Nachdenkliches und Erfreuliches: Spiritualität und Körperlichkeit in der Aargauer Pampa

Dienstag, 14. Mai 2024

Spiritualität und Körperlichkeit in der Aargauer Pampa

Ein Zitat

Sarah Staub liest aus ihren Texten.
Foto © Jörg Niederer
"'Wenn Sie hinter sich Hufgetrappel hören, erwarten Sie nicht, ein Zebra zu sehen.' Im Kontext bedeutet dieser Rat, dass die zukünftigen Ärzt*innen in ihrem Berufsalltag nach den häufigeren und üblicheren, nicht nach den überraschenden Diagnosen suchen sollten. Seit Kurzem weiss ich, dass ich 'ein Zebra'."
Sarah Staub in einem Text auf RefLab

Ein Bibelvers - Lukas 24,38-40

"Jesus sagte zu ihnen: 'Warum seid ihr so erschrocken? Und warum zweifelt ihr in euren Herzen? Ich bin es wirklich: Seht meine Hände und Füße an. Fasst mich an und überzeugt euch selbst – ein Geist hat weder Fleisch noch Knochen, wie ihr sie bei mir sehen könnt.' Während er das sagte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße."

Eine Anregung

"Willkommen in der aargauischen Pampa." So begrüsste gestern Pfarrer Thomas Matter die Angereisten zum Weiterbildungsanlass für Pfarrpersonen der Evangelisch-methodistischen Kirche in der Propstei Wislikofen.

Das kommt mir in den Sinn heute Morgen, während der Girlitz sein heiseres Lied singt vor meiner Suite. Vom Wald her meldet sich der Schwarzspecht. Ackerfelder wechseln sich ab mit Wiesen und Fruchtfeldern. Die Sonne kämpft sich über den Hügel langsam hinab zu den Häusern, die sich ums Bildungszentrum herum gruppieren. Ich höre eine Kuh muhen. Auch der Stiglitz singt sein Lied und der Hausrotschwanz, den ich gestern schon hörte. Die Rauchschwalben fliegen noch nicht, auch nicht die Mauersegler. Ein Rotmilan, den Kopf wie zum Gebet gesenkt schwebt langsam über den Baum, in dem der Girlitz verstummt. Eine Frau hat ihr Auto auf ein Parkfeld gestellt, raucht bei laufendem Motor eine Zigarette, bis nach etwa 10 Minuten eine weitere Frau heraneilt und ins Auto steigt. Sie fahren los, wohl zur Arbeit. Ein Mann mit schwarzem Hund dokumentiert den Spaziergang mit seinem Handy. Ein anderer, älterer Herr mit Hosenträgern fotografiert eine dieser Gelben Walzmaschinen, wie sie im Baugewerbe zum Einsatz kommen.

Mein Zimmer in der Propstei ist ohne Fernseher, dafür hat es ein Himmelbett. Der Rotwein, den wir gestern zu Viert getrunken haben, erinnert mit seinem Namen an ein anderes Koster, das Kloster Sion in Klingnau. Sowohl die Propstei Wislikofen wie auch das Kloster Sion waren einige Zeit lang vom Kloster St. Blasien im Südschwarzwald abhängig. Beide Klöster wurden etwa zur gleichen Zeit im Prozess der Säkularisierung um 1807-1810 aufgehoben. Genauso wie auch das Mutterkloster St. Blasien. Säkularisierung - das gab es also schon vor 200 Jahren.

Heute ist die Propstei wieder eine kirchliche Einrichtung, ein Bildungszentrum der Römisch-katholischen Kirche. In diesen Tagen beschäftigen wir uns mit Körperlichkeit und Spiritualität. Begonnen hatte es gestern Abend mit einer Lesung von Sarah Staub. Sie lebt, so sagt sie selbst, mit einer "Behinderung", die von einem Gendefekt herrührt, dem Ehlers Danlos Syndrom. Zwei ihrer gelesenen Texte können bei Reflab gefunden werden. Einmal "Der behinderte Gott" und dann "Das Therapiebad, meine Kirche".

Probstei Wislikofen, Aargauer Pampa, Körperlichkeit; mal schauen, ob der Ort für mich zu einem Therapiebad wird für Leib, Seele und Geist.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

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