Bis zu 900 Euro pro Quadratmeter: „Preisentwicklung ist ein Wahnsinn“

Erstellt am 16. Mai 2024 | 06:00
Lesezeit: 5 Min
Grundstückspreise
Ein klarer Trend nach oben lässt sich bei den Grundstückspreisen erkennen.
Foto: Shutterstock/Vitalii Vodolazskyi
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Häuslbauer müssen in Langenzersdorf und Gerasdorf am meisten für die Bauparzelle zahlen, bis zu 900 Euro kostet das Grundstück - eine Bezirksanalyse.

Der Speckgürtel rund um Wien ist ein gefragtes als auch teures Pflaster. In der jährlichen Erhebung der niederösterreichischen Grundstückspreise des Wirtschaftsmagazins „Gewinn“ lässt sich ein klarer Trend nach oben erkennen. Der durchschnittliche Preis für ein- und zweifamilienhaustaugliche Baugründe stieg in zahlreichen Gemeinden im Vergleich zum Vorjahr an.

An der Spitze dieser Preisentwicklung stehen die Gemeinden Gerasdorf und Langenzersdorf mit Quadratmeterpreisen von bis zu 900 Euro. Knapp dahinter liegen Bisamberg (bis 850 Euro) und Hagenbrunn und Korneuburg (beide bis 800 Euro). Die günstigsten Grundstücke lassen sich laut „Gewinn“ in Großmugl (ab 50 Euro), Stetteldorf (ab 60 Euro) und Rußbach (ab 80 Euro) erwerben.

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Michael Kramer stimmt der Einschätzung des Magazins zu: „In der Regel ist das tatsächlich so, wobei oftmals unter den angebotenen Preisen veräußert wird. Aber natürlich ist die momentane Preisentwicklung ein Wahnsinn und ein besonders bedauerlicher Zustand“, erklärt der Gerasdorfer Stadtrat. „Unsere Jungfamilien haben leider keinerlei Möglichkeit in ihrer Heimat Wohnraum für sich zu schaffen. Wenn man nicht gerade eine Gemeinde ist, die selbst Grundstücke besitzt, gibt es seitens der Politik auch keine Möglichkeiten Einfluss zu nehmen. In dieser privilegierten Lage sind wir als Stadtgemeinde nicht.“

Um dem Mangel entgegenzuwirken, hat Gerasdorf vor rund sechs Jahren das Generationendorf mit rund 150 Wohnungen geschaffen. Zwar stößt das Projekt auf positive Rückmeldungen bei den jungen Gerasdorfern, doch ist es laut Kramer immer noch zu wenig. Wohnraum ist mittlerweile derart teuer, dass bereits eingesessene Gerasdorfer wegziehen, dorthin, wo das Wohnen günstiger ist.

Langenzersdorf: „Unter 500 Euro geht einmal nichts bei uns weg“

Für junge Familien wird es ebenso in Langenzersdorf zunehmend schwieriger Grund zu erwerben. Andreas Arbesser, Bürgermeister Langenzersdorfs, erklärt: „Also unter 500 Euro pro Quadratmeter geht einmal nichts bei uns weg. In besseren Lagen sind wir durchaus bei 900, wobei zu beachten ist, dass bei uns Bauland und freie Flächen schon relativ knapp geworden sind.“ Faktoren wie die KIM-Verordnung, nach der Kreditkunden mindestens 20 Prozent an Eigenkapital beisteuern müssen, machen die Wohnbaufinanzierung zusätzlich schwieriger.

Die Preise seien seitens der Gemeinde schwierig zu steuern und einen Eingriff ins Eigentum kommt für Arbesser ebenso nicht in Frage: „Angenommen, Sie haben ein Grundstück, das auf 600.000 Euro geschätzt wurde, warum sollten Sie es dann um 400.000 verkaufen?“ Darüber hinaus hat Langenzersdorf eine Art Sonderstruktur, denn das Stift Klosterneuburg ist mit etwas über 1.000 Grundstücken einer der größten Grundeigentümer in der Gemeinde. Das Stift verpachtet ausschließlich oder vergibt Baurecht auf bestimmte Zeit, aber es verkauft nicht.

