Oscar auf Toilette vergessen: Meryl Streep erzählt in Cannes aus ihrem Leben

Oscar auf Toilette vergessen: Meryl Streep erzählt in Cannes aus ihrem Leben

Die Auszeichnung mit der Ehrenpalme feiert die US-Schauspielerin bis 3 Uhr morgens. Am nächsten Tag gerät sie in Plauderlaune, während zahlreiche MeToo-Betroffene in Cannes eintreffen. 

US-Schauspielerin Meryl Streep spricht bei einem sogenannten „Rendez-vous“ auf dem <a href="https://www.berliner-zeitung.de/stil-individualitaet/tops-und-flops-aus-cannes-klum-bis-schweighoefer-die-deutschen-koennens-einfach-nicht-li.2215213">Filmfestival in Cannes</a>&nbsp;über ihr Leben.&nbsp;
US-Schauspielerin Meryl Streep spricht bei einem sogenannten „Rendez-vous“ auf dem Filmfestival in Cannes über ihr Leben. Abacapress/Imago

Meryl Streep hat ihren ersten Oscar auf der Toilette vergessen, bei Dreharbeiten einen riesigen Käfer unter der Bluse ignoriert - und sie hat ihre Ehrenpalme in Cannes bis um drei Uhr morgens gefeiert: Die US-Schauspielerin erzählte bei einem „Rendez-vous“ auf dem Filmfestival in Cannes am Mittwoch zahlreiche vergnügliche Anekdoten aus ihrer Karriere.

„Ja, ich habe ihn auf der Toilette gelassen“, erinnerte sie sich amüsiert an ihren ersten Oscar, den sie 1980 für ihre Rolle im Scheidungsdrama „Kramer gegen Kramer“ erhalten hatte. Sie habe ihr langes Abendkleid mit beiden Händen hochheben müssen und deswegen den Oscar auf den Boden gestellt. „Und dann habe ich vergessen, dass er da stand“, sagte sie. Die nächste Toilettenbenutzerin habe ihn aber gefunden.

Streep war bei der Eröffnungsfeier des Filmfestivals mit einer Ehrenpalme für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. Das Publikum in Cannes feierte die Grande Dame von Hollywood begeistert. Obwohl sie zahlreiche Filmpreise erhalten hat und bei den Oscars die meistnominierte Schauspielerin aller Zeiten ist, war sie erst zum zweiten Mal in Cannes - zum ersten Mal seit 35 Jahren.

Meryl Streep: „Ich bräuchte neun Leibwächter“

„Damals sagte man mir, ich bräuchte neun Leibwächter, aber tatsächlich hätte ich zwölf gebraucht“, sagte sie mit Blick auf das damalige Festival, das noch ohne Sicherheitsschranken auskam. „Das war echt wild damals“, meinte sie.

Wild war es wohl auch bei den Dreharbeiten für den Film „Jenseits von Afrika“ an der Seite von Robert Redford. Kurz vor ihrem Auftritt sei ihr ein Insekt in den Kragen gerutscht. „Ich hatte Angst, dass es mich beißen würde“, sagte sie. Sie habe so getan, als sei nichts gewesen und sich erst am Ende der Szene davon befreit. „Es war ein Käfer so groß wie meine Hand“, erinnerte sie sich.

Meryl Streep zeigte sich begeistert, dass immer mehr Frauen im Filmgeschäft erfolgreich sind. „Heute haben so viele ihre eigene Produktion“, sagte sie mit Blick auf Schauspielkolleginnen wie Reese Witherspoon und Nicole Kidman, die auch Produzentinnen sind. „Ich hatte auch meine eigene Produktion: Babys“, meinte Meryl Streep, Mutter von vier Kindern, lachend.

