„Ich glaube, dass Kreativität eine Überlebensressource ist“ – Rosie im mica-Interview - mica - music austria

„Ich glaube, dass Kreativität eine Überlebensressource ist“ – Rosie im mica-Interview

Mit „HEY! (HIER RUFT DIE ZUKUNFT AN) haben ROSIE und ihr Bruder STOFFI den Liedermacher:innen-Wettbewerb der KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH gewonnen. Die Single ist die erste Veröffentlichung der Niederösterreicherin mit Schmäh, die damit nun ihr Soloprojekt startet. In der Vergangenheit hat ROSIE bereits im Musikkabarett und als Sängerin ihr Bühnen-, Gesangs- und Schreibtalent unter Beweis gestellt. Im mica-Interview mit Sophia Olesko erzählt die talentierte Künstlerin, wie sie ihren Weg zur Musik gefunden hat, was Musik für sie bedeutet und welche mentale Power in ihrem Soloprojekt steckt.

Du hast mit der Single „Hey! (hier ruft die Zukunft an)“ den Wettbewerb der Kultur.Region.Niederösterreich gewonnen, der Song ist auch dafür entstanden.

Rosie: Genau, wir haben die Single dafür geschrieben, mein Bruder Stoffi und ich. Er hat die Anzeige gesehen und wir haben gesagt, da machen wir mit. Er ist mit seiner Band Zug nach Wien schon als Songwriter unterwegs und ich habe früher für Musikkabarett viel geschrieben. Wir haben noch nie was zusammengemacht und beschlossen, es auszuprobieren. Wir haben gedacht es ist einfach eine Erfahrung, mal sehen ob die uns nehmen [lacht]. Ein Schuss, ein Treffer und jetzt bin ich hier.

Der Song ist nur unter deinem Namen herausgekommen, dein Bruder ist aber hinter den Kulissen noch aktiv.

Rosie: Genau, wir machen das wie die Eilish-Geschwister [lacht]. Mein Bruder macht sich als Musikproduzent selbstständig, er hat gerade sein Tonstudio im 16. Bezirk eingerichtet. Als wir gewonnen haben, haben wir gesagt: „Wow, was machen wir jetzt?“ Eine Geschwisterband zu gründen, darauf hätten wir auch 20 Jahre früher kommen können. Es ist nicht so, dass wir uns nicht mögen, im Gegenteil, aber er wollte nicht noch eine Band, in der er im Vordergrund steht. Er wollte das als Songwriter und Musikproduzent angehen, das war auch sein Gedanke beim Einreichen. Er hat es super produziert, als wir es eingeschickt haben. Ich wollte dieses Jahr sowieso was rausbringen, eigentlich in Mundart. Dann habe ich mir gedacht: Nehmen wir das gleich.

“Mit der Frage, warum meine Zukunft geil wird, musste ich mich zwangsläufig sehr viel beschäftigen“

Warum glaubst du hat die Jury euren Beitrag ausgewählt?

Rosie: Ich glaube, weil er sehr lebendig ist. Als wir ihn geschrieben haben, waren wir in einer total depressiven Stimmung, weil das Thema „Eine Lebenswerte Zukunft“ war. Wir waren wirklich nach dem ersten Abend deprimiert und ich habe zu meinem Bruder gesagt: So geht das nicht. Wir müssen einen lebensbejahenden Song schreiben. Was sind denn die guten Sachen? Warum glauben wir, dass es gut wird? Ich hole ein wenig aus: Mit der Frage, warum meine Zukunft geil wird, musste ich mich zwangsläufig sehr viel beschäftigen. Ich habe vor ein paar Jahren die Diagnose Multiple Sklerose bekommen, da weiß ich oft nicht, wie mein Körper nächste Woche drauf ist. Den Unterschied mach immer ich selber. Das haben wir dann eigentlich mitgenommen in diesen Song, indem wir gesagt haben, „Das Beste liegt nicht vor dir, es liegt in dir“. Damit kann man ganz viel erschaffen. Das ist irgendwie ein Kickstarter für Hoffnung, damit man Lust bekommt, um die Zukunft zu gestalten. Das war wahrscheinlich ein Grund.

Diese Zeile hat echt Tiefgang habe ich mir beim Hören gedacht. Wie war es für euch, zu gewinnen – das habt ihr ja auch nicht erwartet?

Rosie: Das haben wir wirklich nicht, es waren viele gute und ganz unterschiedliche Beiträge. Wir haben so viel gelacht, als die Plätze runtergezählt worden sind. Und dann haben sie unseren Namen gesagt. Vor allem für meinen Bruder hat es mich extrem gefreut, weil er ja schon lange in der Musikszene unterwegs ist und das nochmal eine Bestätigung ist. Ich bin ja eher Coversängerin und früher als Kabarettistin unterwegs gewesen, ich kenne die Musikszene nicht so wie er. Aber ich weiß, wie hart es manchmal ist. Das hat mich extrem gefreut, dass er so viel Wertschätzung bekommen hat.

