Die Wissenschaft steht vor einem Klima-Dilemma: Wie spricht man richtig mit Menschen über etwas, das Angst macht?

Die Wissenschaft steht vor einem Klima-Dilemma: Wie spricht man richtig mit Menschen über etwas, das Angst macht?

»Wie viel Angst vor der Klimakrise braucht es, um sie abzuwenden, ohne vor ihr tatenlos zu resignieren?« Wir geben mit der Hilfe zweier Klimawissenschaftler eine mögliche Antwort.

Wie gut oder schlecht werden wir auf der Erde von Morgen leben können? (Quelle: stock.adobe.com - appledesign) Wie gut oder schlecht werden wir auf der Erde von Morgen leben können? (Quelle: stock.adobe.com - appledesign)

Seit Jahrzehnten warnt eine überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler vor der sich schleichend aufbäumenden Klimakrise. Doch stehen alle, die der Gesellschaft ihre Erkenntnisse mitteilen wollen, vor einem Dilemma:

Wie eindringlich, mit welcher mitunter bildmalerischen Rhetorik, sollte vor den gravierenden Veränderungen durch den Klimawandel gewarnt werden?

Wir gehen dieser Frage nach und haben dafür mit dem deutschen Klimaschutzforscher Dr. Volker Stelzer gesprochen und ihn um seine Meinung zur bei CNN erschienenen Kolumne seines Kollegen Professor Bill McGuire gebeten.

Unter dem übersetzten Titel Ich bin Klimawissenschaftler. Wenn ihr wüsstet, was ich weiß, wärt ihr auch verängstigt hadert McGuire mit der Verantwortung seines Forschungsbereiches.

  • McGuire ist sich im Ruhestand befindender Professor für geophysikalische und klimatische Bedrohungen vom University College London und Autor des Werkes Hothouse Earth: An Inhabitant’s Guide.
  • Volker Stelzer ist Mitglied der Forschungsgruppe Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel. Zudem sitzt er im Fachkollegium der Scientists for Future (S4F) und ist Co-Leiter der Regionalgruppe Karlsruhe der S4F.

Aber ist Angst ein guter Motivator? Würden Menschen, wenn sie von der Wissenschaft anhaltend, ungefiltert und kompromisslos mit Fakten, Bildern und Geschichten über die Klimakrise konfrontiert werden, nicht eher resignieren?

Was meint Bill McGuire?

Bill McGuire verweist unter anderem auf eine Studie mit zehntausend jungen Menschen (16 bis 25 Jahre alt) aus zehn Ländern.

Nach dieser sind die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer teils sogar extrem besorgt über den Klimawandel. Etwa 45 Prozent sagen, dass ihre Gefühle und Gedanken dazu sich negativ auf ihren Alltag auswirken. Als einen möglichen Grund für die negativen Gefühle und Sorgen nennt die Studie eine Unzufriedenheit mit den staatlichen Antworten und Maßnahmen gegen den Klimawandel.

Zudem gebe es allerorts Menschen, die sich von den Fakten abgewandt haben oder diejenigen, die vor den Folgen des Kimawandels warnen, als zu extrem herunterspielen.

Klima-Appeasement, also das Klein- oder gar Abreden von allem, was da kommen mag, stehe hoch im Kurs, egal ob aus Trotz oder aus politischer Agenda. McGuire ist überzeugt, dass eine Aufweichung der Realität nicht helfe:

Die Wahrheit ist, die Menschen können es ertragen, wenn sie wissen, dass da Hoffnung ist und sie zumindest helfen können, Schlimmeres abzuwenden.

Professor Bill McGuire

Laut ihm haben alle Menschen das Recht, die ganze Schwere der Situation erklärt zu bekommen. Er ist überzeugt, dies könne transformative Wirkung beim Einzelnen entfalten. Eine zweite Studie, die er zitiert, deutet ähnliches an, indem sie eher auf die aufrüttelnde als auf die lähmende Wirkung verweist - wenn Hoffnung Teil der Mahnung ist.

Information plus Hoffnung

Der Klimawandel bringt viele Veränderungen. Nicht jeder Ort wird dasselbe erdulden müssen, aber jeder Fleck wird sich wandeln - meist für uns zum Schlechten. (Quelle: stock.adobe.com - Icons-Studio) Der Klimawandel bringt viele Veränderungen. Nicht jeder Ort wird dasselbe erdulden müssen, aber jeder Fleck wird sich wandeln - meist für uns zum Schlechten. (Quelle: stock.adobe.com - Icons-Studio)

»Eine sehr nachvollziehbare Reaktion«, meint Volker Stelzer mit Blick auf die Resignation Einzelner und erzählt von Studien zu Depressionserkrankungen oder Berichten zum vermehrten Verzicht auf Kinder aus Angst vor der Katastrophenwelt von morgen. Er setze auch deshalb voll auf den Aspekt, den die zweite Studie aufzeigt: Information plus Hoffnung.

