Widerstand für Verkehrsprojekt: Bündnis “Schiene vor TVO” gegründet | entwicklungsstadt berlin

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Widerstand für Verkehrsprojekt: Bündnis “Schiene vor TVO” gegründet

Seit Jahrzehnten gibt es Planungen für eine “Tangentialverbindung Ost” genannte Schnellstraße im Südosten der Hauptstadt. Während das Planfeststellungsverfahren läuft, haben sich zahlreiche Gruppen und Initiativen im Bündnis “Schiene vor TVO” klar gegen das Bauvorhaben positioniert.

So könnte eine mögliche Streckenführung der Entlastungsstraße “TVO” von Biesdorf nach Köpenick aussehen. Der konkrete Streckenverlauf steht bislang aber nicht fest. / © Open Street Map

© Foto Titelbild: depositphotos.com
Text: Björn Leffler

 

Seit Jahrzehnten gibt es die Planungen für eine “Tangentialverbindung Ost” genannte, vorgesehene Streckenführung im Osten der Hauptstadt bereits. Realisiert wurde das Verkehrsprojekt bislang jedoch nicht. Ende 2023 hat das Vorhaben allerdings eine wichtige Hürde genommen.

Gemäß der Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD hat der Start des Planfeststellungsverfahrens für die “TVO” genannte Schnellstraße begonnen. Ende November 2023 hatte die Verkehrs- und Umweltverwaltung 21 Aktenordner mit Antragsunterlagen bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingereicht.

“TVO”: Viele Bürger versprechen sich eine Entlastung der Durchgangsstraßen

Viele Bürger in den betroffenen Bezirken bewerten die “TVO” als ein zentrales Verkehrsprojekt zur Entlastung der Durchgangsstraßen in den östlichen Randbezirken. Doch von Beginn an hat das Projekt auch mit Widerstand durch mehrere Gruppen und Bündnisse zu kämpfen.

Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND Berlin), äußerte sich bereits im vergangenen Jahr wie folgt zum Projekt: “Wir lehnen den Bau der TVO ab. Genauso wie weitere Berliner Hochleistungsstraßen-Projekte wie den Weiterbau der A100 von Treptow bis Prenzlauer Berg und die Südost-Verbindung SOV von Baumschulenweg nach Neukölln.”

Klimaaktivisten besetzten im vergangenen Jahr mehrere Bäume in der Wuhlheide

In der Wuhlheide selbst, die vom Straßenprojekt direkt betroffen wäre, hatten Klimaaktivisten im Mai vergangenen Jahres sogar ein Protestcamp eingerichtet. Die Baumbesetzer protestierten mehrere Tage lang unter dem Motto “Wuhli bleibt” dafür, die Planungen für die “TVO” zu beenden, da aus ihrer Sicht bis zu 15 Hektar Wald für das Projekt geopfert werden müssten.

Nun haben sich die Umweltaktivisten in einem Bündnis namens “Schiene vor TVO” gegen das geplante Bauvorhaben zusammengetan und dies am gestrigen Mittwoch in einer offiziellen Pressekonferenz kundgetan.

Neues Bündnis “Schiene vor TVO” wurde am 2. Mai gegründet

Am 2. Mai hat sich das Bündnis nach Angaben der Organisatoren gegründet. Unterschiedlichste Initiativen, Fachverbände und politische Akteure wollen in diesem Bündnis ihre Kräfte verbinden und gegen das Verkehrsprojekt vorgehen.

Wir zeigen: Hinter der Kritik an der Straßen-TVO stehen berechtigte und anschlussfähige Argumente! Wer aus strategischem Kalkül heraus Kritik an der TVO als ‚ideologisch motiviert‘ abtut, tut dies nur um zu verhindern, dass diese Argumente angehört werden“, betont Stephan Führ von der Bürgerinitiative Wuhlheide, der auch Mitinitiator des Aktionsbündnisses ist.

