BSW-Parteitag: „Wir wollen frischen Wind im Landtag“
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BSW-Parteitag: „Wir wollen frischen Wind im Landtag“

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Sahra Wagenknecht (r.) mit ihrer neuen sächsischen Nummer 1, der ex-Linken Sabine Zimmermann.
Sahra Wagenknecht (r.) mit ihrer neuen sächsischen Nummer 1, der ex-Linken Sabine Zimmermann. © dpa

Sabine Zimmermann, Spitzenkandidatin von BSW in Sachsen, über den Anspruch, die AfD zu stoppen, und die Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung im Land. Ein Interview.

Für die Linken ist das ein harter Schlag. Sabine Zimmermann (63), die 16 Jahre lang für die Linkspartei im Bundestag saß, ist am Wochenende in Dresden zur Spitzenkandidatin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) für die Landtagswahl in Sachsen am 1. September gewählt worden. Zum Krieg in der Ukraine zitiert sie Gorbatschow und kritisiert die Grünen für eine Politik „weit weg von den Menschen“.

Frau Zimmermann, Sie sind zur Spitzenkandidatin von Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Sachsen für die Landtagswahl am 1. September 2024 gewählt worden. Was ist Ihr wichtigstes Ziel für den Wahltag?

Mein wichtigstes Ziel ist es, BSW in Sachsen gut an den Start zu bringen, ein gutes Wahlergebnis zu erzielen und somit frischen Wind in den Landtag zu bringen.

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Nach den jüngsten Meinungsumfragen könnte die AfD bei der Wahl 34 Prozent erreichen, die CDU 30 Prozent und dem BSW werden elf Prozent vorausgesagt. SPD, Grüne und Linke könnten dagegen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Wollen Sie die AfD in Sachsen stoppen?

Ich hoffe sehr, dass es dem BSW gelingt, den Rechtsextremen bei der Landtagswahl viele Stimmen wegzunehmen. Es ist wichtig, die Rechtsextremen in Sachsen zu stoppen. Das ist unsere historische Verantwortung.

Folgt man den Meinungsumfragen, könnte es nach der Wahl entscheidend auf das BSW ankommen, um überhaupt eine Landesregierung zu bilden. Sie könnten das Zünglein an der Waage sein.

Wir müssen das Wahlergebnis abwarten. Wenn wir Verantwortung übernehmen müssen, sind wir dazu bereit. Eines sage ich aber jetzt schon ganz klar: Wir sind keine Mehrheitsbeschaffer für eine abgewirtschaftete CDU. Wir stellen ganz klare Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung. Wir wollen schon in den ersten 100 Tagen einer neuen Landesregierung deutliche Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger erreichen.

Welche Bedingungen sind Ihnen wichtig?

Wir wollen Veränderungen in der Bildungspolitik. Handys und Tablets sollen von den ersten bis zu den vierten Klassen aus den Schulen verbannt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen wieder in Ruhe lernen können und die Lehrerinnen und Lehrer in Ruhe unterrichten. In der Gesundheitspolitik muss die Versorgung der Menschen auf dem Land verbessert werden. Es braucht eine stärkere Verzahnung zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung. In der Migrationspolitik treten wir für eine gute Integration von Migrantinnen und Migranten ein. Das heißt aber auch: Straffällig gewordene Migrantinnen und Migranten sollten ausgewiesen werden. Die Städte und Gemeinden sind mit der Unterbringung überfordert, sie brauchen mehr Unterstützung.

BSW in Sachsen: „Wir sind gekommen, um zu bleiben“

Ihr Ziel ist es aber, Sachsen mit zu regieren?

Erst einmal brauchen wir ein gutes Wahlergebnis. Ich bin optimistisch, dass wir die Demokratie in Sachsen stärken. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Sachsen ist das Billiglohnland in Deutschland. Nur 40 Prozent der Betriebe zahlen noch Tarif. Muss eine neue Landesregierung das ändern?

