Frederick Lau im Interview: „Wir sind alle treue Hunde!“
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Frederick Lau im Interview: „Wir sind alle treue Hunde!“

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Szenenbild aus der Serie „Crooks“
Szenenbild aus der Serie „Crooks“. © Netflix

Interview mit Frederick Lau über Lehrstunden im Schauspielerdasein, Wiener Kollegen, seine Emotionalität, die Möglichkeiten von Streamingdiensten, paneuropäische Produktionen und Lieblingsfilme.

Frankfurt – Fredrick „Freddy“ Lau ist erst 34 Jahre, steht aber seit „Die Polizistin“ (2000) schon fast ein Vierteljahrhundert vor der Kamera. Der am 17. August 1989 geborene Schauspieler wuchs in Berlin-Steglitz auf und wohnt dort noch immer. Er ist überhaupt eine treue Seele, was im in diesem Business eine große Seltenheit ist. Den Durchbruch ebnete dem ehemaligen Berliner Judomeister die Rolle des durchsetzungsschwachen Schülers Tim in Dennis Gansels Literaturverfilmung „Die Welle“ (2008). Für diese Leistung erhielt er den Deutschen Filmpreis als bester Nebendarsteller.

2015 errang er abermals den Deutschen Filmpreis, diesmal als bester Hauptdarsteller in Sebastian Schippers „Victoria“. Das Drama, das geschickt zwischen Liebesgeschichte, Analyse der Club-Kultur und Mileustudie laviert, ging mit ihm als Ur-Berliner „Sonne“ in die Kinogeschichte ein, weil es in einer einzigen 140 Minuten langen Kameraeinstellung gedreht wurde. Der Grimme-Preisträger (2011 für „Neue Vahr Süd“) ist mit seinem Schauspielerkollegen Kida Khodr Ramadan eng befreundet. 2018 erschien ihr gemeinsames Buch „Zusammen sind wir Könige. Was Männer zu Freunden macht“.

Der Vater von drei Kindern, die aus der Verbindung mit der Radio- und Fernsehmoderatorin Annika Kipp entstammen, sorgt gerade mit der paneuropäischen Netflix-Serie „Crooks“ für Furore: Als Ex-Tresorknacker Charly gerät er zwischen die Fronten des Al-Walid-Clans, einer serbischen Einbrecherbande, dem Wiener Rotlicht-König Frank Bachofner und der Mafia in Marseille. Beim Interview mit FR-Autor Marc Hairapetian ist er per Videocall aus Wien zugeschaltet, wo er an einer Team-Premiere teilnimmt.

Interview mit Frederick Lau

Marc Hairapetian: „Crooks“ hat mir gefallen, ist atmosphärisch gut umgesetzt und ganz schön hart. Eigentlich sollte „Crooks“ zuerst „Criminel“ heißen. In jedem Fall hat das Stehlen der Münze in Berlin eine Analogie zum realen Raub im Bode-Museum. Das diente doch auch für „Crooks“ als Inspiration, oder?

Frederick Lau: Bei uns ist es immer noch Fiktion. Das soll das Publikum für sich selbst entscheiden, ob es eine Analogie zum echten Fall ist oder nicht. Zum Titel „Crooks“: Ich habe gerade gestern darüber nachgedacht. Es gibt so einen schönen Hip-Hop-Song von einer Crew, die hieß Mobb Deep, und da kommt das Wort „crooks“ vor. „Mit Crooks“ ist es auch so eine Crux. Das ist ein Wort, dass nicht mehr so häufig benutzt wird. Ich finde es total schön. Wir sind ja auch alle ein bisschen älter geworden und es kommen Wörter auf, mit denen wir überhaupt nichts mehr anfangen können, wie zum Beispiel „cringe“ (sinngemäß: „peinlich“). Und wir nehmen als Gegensatz eher ein altmodisches Wort wie „crooks“ und das heißt übersetzt „Gauner“. Ich finde, das ist ein charmanteres Wort für „Kriminelle“. Es ist auch so, dass meine Rolle des Charly Markovic alles andere ist, als von Grund auf böse. Ich glaube, dass jeder Gauner eine Tragödie in sich trägt, sonst wirst du kein Krimineller. Es ist eigentlich immer eine traurige Geschichte, dass du in der Gesellschaft nicht Fuß gefasst hast. Bei meiner Rolle verhält es sich so, dass sich Ex-Tresorknacker Charly inzwischen ein solides Leben aufgebaut hat; er hat eine Familie. Ich glaube aber, dass ihn dann doch dieser Thrill, diese Faszination, wieder übermannt, als er in der ersten Folge den Safe aufknacken soll, in dem sich die gestohlene Münze befindet. Denn wenn man so ein Sensation Seeker wie er ist und es einmal erlebt hat, möchte man es halt nochmal erleben. Ich finde, dass diese ganzen verschiedenen Welten in der Serie so unheimlich cool gezeichnet sind. Ich bin die Bezugsperson, die etwas Kontinuität ins Spiel bringt. Was ich so liebe an der Serie: Es gab noch nie so eine Reise durch Europa und, was jeden Menschen abholt, ist ein Abenteuer mit jemandem zu erleben, gemeinsam „on the road“ zu sein und etwas zu sehen, was du noch nicht gesehen hast. Ich wollte immer Filme drehen wie „Fitzcaraldo“, sich also auf eine Reise begeben, wo man nicht weiß, wo es endet. Und das haben wir mit „Crooks“ geschafft.

