Käßmann: Kleiner werdende Kirchen sind "Verlust von Gemeinschaft"

Käßmann: Kleiner werdende Kirchen sind "Verlust von Gemeinschaft"

Ulm (epd). Die zurückgehende Bedeutung von Kirchen und christlichem Glauben hat nach Einschätzung der evangelischen Theologin Margot Käßmann negative Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft. Denn es sei ein Verlust von Gemeinschaft, wenn es keine verbindenden biblischen Geschichten, gemeinsame Feste und Rituale mehr gebe, sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Montagabend bei einer Diskussionsveranstaltung des Südwest-Presse-Forums im Ulmer Stadthaus.

Eine kirchliche Gemeinde könne aber immer noch ein einzigartiger Ort der Begegnung sein, weil sich in ihr Menschen jeden Alters und aus allen sozialen Schichten treffen. Über die virtuellen Kommunikationsformen hinaus seien gerade diese persönlichen Begegnungen für die Menschen tragend. Deshalb sei der „gigantische Traditionsabbruch“, dem Kirchen und christlicher Glaube ausgesetzt seien, eine „Verlusterfahrung“ für die gesamte Gesellschaft.

Junge Menschen und ihre Sinnfragen könnten von der Kirche nur schwer erreicht werden, sagte die Theologin. Ein wesentlicher Grund dafür seien die vielen Fälle von Missbrauch und Gewalt in der Kirche. Denn durch das grausame Handeln dieser Täter, die bei ihr einen „riesigen Zorn“ ausgelöst hätten, sei die gesamte kirchliche Jugendarbeit diskreditiert worden. Das führe dazu, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr diesem „Kinderschänderverein“ anvertrauen wollten, was für die vielen in der Jugendarbeit engagierten Menschen sehr schmerzlich sei.