Diese Situation mit den Billiglöhnen ist ein Ergebnis von 30 Jahren CDU-Regierung in Sachsen. Das begann schon in der Regierungszeit des CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf in den 90er Jahren. Er sagte immer, man müsse die Löhne niedrig halten, um Arbeitsplätze zu schaffen. Wir brauchen bessere Löhne für unsere Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Es kann nicht sein, dass 75 000 Menschen aus Sachsen, die in die alten Bundesländer pendeln, dort bis zu 800 Euro mehr für die gleiche Arbeit verdienen. Wir fordern einen fairen Mindestlohn von 14 Euro. Das steht in unserem Wahlprogramm, das wir jetzt in Dresden beschlossen haben. Das wäre eine große Unterstützung für viele Menschen. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die schlechten Löhne und Gehälter in Sachsen ist enorm groß. Das zeigen viele Streiks. Das kann nicht mehr so weitergehen, hier muss sich etwas verändern. Im Osten verdient man immer noch bis zu 20 Prozent weniger als im Westen.

Sie haben 16 Jahre lang die Partei die Linke im Deutschen Bundestag vertreten und sind dann zum Bündnis Sahra Wagenknecht gewechselt. Was waren Ihre Beweggründe?

Ich habe die Linke seinerzeit mit aufgebaut. Ich bedauere diese Entwicklung sehr. Wir sind damals angetreten für soziale Gerechtigkeit und für Frieden. Die Linke hat sich leider immer mehr von diesen Themen entfernt. Sie haben nur noch Randthemen verfolgt. Unsere ursprünglichen Ziele konnte ich bei der Linken nicht mehr erreichen. Deshalb habe ich die Partei verlassen.

Wo sehen Sie die künftige Position von BSW in der deutschen Parteienlandschaft?

Wir füllen die Lücke aus, die die etablierten Parteien nicht mehr abdecken. Das zeigen unsere guten Umfrageergebnisse. Wir repräsentieren eine politische Schnittmenge, die vielen Menschen Hoffnung gibt. Das zeigt sich auch in der Friedensfrage, die in meinen Augen ganz zentral ist. Wir fordern zügige Friedensverhandlungen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Dort sterben jeden Tag viele Menschen, das ist ganz schlimm und muss ein Ende haben.

Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU fordert ja solche Friedensverhandlungen.

Ja, Kretschmer spielt die Friedenstaube. Aber er ist ein einsamer Kämpfer innerhalb der CDU. Den Ton in der CDU gibt der Falke Friedrich Merz an.

Die Nato und die EU argumentieren, dass die Ukraine in ihrem Kampf stellvertretend für uns alle die Freiheit und die Werte der westlichen Welt verteidigt. Deshalb müsse die ukrainische Regierung unterstützt werden.

Richtig daran ist: In der Ukraine findet ein Stellvertreterkrieg statt, ein Krieg der Systeme. Er wird geführt von den Großmächten USA und Russland. Obwohl Russland diesen völkerrechtswidrigen Krieg begonnen hat, brauchen wir eine europäische Friedensordnung, die auch die Sicherheitsinteressen Russlands berücksichtigt. Putin wird irgendwann Geschichte sein, aber Russland immer noch unser Nachbar. Ich möchte gerne den früheren Präsidenten der UdSSR, Michail Gorbatschow, zitieren, der gesagt hat: Eine europäische Friedensordnung ist ohne Russland nicht möglich. Stattdessen werden vom Westen immer weitere Milliarden in die Kriegswirtschaft gesteckt. Das muss ein Ende haben. Die Diplomatie muss endlich zu ihrem Recht kommen, es braucht Friedensverhandlungen.

Nochmal zurück zur Lage in Sachsen und zu einer Regierungsbildung nach dem 1. September. Sie haben gesagt, Sie würden nach der Wahl mit allen Parteien über eine Regierungsbildung sprechen, nur nicht mit den Rechtsextremen und nicht mit den Grünen. Warum schließen Sie Gespräche mit den Grünen von vorneherein aus?

Das kann ich Ihnen erklären. Die Grünen sind weltfremd. Die Menschen in Sachsen brauchen eine solche weltfremde Politik nicht. Wir stehen ebenfalls für Umweltpolitik. Aber die Grünen müssten ihre Politik schon sehr ändern, damit wir eine gemeinsame Basis finden. Das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Habeck zum Beispiel war völlig weltfremd und hat bei vielen Menschen für Empörung gesorgt. Die Grünen machen keine bürgernahe Politik, sondern eine, die weit weg ist von den Leuten. Für uns ist es aber auch sehr wichtig, dass wir nicht mit einer rechtsextremen Partei reden werden und dass wir keine Koalition mit einer solchen Partei eingehen werden.

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