Freddy, ist das eine Paraderolle für dich als Gauner mit Herz – auch in der Kombination mit dem mit dir zusammen fliehenden Wiener Gauner wider Willen Joseph Muckstein, der so famos von Christoph F. Krutzler gespielt wird? Der ist krass drauf, wehrt sich wie ein Berserker, wenn er angegriffen wird, strahlt aber über das ganze Gesicht, als du nach einem Telefonat mit deiner Frau zu ihm sagst, dass sie die Richtige sei.

Ja, Gauner mit Herz sowieso. Ich würde nicht ausschließen, dass jemand kein Herz besitzt. Es kommt darauf an, in welcher Welt du lebst. Vielleicht bist du härter und dein Herz oder deine Werte verschwinden. Die beiden Hauptfiguren haben aber unglaublich viel Herz. Joseph ist jemand, der total verletzlich ist, der nie wusste, wo er überhaupt herkommt. Der erst in der Serie herausfindet, wer sein Vater war. Und dadurch hat er totale Identitätsprobleme. Joseph ist in einer Situation, der weiß gar nicht mehr wohin. Der Vorteil bei meiner Rolle Charly ist, dass er seine Identität schon gefunden hat und diese auch Joseph mitgibt. So entwickelt dieser dann mehr innere Stärke. Ich finde aber die Wiener Welt von „Crooks“ insgesamt so gut gezeichnet. Es ist sehr schön, in diese Welten einzutauchen - so wie damals bei „4 Blocks“. Doch ich sage: „4 Blocks“ war gestern, heute ist „Crooks“. Wir zeigen Welten auf, die irgendwo existieren, wenn sie auch überzeichnet sind, wie im Film Noir. Diese ganze Nummer hat auch Stil!

„Crooks“ ist ein paneuropäischer Scorsese-Film, könnte man fast sagen.

Marvin Kren ist Marvin Kren!

Ich habe Martin Scorsese bei der Berlinale interviewt.

Echt? Wow! Ist das ein guter Junge?

Ein ganz guter Junge, wenn er merkt, dass du Ahnung über Film hast! Wir haben uns wie zwei alte Filmbuffs die Bälle zugespielt. Das hat Spaß gemacht! In seinem fortgeschrittenen Alter ist er innerlich wie ein junger Mensch geblieben.

Toll, das freut mich zu hören! Wir probieren bei der Netflix-Serie die Welten nach außen zu tragen. Wie du weißt, spielt „Crooks“ nicht nur im deutschen Raum. Was mich total stolz gemacht hat, ist der Fakt, dass auch Hubert Koundé aus „Haß“, einem Film, mit dem ich aufgewachsen bin, in Frankreich mit von der Partie war. Auf so einen Schauspieler zu treffen, ist für mich eine Ehre. Das ist so schön, dass alles europäisch wird! Und das ist etwas, was wir auch vertreten sollten, wenn sich diese Welt filmisch total öffnet. Also nicht mehr einfach nur sagen: „Wir machen eine deutsch-deutsche Produktion mit inneren deutschen Themen, sondern wir reisen durch die Welt!“ Es war für mich ein Riesengeschenk.