Bündnis befürchtet Nachteile für Verkehrswende im Osten Berlins

Wenn nicht nur zusätzlicher Kfz-Verkehr angezogen, sondern die Entlastung von Durchgangsverkehr in Biesdorf Ziel der Planung sein soll, dann muss eine Verkehrsberuhigung der Köpenicker Straße im Sinne des Umweltverbundes Teil der Planung sein“, sagt Heiner von Marschall vom Verkehrsclub Deutschland NordOst, der ebenfalls Mitglied des Bündnisses ist.

Konsens besteht innerhalb des Bündnisses insbesondere darin, dass die Umsetzung der aktuellen Senatspläne deutliche Nachteile für die auch im Berliner Osten drängende Mobilitätswende hätte. Das Ziel des Bündnisses ist deshalb, die Berliner Öffentlichkeit besser über die weitreichenden Folgen der aktuellen Planung aufzuklären.

“überfällige politische Entscheidung für Neustart des Vorhabens”

Gemeinsam fordern die am Bündnis beteiligten Gruppen wörtlich die “längst überfällige politische Entscheidung für einen zielpolitischen Neustart des Vorhabens“. Zu kritisieren sei aus ihrer Sicht besonders der verschwenderische Umgang mit knappen und schützenswerten Ressourcen ohne mobilitätspolitische Notwendigkeit und jegliche klimapolitische Vernunft.

Besonders die Dimension der geplanten Entlastungsstraße steht im Fokus der Kritik der Aktivisten. Durch die vorherrschende Fixierung auf eine vierspurige Umsetzung der “TVO” werden die vom Senat vorangetriebenen Pläne aus Sicht des Bündnisses zu einer “Verhinderungsplanung” gegen den nach Mobilitätsgesetz zu priorisierenden Ausbau sozial- und umweltgerechter Alternativen durch den ÖPNV und insbesondere die Schiene.

Bündnis kritisiert das Vorgehen, Straße vor Schiene zu priorisieren

Auch Martin Pogatzki vom Fahrgastverband PRO BAHN äußert sich kritisch zum Bauvorhaben: “Mit diesem einseitigen Vorgehen wird versucht, Tatsachen zu schaffen, die den öffentlichen Personennahverkehr hintenanstellen. In diesem Verkehrskorridor zuerst die Straße zu bauen, würde die Realisierung der Nahverkehrstangente aus Platzgründen immens verteuern und damit de facto verhindern.

Weitere Beteiligte des Bündnisses sind unter anderem die Bürgerinitiative A100, die Bürgerinitiative Westtangente, das Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg, der Verein Fuss e.V., der Lichtenberger Klimabeirat AG Mobilität, die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft und der Volksentscheid Berlin autofrei.

Geplant ist derzeit, die “TVO” mit zwei Fahrstreifen pro Richtung auszustatten. Die konkrete Streckenführung ist noch nicht final, favorisiert wird derzeit eine Variante, die nah an der bestehenden Bahntrasse zwischen den Bahnhöfen Biesdorf und Wuhlheide entlang geführt wird.

Berliner Senat rechnet bis 2030 mit 33.000 Fahrzeugen auf der Strecke

Bis zum Jahr 2030 erwartet der Berliner Senat an Werktagen ein Nutzungspotenzial von 22.000 bis 33.000 Kraftfahrzeugen auf der Strecke. Das Konzept für einen Straßen-Lückenschluss zwischen Marzahn und Köpenick geht zurück auf den 1969 verabschiedeten Generalverkehrsplan von Berlin.

Beabsichtigt war schon damals, benachbarte Wohngebiete in Biesdorf und Köpenick durch das Verkehrskonzept zu entlasten. Die schwarzrote Berliner Regierungskoalition, die das Vorhaben nun endlich umsetzen will, muss in den kommenden Jahren wohl mit gehörigem Gegenwind rechnen.

 

Quellen: Bündnis “Schiene vor TVO”, Berliner Woche, Koalitionsvertrag CDU & SPD, mario-czaja.de, Wikipedia, RBB, Berliner Morgenpost, Berliner Zeitung, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Bürgerinitiative Wuhlheide, VCD NordOst, Fahrgastverband PRO BAHN

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