1000 MeToo-Betroffene in Cannes: Judith Godrèche stellt Kurzfilm vor

So viele bekennende MeToo-Betroffene waren noch nie in Cannes zu sehen: Die französische Schauspielerin Judith Godrèche, die in Frankreich als Ikone der Bewegung gilt, stellte am Mittwoch einen Kurzfilm mit dem Titel „Moi aussi“ (französische für Metoo - Ich auch) vor. Darin treten 1000 Frauen und Männer auf, die sich als Opfer sexueller Gewalt sehen. Der 17 Minuten dauernde Film wurde zur Eröffnung der renommierten Nebenreihe „Un certain regard“ außerhalb des Wettbewerbs gezeigt.

„Dein Engagement und Dein Kampf sind die unsrigen“, sagte Festivalchef Thierry Frémaux an die Adresse von Godrèche, die für ihren Film viel Beifall erhielt.

„Diese Menschen teilen alle dasselbe Gefühl der Scham“, hatte Godrèche zuvor gesagt. Die Schauspielerin hatte selbst mit einer Klage gegen zwei bekannte Filmemacher Aufsehen erregt. „Ein Grund, warum so viele Menschen es nicht schaffen, darüber zu reden, ist, dass sie Angst haben, ihre Arbeit zu verlieren“, erklärt sie. Die Idee zu dem Film sei ihr gekommen, als sie nach ihrer eigenen Klage innerhalb von zwei Wochen etwa 5000 E-Mails von Betroffenen erhielt.

„Moi aussi“: Film wurde an einem Tag in Paris gedreht

Tausend von ihnen lud sie ein, bei ihrem Film mitzumachen, der innerhalb eines einzigen Tages in Paris gedreht wurde. Unter ihnen sind junge Frauen, deren Erfahrung mit sexueller Gewalt noch frisch ist, aber auch Seniorinnen, die Jahrzehnte lang über eine leidvolle Erfahrung geschwiegen haben.

In den vergangenen Jahren hatten sich mehr und mehr Frauen dazu durchgerungen, ihre Geschichte zu erzählen - teils anonym in Medien, teils unter Angabe ihrer Identität auf einer Polizeiwache, wo sie auf mehr oder weniger dafür sensibilisiertes Personal stießen.

Nach Einschätzung einer französischen Frauenrechtsorganisation sei mit der wachsenden Zahl der Klagen allerdings auch die Zahl der eingestellten Verfahren gestiegen. 2022 wurden nach Informationen von Le Monde 94 Prozent aller Verfahren wegen sexueller Gewalt eingestellt.

Godrèche hatte in Frankreich eine Untersuchungskommission zu sexueller Gewalt in der Filmbranche angeregt. Sie verglich die Kinowelt in ihrem Land mit einer „Familie, wo sich niemand traut, einen anderen anzuzeigen“. Bei einer Anhörung vor dem Senatsausschuss sagte sie: „Wir müssen aufhören, so zu tun, als wüssten wir nichts.“

Godrèche forderte unter anderem strengere Regeln für Dreharbeiten mit Minderjährigen sowie einen unabhängigen Referenten. Die Kontrollen müssten verschärft werden, so dass Kinder und Jugendliche bei Dreharbeiten und Castings niemals allein blieben.

Godrèche, die den Regisseuren Benoît Jacquot und Jacques Doillon vorwirft, sie als Minderjährige sexuell missbraucht zu haben, hatte bereits bei der Verleihung der César-Filmpreise eine Aufsehen erregende Rede zu dem Thema gehalten. Darin prangerte sie „das Ausmaß an Straflosigkeit, Leugnen und Privilegiertheit“ im Film-Milieu an.

Die MeToo-Bewegung ist in Frankreich wieder aufgeflammt, seit sich Vorwürfe gegen den Schauspielstar Gérard Depardieu mehren. Depardieu muss sich im Oktober erstmals in zwei Fällen sexueller Gewalt vor Gericht verantworten.

Präsident Emmanuel Macron hatte Depardieu anfangs mehrfach öffentlich in Schutz genommen und auf die Unschuldsvermutung verwiesen. Kurz vor Cannes nuancierte er seine Aussagen in einem Interview mit „Elle“.

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