Frederick Lau über die Zusammenarbeit mit Lukas Watzl

Lukas Watzl, der Rio, der den Sprössling des Wiener Bordellbesitzers „Der Rote“ spielt, der wiederum vom 2023 verstorbenen Karl Welunschek verkörpert wird, hat mich ebenfalls darstellerisch überzeugt. Ich habe ihn bereits 2022 in Schwerin beim Filmfestkunstfest kennengelernt. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Der ist der Wahnsinn! Er hat noch eine super Entwicklung. Ich kannte ihn vorher auch nicht. Ich habe mich überhaupt gefreut, mit den ganzen Wiener Schauspielern zu drehen. Vor allem mit Georg Friedrich. Ich habe ja auch schon ein bisschen etwas gedreht, aber bei ihm hast du dann total Respekt. Da denkst du: „Puh, da musst du erstmal mithalten! Da musst du erst mal gegen ankommen!“ Der muss einfach nicht viel machen. Der hat eine Präsenz. Er ist eine Legende. Das ist für mich natürlich auch eine Herausforderung. Da bist du 90 Tage unterwegs in Europa. Einer der Drehorte war Genua: Eine fantastische Stadt! Kann ich jedem empfehlen. Ich hätte nie damit gerechnet, wie verwinkelt und verschachtelt diese Stadt ist! Was da allein schon in diesen kleinen Straßen für Geschichten erzählt werden! Ich finde es total mutig, so ein Road Movie zu drehen und es wirkt dabei überhaupt nicht Deutsch. Ich finde, dass wir uns total damit brüsten können, etwas geschaffen zu haben, womit wenige rechnen. Mit Netflix oder anderen Streamingdiensten können wir ein breiteres Publikum erreichen. Wir hätten als Schauspieler nie gedacht, dass wir auf einmal in so vielen Ländern gesehen werden. Ich habe letztens eine Message aus Brasilien bekommen, wie gut sie die Serie dort finden! Das ist genau der Grund, warum man es machen will. Früher hat man das nur mit Filmfestivals erreicht. Dann war man in Toronto oder in Japan und China unterwegs und hat so seine Filme vorgestellt. Da war ich damals schon stolz, dass andere Kulturen unsere Filme, unsere Ideen und Sichtweisen mitbekommen. Man macht doch Filme, um ein Sprachrohr zu sein, zu unterhalten, zum Nachdenken anzuregen oder damit irgendetwas passiert! Ich finde es unterstützenswert, dass „Crooks“ nicht nur im innerdeutschen Raum passiert, sondern auch einen globalen Charakter bekommt.

„Crooks“ hat mich vom Flair an französisch-italienische Co-Produktionen der 1970er Jahre erinnert. Es kommen hier nun auch die serbischen, arabischen und österreichischen Komponenten dazu. Hast du auch Einfluss auf die Besetzung gehabt? Dein Freund Kida Khodr Ramadan, der in diesem Jahr wegen Autofahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer zehnmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, ist auch mit dabei.

Es ist ja so: Wir sind alle treue Hunde, wenn wir Leute mögen und gern mit ihnen zusammenarbeiten. Das finde ich auch ganz wichtig, dass wir dann zusammenhalten. Sodass wir sagen: „Hey, das wäre etwas für dich! Guck dir das mal an!“ Und mit Marvin Kren habe ich jetzt die vierte Produktion gemacht. Wir haben uns damals kennengelernt bei einem Fernsehfilm in Prag. Kida und ich sind zwei Sparingspartner und können uns total vertrauen. Es ist so, dass ich immer Menschen Chancen gebe und auch offen bin für alles Mögliche, also auch mit neuen Regisseuren zusammen arbeite. Da wurde ich teilweise enttäuscht, wenn keine wirkliche Kommuikationsebene stattfindet. Ich kann da hinkommen und habe meine Meinung von meiner Rolle und kann das spielen, aber ich will jemanden haben, der mich zu einer Höchstleistung antreibt. Wie ein Trainer, der sagt „Guck dir es nochmal so an oder so!“. Ein Regisseur ist wie ein Therapeut, der dir nochmal einen anderen Weg aufzeigt. Du hast ja deinen Weg oder mehrere Wege und da ist der Regisseur, der das große Ganze sieht. Und ein Showrunner wie Marvin Kren weiß, was er aus mir rausholen will und das liebe ich! Da ist es schön, wenn es nicht nur von dir kommt und du einfach nur ablieferst, sondern auch gefordert wirst. Auch körperlich. Jetzt bin ich total dünn geworden, aber ich hatte bei „Crooks“ fast 84 Kilogramm, weil ich so viel Muskelmasse antrainiert habe. (Lacht.)