Ihr habt ein witziges Video zum Song gemacht, wie ist es dazu gekommen?

Rosie: Fürs Video hätten mir einige Menschen zu einem rotzigen Punk-Rebell-Video geraten, wo ich durch die Straßen zieh’, meine Faust in die Höhe schwinge und demonstriere für eine bessere Zukunft. Aber das passt einfach so überhaupt nicht zu mir. Ich wollte unbedingt ein unterhaltsames Video machen, wo man sagt: “Ja, das ist die Rosie.”  Ich bin eine Freundin vieler Schnitte – so habe ich ein Drehbuch mit, gefühlt, tausend verschiedenen Einstellungen, Szenen, Kostümen und Requisiten erstellt – das Videoteam Dani und Peter Neuhofer haben das wirklich großartig umgesetzt.

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Hat dein Bruder auch die Version des Songs produziert, die jetzt herausgekommen ist?

Rosie: Ja genau, wir haben den Song dann nochmal mit echtem Schlagzeug neu aufgenommen bei Markus Weiß und Bernd Wagner. Das war eine richtig coole Erfahrung. Und wenn so große Produzenten zu meinem Bruder sagen: „Wir wissen gar nicht, was wir noch rausholen sollen, weil es schon richtig gut ist“, dann freu ich mich ur. Ich bin dann doch die große Schwester [lacht].

Mit 18 hast du begonnen Gesangsunterreicht zu nehmen – wie hast du deine Liebe zur Musik entdeckt?

Rosie: Mein Papa ist sehr musikalisch, ein absoluter Vollblutmusiker und Musikliebhaber. Es war immer Musik im Haus. Er hat uns früh mit Schallplatten, Kassetten und CDs versorgt. Mit sechs wollte ich Peter Alexander heiraten, mit acht John Lennon. Das waren immer meine Wegbegleiter. Mein Vater hat im eigenen Betrieb immer schon Heurigen-Musikabende gemacht und wir haben als Kinder im Fasching auftreten und singen dürfen. Ich habe aber tatsächlich erst mit 18 begonnen, Gesangsunterricht zu nehmen und überhaupt erst was zu machen. Davor war ich eher Punk und mir war alles wurscht. Beim Singen habe ich dann Feuer gefangen, weil es so ein geiles Ventil ist für Gefühle und um Sachen zu verdauen und zu verarbeiten.

“Man kann einfach Herzen viel schneller erreichen durch Humor. Mit Musik gemeinsam ist das eine unschlagbare Kombi”

Das Performen ist dann Hand in Hand mit dem Singen gegangen?

Rosie: Ich glaube dadurch, dass wir das schon so früh als Kinder und Jugendliche gemacht haben, wurde es uns in die Wiege gelegt. Auf der Bühne zu stehen kostet mich nicht viel Überwindung und funktioniert einfach irgendwie [lacht]. Und was durch das Kabarett entsprungen ist, war diese Liebe zum Schreiben. Man kann einfach Herzen viel schneller erreichen durch Humor. Mit Musik gemeinsam ist das eine unschlagbare Kombi. Mit der Isabelle im Kabarett-Duo Rosabell hat das damals einfach super funktioniert.

Ihr wart gemeinsam im ORF, seid sogar ausgezeichnet worden. Witzig finde ich, dass ihr nach einem gemeinsamen Abend auf der Bühne beschlossen habt, einen Saal zu buchen für einen weiteren Auftritt, und dann draufgekommen seid, ihr wollt ein Kabarett aufführen. Das finde ich sehr bezeichnend für deine Fähigkeit zu improvisieren.

Rosie: Stimmt, damals wollten wir nur ein Konzert machen und dann ist ein Musik-Kabarett daraus entstanden. Ja, ich habe festgestellt, die besten Dinge sind immer ungeplant, es ist wirklich so [lacht].

Rosabell gibt es aber nicht mehr?

Rosie: Ich habe meine Rolle an eine andere Rosa abgegeben, aber das Projekt gibt es noch und als Autorin habe ich noch eine Zeit lang mitgewirkt.

In welchen musikalischen Projekten bist du gerade aktiv? Du bist Sängerin bei Top-Sound, habe ich gesehen.

Rosie: Genau, das ist hauptsächlich für die Ballsaison gedacht. Dann gibt es das Brass Orchestra Project. Wolfgang Bauch, der früher technischer Leiter bei FM4 war, glaube ich, leitet eine Blasmusikkapelle in Perchtoldsdorf. Vor etwa 30 Jahren hat er sich gedacht, es wäre cool, etwas Schräges zu machen. Er begann damit, Pop- und Rock-Songs umzuschreiben, dann kamen eine Band und Sänger dazu. Mittlerweile ist es ein riesiges Ereignis mit Lichtshow, Tänzer:innen und einem ausverkauften Haus an drei Tagen, es machen zwischen 50 und 60 Leute mit.

