Vermont will Öl-Konzerne für Klimaschäden zahlen lassen - ZDFheute

    Vermont will Öl-Konzerne für Klimaschäden zahlen lassen

    Vermont hat eine Idee:Wer bezahlt die Schäden des Klimawandels?

    von Anna Kleiser, Washington D.C.
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    Klimaschäden oder Anpassungen an den Klimawandel kosten Regierungen und Steuerzahler viel Geld. Im US-Bundesstaat Vermont sollen das Gas- und Öl-Riesen zahlen. Kann das klappen?

    Ein Mann und eine Frau sitzen in einem Kanu und paddeln damit durch ein überschwemmtes Gebiet in Montpelier.
    Archiv: Bei Unwettern im Juli 2023 fiel innerhalb von zwei Tagen so viel Regen wie sonst in zwei Monaten. Wegen der schweren Überschwemmungen wurde damals der Katastrophenfall ausgerufen.
    Quelle: AP

    Über eine Milliarde US-Dollar an Sachschäden haben Überschwemmungen im US-Bundesstaat Vermont 2023 verursacht. Als "historisch" und "katastrophal" bezeichnete der Gouverneur Phil Scott das Ausmaß vergangenen Sommer. Eine Studie der Universität Vermont rechnet vor: Der Klimawandel könnte im nächsten Jahrhundert mehrere Milliarden schlucken - allein in diesem kleinen Bundesstaat.
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    Wer soll das bezahlen? Wenn es nach Abgeordneten in Vermont geht, sind es Öl- und Gas-Giganten, die mit fossilen Brennstoffen über Jahrzehnte Gewinne gemacht und zum Klimawandel beigetragen haben. Ein entsprechendes Gesetz ist auf dem Weg.

    Was genau ist geplant?

    Mit großer Mehrheit, der so genannten "Supermajority", haben Abgeordnetenhaus und Senat in Vermont den "Climate Superfund Act" verabschiedet. Es sei wie die Lektion, die wir alle als Kinder gelernt hätten, erklärt Elena Mihaly, Vizepräsidentin der Umweltschutzorganisation Conservation Law Foundation:

    Wenn du die Sauerei machst, musst du sie aufräumen.

    Elena Mihaly, Vize-Präsidentin Conservation Law Foundation

    Der Entwurf sieht vor, dass die großen Player der Branche, wie Exxon oder Shell, für ihren Anteil an Klimafolgen in dem US-Bundesstaat Gelder in einen Fond einzahlen.
    2021 war ein ähnliches Gesetz auf Bundesebene gescheitert, nun könnte der Bundesstaat Vermont vorangehen. Jetzt muss noch der republikanische Gouverneur Phil Scott unterschreiben, dann wäre es das erste Gesetz dieser Art in den USA.
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    Wie soll das funktionieren

    Überall auf der Welt häufen sich die Klagen für Klimaschutz, vor einem deutschen Gericht etwa kämpft ein peruanischer Bauer gegen den Energiekonzern RWE.
    Vermont setzt nun auf eine neue juristische Strategie. Die Gesetzgeber bedienen sich dabei der sogenannten Attributionsforschung. Mit speziellen Modellen soll genau berechnet werden, zu welchem Prozentsatz die Emissionen eines bestimmten Unternehmens mit Geschäften in Vermont zu Extremwetterereignissen beigetragen haben.
    Darauf beruht dann die Zahlung, der der Bundesstaat einfordert. Die Gelder sollen nicht nur für Schäden verwendet werden, sondern auch, um klimaresilienter zu werden. Wie groß der Topf wird, noch unklar. Fest steht, es geht um Milliarden.
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    Die Öl- und Gasindustrie lehnt den Gesetzentwurf ab. Der größte Interessenverband der Industrie, das American Petroleum Institute (API), stellt infrage, dass es akkurat berechnet werden kann. Außerdem würde es Konzerne für die "Handlungen der Gesellschaft insgesamt" verantwortlich gemacht.

    Hat Vermont die Chance das durchzusetzen?

    Sollte das Gesetz in Kraft treten, geht der Streit vor den Gerichten los. Das ist eine Sorge einiger Abgeordneter, die dagegen abgestimmt haben. Der Republikaner Russ Ingalls fürchtet, der "Krieg" gegen die Konzerne, werde den kleinen Bundesstaat überfordern, viel Geld kosten und ihn zerquetschen "wie einen Käfer".
    Die Professorin für Umweltrecht, Jennifer Rushlow, widerspricht. Es gehe darum, auf wessen Seite das Gesetz stehe, erklärt sie ZDFheute.

    Die Legislative von Vermont hat sorgfältig ein Gesetz ausgearbeitet, das bei einer Anfechtung vor Gericht gut bestehen dürfte.

    Prof. Jennifer Rushlow, Vermont Law & Graduate School

    Auch Lobbyist Ben Edgerly Walsh, der für Vermont Public Interest für das Gesetz kämpft, sagt: Der Klimawandel koste die Menschen in Vermont schon jetzt viel Geld. "Es macht einfach keinen Sinn für uns darauf zu warten, dass ein anderer Bundesstaat vorangeht", so Walsh.

    Vermont als Vorbild - Experte ist skeptisch

    Ein solches Gesetz wäre eines der ersten seiner Art. Lohnt es, sich dort etwas abzuschauen? Prof. Felix Ekardt, der Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig, ist skeptisch:

    Auch ohne neues Gesetz kann man in Deutschland schon heute, wenn der Nachweis einer Klimawandel-Verursachung eines Schadens erbracht ist, Unternehmen haftbar machen.

    Prof. Felix Ekardt

    Aber genau in diesem kausalen Nachweis bei einem globalen Phänomen liegt das Problem - trotz Attributionsforschung, meint Eckardt. Er hält die Diskussion daher für wenig zielführend.
    Stattdessen fordert Jurist Eckhardt mehr Klimaschutz - etwa einen globalen Ansatz für eine Mengensteuer auf fossile Brennstoffe, um sie bis spätestens 2035 auf null zu bringen.
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    Wie es in Vermont weitergeht

    Die Befürworter in Vermont sind sich sicher, dass sie alles beisammen haben, um die Konzerne zur Kasse zu bitten. Der nächste Schritt ist der Schreibtisch des Gouverneurs, Ende Mai wissen wir mehr.
    Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington D.C.