„Crooks“-Hauptdarsteller Frederick Lau und FR-Autor Marc Hairapetian kennen sich seit 2018. Hier sind sie zusammen bei der Premiere der Star besetzten deutschen Filmkomödie „Das perfekte Geheimnis“ (2019) im Berliner Zoo Palast.
„Crooks“-Hauptdarsteller Frederick Lau und FR-Autor Marc Hairapetian kennen sich seit 2018. Hier sind sie zusammen bei der Premiere der Star besetzten deutschen Filmkomödie „Das perfekte Geheimnis“ (2019) im Berliner Zoo Palast. © Marc Hairapetian / Spirit - Ein Lächeln im Sturm.

Geht es mit „Crooks“ weiter? Frederick Lau hofft es

Kommt dir also deine Körperlichkeit für den Schauspielerberuf auch entgegen?

Total. Ich habe sechs Monate davor mit einem Superboxtrainer geboxt. Boxen ist sowieso der anstrengendste Sport, den ich je gemacht habe. Mir hilft es natürlich, dass ich auch Berliner Judomeister war. Das Kämpfen, das Raufen ist doch auch so ein „Kleiner-Junge-Gedanke“, denn diese Fetzerei macht auch Freude. Mit dem Tresorknacken war es genauso. Da haben wir vorher echt viel geübt. Ich war tagelang mit dem Schlüsseldienst unterwegs, vor allem nachts beim 24-Stunden-Service und habe da ein paar Türen aufgemacht. Das Interessanteste daran ist, dass du in private Räume und private Familienverhältnisse eintrittst. Du machst diese Tür auf und bist dann auf einmal bei ihnen in der Wohnung, also bei fremden Menschen. Da habe ich alle möglichen Schicksale gesehen. Das ist auch ein unglaublich emotionaler Job, so einen Schlüsseldienst zu betreiben. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, deswegen hat mich das auch sehr mitgenommen. Eine Schreierei im Hintergrund, eine andere dort… Das ist ja das Schöne an der Schauspielerei: Wir lernen immer viel dazu. Und auch Absurditäten, die wir lernen dürfen, gehören dazu .

Seit meinem 16. Lebensjahr gebe ich das von mir begründete Kulturmagazin Spirit – Ein Lächeln im Sturm heraus. Dafür, aber auch für die Frankfurter Rundschau, frage ich prominente Persönlichkeiten nach ihren Lieblingsfilmen. Kannst du mir spontan drei Lieblingsfilme nennen und den Grund, warum sie dir gefallen?

Wie lange gibst du jetzt dein Magazin raus?

Im August sind es 40 Jahre.

Mega! Gratulation! Das mit den Lieblingsfilmen ist total schwer. Mein deutscher Lieblingsfilm ist „Fitzcaraldo“. Ich liebe die Absurdität darin und die italienische Oper. Für mich ist „Das Boot“, also Wolfgang Petersens Film, nicht die Serie, deutsches Kulturgut. Dann liebe ich „Hotte im Paradies“ mit Mišel Matičević. Schauspielerisch ist „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ eine der krassesten Sachen. Bei „The Master“ gefällt mir die Dialogsituation zwischen Philip Seymour Hoffman und Joaquin Phoenix. Ich bin ein Freund davon, Geschichten anders zu erzählen – und das haben wir bei „Victoria“ gemacht. Die fiktive filmische Langzeitstudie „Boyhood“ fand ich toll erzählt. Ich bin sehr emotional und nah am Wasser gebaut, bei mir passiert da immer ganz, ganz viel. „Happy Gilmore – Ein Champ zum Verlieben“ fand ich großartig. Die alten Adam-Sandler-Dinger habe ich sowieso geliebt. Sie haben mich immer zum Strahlen gebracht. Und jetzt bin gerade dabei, meinen Kindern die „Rocky“-Filme zu zeigen. Der erste Teil ist ein Traum! Das Lustige ist: Meine Kinder sahen ihn zum ersten Mal und waren so enttäuscht, dass er am Ende verliert. Die sagten: „Das kann doch nicht das Ende des Films sein!“ Ich: „Wartet ab - bis zum nächsten Teil!“ Will Ferrell finde ich von den Komikern den lustigsten von allen.

Adam Sandler habe ich auch bei der Berlinale getroffen. Er ist absolut „down to Earth“.

Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn er Starallüren an den Tag legen würde.

Kann es eine Fortsetzung von „Crooks“ geben oder ist es am Ende tatsächlich zu Ende erzählt?

Ich würde es mir in jedem Fall wünschen, wenn es mit „Crooks“ weitergeht.

Das Interview führte Marc Hairapetian.

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