Du machst auch Gesangscoaching für Rock und Pop.

Rosie: Genau, in Perchtoldsdorf in meinem Wohnzimmer. Get cozy with Rosie! [lacht].

“Musik war für mich immer ein Zufluchtsort, ein Mittel, mich auszudrücken, und ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle”

In Graz hast du elementare Musikpädagogik studiert, worum geht´s da?

Rosie: Ja, das war toll. Elementare Musikpädagogik ist quasi der erste Moment, wo Kinder unter Anleitung mit Musik in Berührung kommen. Kinder sind so spannend, weil sie von Babybeinen an Rhythmus, Bewegung und Musik nicht trennen. Da kann man den Kindern spielerisch viel beibringen: Rhythmus, Bewegung, Singen, Geräusche spüren, Musik spüren, Musik wahrnehmen. Das hat mich schon immer unglaublich begeistert, denn Musik entspringt ja dem Menschen, und ich erlebe sie selbst als eine enorme Ressource. Musik war für mich immer ein Zufluchtsort, ein Mittel, mich auszudrücken, und ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Dafür brenne ich, dass Kinder und Jugendliche diesen Ort in sich finden und ausdrücken und was Neues erschaffen können. Ich glaube, dass Kreativität eine Überlebensressource ist. Man muss ja nichts Fürchterliches erlebt haben, aber ich glaube, dass es ein Lebens-Spender ist, den man in sich selber hat und den man immer wieder drücken kann. Egal ob es Bewegung oder Tanz ist, man weiß ja, wie befreiend es ist, wenn man am Samstag weggeht geht und sich austanzt.

Also ist es auch deine Leidenschaft, Self-Empowerment anderen beizubringen und weiterzugeben. Ist das der Grund, warum es gedauert hat, bis du Musik herausgebracht hast?

Rosie: Gute Frage. Wo ich wirklich Zeit gebraucht habe, war nach der Diagnose, weil es mir körperlich schlecht ging. Ich war gerade selbstständig in Wien mit einem Studio für Gesangsunterricht und musste dauernd Stunden absagen, habe mich zu Konzerten geschleppt, die eh nur Cover-Konzerte waren. Es ging also nicht mal zwingend um meine Person. Ich habe mir gedacht: Wie soll ich was auf die Beine stellen, wenn mein Körper mich wieder im Stich lässt? Also ich war echt auf Kriegsfuß mit mir selber. Und auch mit dieser Frage: Ja super, jetzt habe ich so viel Potential – was mach ich mit dem ganzen Scheiß? Das hat mich sicher lang gehindert, weil die Selbstzweifel so groß waren. Ich glaube das war wirklich mein größter Gewinn und meine größte Aufgabe, wieder ein Team mit mir zu werden. Ich freue mich voll, ich habe gerade viele Ideen, was ich machen möchte. Ich möchte ein Musiktheater-Stück herausbringen und habe wieder Lust, kreativ etwas zu schaffen. Gar nicht, weil ich so toll bin, sondern wie soll ich jemanden anderen sagen: Komm, in dir ist viel Tolles, erschaff etwas Neues! Wenn bei mir selber die Sachen liegen und ich mir denk: Nein, lieber nicht, weil ich kann es nicht, ich habe keine Stärke, ich bin ein armes chronisch-krankes Ding.

Du widmest den Pep-Talk dir selber, das ist eine voll schöne Entwicklung. Was sind noch deine Pläne für die Zukunft?

Rosie: Erstmal das Theaterstück für Erwachsene. Das möchte ich im Herbst fertig schreiben und im Mai auf die Bühne bringen. Ansonsten schreibe ich mit meinem Bruder Stoffi Lieder für Rosie. Das Ziel ist im Sommer die zweite Single herauszubringen. Der Plan wäre nächstes Jahr so viele Songs zusammenzuhaben, dass wir ein geiles Konzert zusammenbringen, weil jetzt haben wir nur eines [lacht].

Ich glaube die Chancen stehen gut, dass die Muse euch küsst. Sind auch die nächsten Lieder so gesellschaftskritisch wie der letzte Song?

Rosie: Eigentlich schon, ich sage immer, es ist ungemütlich-optimistisch. Der nächste Song, den wir rausbringen wollen, handelt eher von Selbstwertgefühl, immer jemand anderes sein zu wollen und auch von selbsternannten Social-Media-Gurus.

Rosie © Daniela Matejschek

Danke für das Gespräch!

Sophia Olesko

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