein Sabbatjahr für sich und die Familie. Ein Jahr später holte ihn Werder Bremen zurück – als Nachfolger von Thomas Eichin. Der Geschäftsführer wollte Trainer Viktor Skripnik feuern und musste dann selbst gehen. Frank Baumann setzte weiter auf Skripnik und verlängerte sogar dessen Vertrag. Eine Fehlentscheidung, die Baumann nach drei Spielen korrigierte. Auch bei Nachfolger Alexander Nouri lief es nicht wirklich glücklich, hätte eine Trennung eher erfolgen müssen. Genauso wie später bei Florian Kohfeldt, mit dem er erst die seit Langem beste Zeit mit Werder erlebte und Europa nur knapp verpasste, dann aber auch böse abstürzte. Baumann, so heißt es aus verschiedenen Ecken, brauche länger als andere in der Branche für Entscheidungen.

Frank Baumann muss nach dem Abstieg mit Werder Bremen viel aushalten - aber bewahrt den Club vor der Insolvenz

In der Abstiegssaison war es besonders extrem. Nach der 0:2-Pleite in Augsburg am vorletzten Spieltag reiste der Werder-Tross zum Quarantäne-Trainingslager in Barsinghausen – das Corona-Virus lässt grüßen. Bei der Ankunft sprach ich Frank Baumann an. Der sah ziemlich mitgenommen aus, wollte am liebsten gar nichts sagen – und stellte sich trotzdem pflichtbewusst den Fragen. Entschieden sei in der Trainerfrage aber noch nichts, so Baumann. Ein paar Stunden später wurde Kohfeldt entlassen und kurz darauf Thomas Schaaf als Feuerwehrmann installiert. Die Club-Ikone konnte den Abstieg auch nicht mehr verhindern und verlor nach dem Abstieg seinen Job als Technischer Direktor, was dessen Verhältnis zu Baumann bis heute belastet. Werder Bremen musste sparen, Baumann unangenehme Entscheidungen treffen. In dieser für den Verein lebensbedrohlichen Lage, als die Insolvenz drohte, präsentierte sich der Ehrenspielführer so konsequent wie nie, blieb auf dem Transfermarkt ziemlich cool und sammelte die dringend nötigen Millionen ein. Weil es sportlich aber nicht lief, gingen die Fans auf die Barrikaden und forderten lautstark „Baumann raus“. Das tat weh, Baumann sorgte sich um seine Familie, jammerte aber nicht.

Wenn ich mit ihm sprach, versuchte er, die besondere Lage zu erklären, er warb um Verständnis, stellte sich stets schützend vor die Mannschaft und den Trainer. Wie auch beim Impfpass-Skandal, als er Markus Anfang im Herbst 2021 kurz vor dem zwingenden Rauswurf in einem TV-Interview noch zur Seite stand. Es war eine Zeit, in der Baumann sehr viel, manchmal auch zu viel aushalten musste. Einmal hat er mich damals gefragt, ob er sich mehr dagegen wehren müsste. Er hat es nicht getan, sondern einfach weiter seine Arbeit gemacht.

Frank Baumann brennt für Werder Bremen - und bleibt dem Club als Investor eng verbunden

Und das erfolgreich. Die Verpflichtung des ruhigen Ole Werner als Anfang-Nachfolger war ein Glücksfall. Als Belohnung gab es den direkten Wiederaufstieg. Es folgten zwei Spielzeiten ohne große Abstiegssorgen. Frank Baumann stand da öffentlich schon nicht mehr so im Fokus. Nach dem Abstieg hatte der Geschäftsführer viele Aufgaben an Clemens Fritz abgetreten – wie auch den Platz auf der Bank bei den Spielen. Der Ex-Profi war an der Seitenlinie eher ein besonnener Vertreter seiner Zunft, bis er mal auf Adi Hütter traf. Mit dem Coach von Eintracht Frankfurt krachte es gewaltig. Und weil dieser später im TV noch nachkartete, ließ sich Baumann sogar live in einen Sky-Talk schalten.

Der 48-Jährige ist kein Lautsprecher, auch kein herausragender Redner. Aber es lohnt sich, ihm genau zuzuhören, wenn er sich intensiver einem Thema widmet. Dann wird deutlich, wie tief drin er in der Materie steckt, wie sehr er dafür brennt. Und wenn Werder gewonnen hat, dann lässt er lieber andere sprechen. „Ich habe ja nicht gespielt“, merkte er nicht nur einmal grinsend an. Zum Glück hat er sich nicht immer daran gehalten, sonst wäre dieser Spruch nach einem 2:1-Erfolg gegen den Hamburger SV im Jahr 2017 in seinem Kopf geblieben: „Jeder Sieg ist gut, ein Derbysieg ist guter.“ Keine Frage: Frank Baumann wird dem SV Werder Bremen fehlen, aber als ein Teil der regionalen Investorengruppe bleibt er mit den Grün-Weißen weiterhin eng verbunden. (kni)

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