Wir müssen beides bewusst und exakt kommunizieren, zum einen die warnenden, aber auch die Fakten, die Hoffnung machen. Denn es kann funktionieren, da es das schonmal hat.

Dr. Volker Stelzer

Auch wenn Herausforderungen wie das Ozonloch, Flüsse wie Kloaken oder saurer Regen kleiner waren, als im Vergleich unbedeutend sollte sie niemand bezeichnen. »Und wir haben sie überwunden.«

Es sind also laut Stelzer globale Veränderungen für ein ambitioniertes Ziel möglich. Derweil wäre die erreichte Welt ja zudem ein in vielen Punkten besserer Ort zum Leben. Lärmverschmutzung durch den Straßenverkehr wäre beispielsweise laut Stelzer dank den in der Breite eingesetzten leisen Elektromotoren passé.

Derweil bittet er um Mäßigung: Denn egal, wie drastisch die Lage und die Notwendigkeit ungeschönt vorgetragener Fakten auch sei: Endzeit-Wortwahl lehnt er ab, zum Beispiel: »Die Menschheit wird aussterben, sie wird vernichtet oder untergehen.«

Denn egal wie schlimm es auch werde, »so heiß kriegen wir die Erde nicht«, ordnet Stelzer ein. »Es werden in jedem Fall Menschen überleben, wenn auch vielleicht größtenteils abgeschottet in Enklaven der Reichen.« Jeder Wissenschaftler müsse verantwortungsvoll kommunizieren, simple Panikmache sei keine Lösung.

Jede Klima-Mahnung trifft auf unzählige Individuen

Waldbrände sind elementarer Bestandteil vieler Ökosysteme auf der Erde. Aber die Klimakrise wird sie in Häufigkeit und Intensität anschwellen lassen. (Quelle: stock.adobe.com - Michal) Waldbrände sind elementarer Bestandteil vieler Ökosysteme auf der Erde. Aber die Klimakrise wird sie in Häufigkeit und Intensität anschwellen lassen. (Quelle: stock.adobe.com - Michal)

Leider begegne ihm das Verleugnen des menschengemachten Klimawandels ebenfalls oft auf der Straße. Hier sieht er das geduldige Argumentieren als einzigen Ausweg sieht.

Wir müssen zum Glück nicht alle überzeugen, nur genug, um den gesellschaftlichen Wandel schrittweise voranzubringen.

Dr. Volker Stelzer

Ein Problem sieht er aber bei McGuires Argumentation jenseits weitestgehender Zustimmung. Und zwar geht es dabei um dessen augenscheinliche Wahrnehmung einer homogeneren Gruppe, als er es erlebe.

Letzten Endes träfe alles, egal wie sie als Wissenschaftler kommunizieren, welche Wortwahl sie auch treffen, wie dramatisch sie auch immer ausfalle, auf Individuen. Wer wie reagiert sei zwar abschätzbar, aber keinesfalls in jedem Fall klar. Chronische Klimaangst, wie sie auch die zweit-verlinkte Studie teils identifiziert, sei kein Automatismus.

Was den einen in eine Krise stürzt oder resignieren lässt, motiviere andere vielleicht, das Ruder herumreißen zu wollen. Letzteres erlebe er bei Fridays for Future am laufenden Band - gefühlt öfter, als es McGuire argumentativ nahelegt.

Volker Stelzer hat mit seinem Team ein Projekt umgesetzt, in dem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene positive Zukunftsvisionen entwickeln. In unter Future-Fiction eingeschickten Videos und Texten, haben sie ihrer Hoffnung auf eine gelungene Transformation im Zuge einer überwundenen Klimakrise eine les- und betrachtbare Form gegeben. Herausgekommen sind zahlreiche ausgezeichnete Werke, die kostenlos gelesen und angeschaut werden können.

Gemeinsam zum Ziel

Letztendlich stimmen Bill McGuire und Volker Stelzer in ihrem Fazit quasi überein: Sucht euch Gleichgesinnte, bleibt nicht in der Angst und Ratlosigkeit allein, fordert Stelzer auf und auch sein britischer Kollege sieht darin die beste Chance, um Veränderungen anzustoßen und Resignation in gefühlter Einsamkeit entgegenzuwirken.

Gemeinsam könne man etwas am System oder bei den Institutionen bewegen. Beispielsweise bei der Energieversorgung der Zukunft. Wenn sie zu erheblichen Teilen dank Solarstrom auf jedem Dach in den Händen der Bürgerinnen und Bürger läge, könnte hieraus als erfreuliche Nebenfacette ein neuer Sinn für Gemeinschaft entstehen.

Generell gelte: Wenn laut Stelzer eine verantwortungsvolle Politik von oben auf eine mitmachende Bevölkerung trifft, die den Impuls zum Wandel weiterträgt, kann sogar die dargestellte bessere Welt entstehen. »Wir brauchen entschlossene Politiker, die entschieden die Transformation vorantreiben.«

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