Muntean/Rosenblum im Städel Frankfurt: Jung und schon so traurig
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Muntean/Rosenblum im Städel Frankfurt: Jung und schon so traurig

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Muntean/Rosenblum, Untitled („We do not have...“), 2023. Foto: Muntean/Rosenblum, Sandro E.E. Zanzinger Photographie 2023
Muntean/Rosenblum, Untitled („We do not have...“), 2023. Foto: Muntean/Rosenblum, Sandro E.E. Zanzinger Photographie 2023 © ©Sandro E. E. Zanzinger

Das Städel Museum Frankfurt präsentiert mit „Mirror of Thoughts“ ausgewählte Werke von Mark Muntean und Adi Rosenblum.

Ein Konzertsaal, das Licht strahlt von der Bühne, man sieht vier Jugendliche beim Feiern. Wobei; feiern sie wirklich? Freude sieht jedenfalls anders aus - ihre Blicke! Melancholisch schauen sie aus dem Bild heraus, sie nehmen sich gegenseitig nicht wahr, jede und jeder bleibt sonderbar abgekapselt für sich. Diese jungen Menschen scheinen wie hineingerutscht in ein fremdes, unbehagliches Setting.

Rein technisch gesehen ist das in den Werken des Künstlerduos Muntean/Rosenblum, die im Städel Museum in der Ausstellung „Mirror of Thoughts“ zu sehen sind, genau so geschehen: Seit den 90ern arbeiten Markus Muntean (geboren 1962 in Graz) und Adi Rosenblum (geboren 1962 in Haifa) zusammen; sie finden ihre Protagonistinnen und Protagonisten in Lifestyle-Magazinen oder im Internet. Es sind meist normschöne Jugendliche, die sie mithilfe eines Computerprogramms in ein Setting hinein-arrangieren und die Collage malerisch auf eine Leinwand übertragen. Ein „Sampling von Bildinformationen“ nennt das die neue Leiterin der Sammlung Gegenwartskunst und Kuratorin der Ausstellung Svenja Grosser. Elf Gemälde und eine Filmarbeit sind zu sehen.

Von Weitem könnte man fast meinen, dass die großformatigen Arbeiten fotorealistische Malereien sind, aber geht man näher heran, erkennt man den lockeren Duktus, mit dem etwa Blumen auf die Leinwand gebracht wurden, oder die Pastellkreiden-Striche, mit denen Highlights betont und Lichtreflexe verstärkt werden. Die Orte, an denen sich die Jugendlichen befinden: ein verlassenes Parkdeck, ein alter Konzertsaal, Rolltreppen irgendwo in einem Untergeschoss, möglicherweise in einem Einkaufszentrum, ein kalter, gläserner Warteraum, ein Flughafen-Wartebereich, eine dunkle Straße. Es sind beklemmende und rätselhafte Orte.

Svenja Grosser hat sich dafür entschieden, einen Fokus auf diese „Nicht-Orte“, „non-lieus“ im Sinne des französischen Anthropologen Marc Augé, im Werk von Muntean/Rosenblum zu legen. An ihnen trifft Tristesse auf Identitätssuche, Individualität auf Zweckbau. Man könne sich Gedanken darüber machen, wie sich Menschen an diesen Orten ent-individualisieren, sagt Grosser: „Sie werden zum Hotelgast, zur Passagiernummer.“ Zugleich interessiere sich das Künstlerduo für Schwebezustände; besonders den der Jugend, der in der Gesellschaft idealisiert wird und an den sich viele Menschen klammern.

Diese Jugendlichen allerdings scheinen wenig happy zu sein, seltsam zusammenhangslos sind sie in eine Welt gebeamt, die sie womöglich langweilt. Es entwickelt sich keine Narration. Leere und Anonymität, Fremdheit, Einsamkeit erinnern an Edward-Hopper-Bilder. Die Gemälde des Künstlerduos wirken auch ähnlich geheimnisvoll: „Exit“-Schilder tauchen als Symbole auf, undeutlich sind im Hintergrund manchmal weitere Menschen zu erkennen, deren Handlung unklar bleibt.

Auf dem Bild „Untitled (,To go wrong...‘)“ von 2010 liegt ein halbnackter Mann zusammengekauert im Bett eines Hotelzimmers, während ein anderer, mit einem Hoodie bekleideter Mann, mit dem Rücken zum Betrachter an einem Fenster steht, dessen Vorhänge zugezogen sind. Ein solches Werk öffnet den Raum für Imaginationen.

Eine zusätzliche Bedeutungsebene ergibt sich durch Zitate, die unter den Bildern stehen. Sie stammen von bekannten Autorinnen und Autoren, etwa Virginia Woolf, Fjodor Dostojewski oder Rebecca Solnit, allerdings werden sie als Urheber:innen nicht genannt. Ein wenig spielt die Bild-Text-Ästhetik auf Pop-Art und Comics an. Die Leinwände sind nicht eingerahmt, sondern mithilfe von Ösen direkt an der Wand befestigt - eine unprätentiöse Präsentation.

Zwei Gemälde sind extra für die Städel-Ausstellung entstanden: Schwarz-Weiß-Bilder, auf denen im Hintergrund eine Skyline zu sehen ist mit Hochhäusern und Industrie - möglicherweise Frankfurt? Ein Gemälde zeigt die traurigen Jugendlichen beim Parcours: In der Bildmitte ist ein junger Mann mit nacktem Oberkörper im Sprung abgebildet, die Arme weit ausgestreckt, eine Hand deutet in den Himmel, hinter ihm leuchten die Wolken. Man denkt an Vorbilder aus der Renaissance oder dem Barock, hier allerdings: eine Himmelfahrt in Turnschuhen. Das Künstlerduo spielt mit dem kunstgeschichtlichen Bildgedächtnis, sagt Grosser: Immer wieder sieht man Motive, Posen und Kompositionen, die an vergangene Kunstepochen und zum Beispiel an Madonnen- oder Heiligendarstellungen erinnern.

Wenn man möchte, kann man sich beim Betrachten der Bilder einen weiteren kunsthistorischen Gedanken durch den Kopf gehen lassen. Nämlich, dass diese Bilder möglicherweise gar nicht so figurativ sind, wie sie scheinen: Die anonymen jungen Menschen, die den Lifestyle-Magazinen entrissen sind und einer gemeinsamen künstlerischen Handschrift untergeordnet werden, sind keine Individuen mehr. Ihre Umgebung und ihr Bezug zu ihr bleiben im Unklaren. Womöglich, überlegt Grosser, handelt es sich hier sogar eher um Abstraktion als um Figuration?

Städel Museum, Frankfurt: bis 1. Dezember. staedelmuseum.de

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