Niklas Frank ist 1939 geboren und hat je ein Buch über seinen Vater und seine Muter geschrieben.

Lesung am Karl-Friedrich-Gymnasium

Niklas Frank und die Abrechnung mit seinem Vater und Nationalsozialisten Hans Frank

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AUTOR/IN
Christian Scharff
Christian Scharff

Hans Frank war eine führende Figur im Nationalsozialismus - er starb am Galgen. Sein Sohn Niklas Frank hat in Mannheim aus seinem Buch über den Vater vorgelesen.

Hans Frank gehörte zur ersten Reihe der in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zum Tode verurteilten Nazi-Täter. Er war nicht nur Anwalt Hitlers, sondern sechs Jahre lang Generalgouverneur im nicht offiziell ins Deutsche Reich eingegliederten Teil Polens. Dort war er mitveranwortlich für die Ermordung hundertausender Juden, für die Deportation von rund einer Million Zwangsarbeiter und die Einweisung von Juden in Ghettos.

Sein Sohn Niklas Frank, 1939 geboren, setzt sich schon sein ganzes Leben mit dem seines Vaters und seiner Mutter auseinander. Zwei Bücher hat er bereits vor langer Zeit über sie geschrieben und daraus jetzt am Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim vorgelesen. Eine Schüler-Initiative hatte ihn eingeladen.

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Sprachlich nimmt Frank kein Blatt vor den Mund. Er liest einfach aus dem mittlerweile 37 Jahre alten Buch vor und das steigt mit den sexuellen Empfindungen des ganz jungen Niklas Frank ein, als sein Vater den Gang zum Galgen antritt. Es ist eine krasse Gegenüberstellung, ungewohnt auch in der Sprache. Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Karl-Friedrich Gymnasiums schlucken ein wenig.

Die Sprache ist direkt, bisweilen schockierend

Das Buch entstand 1987, als Niklas Frank Reporter beim Stern war. In Mannheim liest er 45 Minuten lang mit monotoner Stimme vor, und trotzdem zieht er die versammelte Oberstufe des Karl-Friedrich-Gymnasiums in seinen Bann, weil da jemand Dinge aus eigener Anschauung erzählt.

Er erinnert sich, wie er als Sechsjähriger mit seiner Mutter in Krakau im Juden-Ghetto große Mengen Pelze abgeholt hat. Ohne etwas zu bezahlen, denn schließlich war die Mutter Frau Reichsgouverneurin. Die Franks beherrschten den nicht besetzten Teil Polens wie Könige und traten als Herrenmenschen auf.

Niklas Frank hat sich sein Leben lang mit seinem Vater beschäftigt, sich an ihm und seinen Verbrechen abgearbeitet, doch er hat sich das Leben nicht vermiesen lassen, das betont er mehrfach:

Von dem lasse ich mir mein Leben nicht verpfuschen

Generalgouverneur Hans Frank trug den Beinamen der "Schlächter von Polen". Die Lesung seines 85-jährigen Sohns in Mannheim führt aus der Nazi-Zeit direkt in die Gegenwart. Es ist Niklas Frank wichtig, für das Jetzt in Deutschland zu sensibilisieren, wo mit der AfD eine Partei versuche, Geschichte umzuschreiben, wie er sagt.

Niklas Frank: Grenzenlose Verachtung für seinen Vater

Nach dem Ende des Vortrags gibt es viel Applaus und eine lange Pause. Und dann kommen doch Fragen, wie er mit dem schweren Erbe umgeht, wie seine Gefühle sind. Nein, ganz loslassen könne er nicht, sagt er auf Fragen der Schülerinnen und Schüler. Er trage noch immer ein Foto seines Vaters bei sich, allerdings blicke er nur mit grenzenloser Verachtung auf ihn. Auf den Mann, der klassisch gebildet war, ein durchaus humorvoller Literatur- und Opernliebhaber und sich dem Bösen verschrieben hatte.

Er nennt seinen Vater meist "Dreckskerl". Niklas Frank trägt auch schockierende Fotos des Holocausts bei sich. Denn nur wer "eine persönliche emotionale Beziehung" dazu aufbaue, sich vorstelle, es könnten die eigenen Angehörigen gewesen sein, könne in einem schmerzhaften Prozess die Verbrechen seines Vaters und des Nationalsozialismus ganz verstehen.

Die Demokratie verteidigen

Niklas Frank, geistig wach und beweglich, fordert dazu auf, unsere Demokratie zu verteidigen. Es fehle weiten Teilen der Bevölkerung dafür die Angst und die Wut. Die Angst, weil wir die Diktatur nicht erlebt haben, sagt er. Und die Wut, weil wir unsere Demokratie nicht liebten, weil wir uns an sie gewöhnt hätten.

Die Schülerinnen und Schüler nahmen etwas mit, sagen sie im Anschluss. Viele würden sich nur beschweren, aber nichts tun, es sei eine Lehre, Demokratie nicht einfach als selbstverständlich anzusehen.

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