Großmugl: GesmbH kauft für Siedlungsentwicklung Grünland an

Weiter nördlich, außerhalb Wiens Wirkungsbereichs, ergibt sich ein anderes Bild. Christoph Mitterhauser, Bürgermeister von Großmugl, schätzt den Quadratmeterpreis in seiner Gemeinde eher auf 80 bis 110 statt der angegebenen 50 Euro: „Unser Preis ist sogar leicht gesunken. Unter Corona gab es einen ziemlichen Run auf Großmugl, in dem die Preise schon im Bereich von 140 Euro waren.“ Die jetzige Darlehenssituation ließ Bautätigkeit und Nachfrage und somit auch den Preis wieder sinken.

Im Vergleich mit Grundstückspreisen vor der Pandemie ist dennoch ein kontinuierliches Wachstum zu erkennen. Um dem entgegenzuwirken, hat die Gemeinde vor zwei Jahren eine GesmbH gegründet. „Privat werden keine Umwidmungen mehr gemacht. Die GesmbH kauft stattdessen das Grünland an und entwickelt es erst zu Bauland, wenn es in ihrem Besitz ist. Und dann verkauft sie auch die Bauplätze weiter. So konnten wir diesen extremen Trend nach oben abfangen. Wir wollen ja nicht, dass von uns dann keiner mehr hier bleiben kann, weil der Grund zu teuer ist“, zeigt sich Mitterhauser zufrieden.

Stetteldorf bemüht sich um Bauland

Stetteldorfs Bürgermeister, Josef Germ, hält den für seine Marktgemeinde angesetzten Schätzwert von 60 bis 80 Euro für unrealistisch: „Die 60 Euro waren ursprünglich der von der Gemeinde angegebene Preis. Nur haben wir keinen Bauplatz zu verkaufen. Es ist momentan generell schwer Grünland zu kaufen. Wenn man gleich bei 100 Euro ansetzt, wäre es realistischer, aber wenn es keinen Verkauf gibt, ist natürlich auch kein Maßstab vorhanden. Das sind die Gründe für unsere niedrigen Preise.“

Trotzdem bleibt es der Gemeinde ein wichtiges Anliegen eigene Bauplätze für die Jugend zu schaffen. „Wir sind immer an der Sache dran. Jetzt gibt es das überregionale Raumordnungsprogramm, da sind wir bemüht, dass wir irgendwo Bauflächen bekommen. Wir haben das Thema noch nicht ad acta gelegt. Bei Gott nicht, das darf man nicht. Das geht bei uns nur in sehr kleinen Schritten“, so Germ.

Junge Familien mit weniger Geld müssen Zentren verlassen

Immobilienmakler Hannes Mattes, Geschäftsführer der in Hagenbrunn ansässigen Tegea Real Estate, vermittelte vor kurzem ein Grundstück für 800 Euro pro Quadratmeter am Veiglberg. Die Preise gehen hier bei guter Lage mitunter auch über die 1.000-Euro-Marke. Für den Bezirk Korneuburg sieht er vor allem rund um den Speckgürtel Wiens sowie für Gemeinden mit Schnellbahnanbindung eine Preissteigerung.

„Die Preisentwicklung treibt natürlich jene, die weniger Geld haben, wie junge Familien, aus dem Zentrum raus. Und die, die bauen wollen, werden ohnehin das Land wegen der Finanzierung bevorzugen“, so Mattes. Für gute Lagen werden die Grundstückspreise weiterhin moderat steigen, in schlechteren eher stagnieren.

Als entscheidend für die Ausdehnung des Speckgürtels sieht er vor allem die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine entsprechende Verbindung zu Wien macht Grundstücke und Immobilien für Mieter attraktiver und lässt die Mietpreise somit steigen.

Mattes: „Und es gibt kaum Mietobjekte“

Im Endeffekt sei der Markt immer dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage unterworfen. Momentan sind mehr Objekte und Grundstücke am Markt als Nachfrage besteht. „Die Grundstücke gehen nicht weg und die Leute können sie sich nicht leisten. Interessenten hatte ich vor eineinhalb Jahren sicherlich mehr. Ich merke stattdessen ein erhöhtes Interesse für die Miete. Aber es gibt kaum Mietobjekte, da schon vor einem Jahr alle in die Miete geflüchtet sind“, führt Mattes aus.

„2025 wird dramatisch, es gibt noch keine richtigen Wohnungen und die wenigen teuren werden von denen mit der Kohle gekauft. Der Markt wird sich drehen und die Verkäufer werden wieder diktieren“, warnt Mattes.