Rene Repasi (SPD) im Interview zur Europawahl
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Spitzenkandidat in Baden-Württemberg 

SPD-Europakandidat Repasi: „Pro-europäische Mehrheit geht nur mit uns“

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Allen Orakeln eines Rechtsrucks zum Trotz: Die SPD wird im nächsten EU-Parlament eine entscheidende Rolle einnehmen, sagt ihr Spitzenkandidat im Südwesten, René Repasi.
Veröffentlicht:21.05.2024, 18:00

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Allen Orakeln eines Rechtsrucks zum Trotz: Die SPD wird im kommenden Europaparlament eine entscheidende Rolle einnehmen, sagt ihr Spitzenkandidat im Südwesten, René Repasi. Im Interview erklärt er, warum.

Ein Kollege aus Ihrer Fraktion, Matthias Ecke, wurde am 3. Mai beim Plakatieren in Dresden angegriffen und schwer verletzt. Erleben auch Sie eine aufgeheizte Stimmung im Wahlkampf?

Was Matthias Ecke passiert ist, ist nur die Spitze des Eisbergs. In Baden-Württemberg ist die Situation allerdings noch ein wenig geordneter als im Osten Deutschlands. Wir erleben verbalen Hass, aber noch keinen physischen Hass. Aber es treibt mich um, was sich in dieser Gesellschaft verändert.

Viele erwarten bei der Europawahl einen Rechtsruck. Manfred Weber von der CSU findet freundliche Worte für Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Wie müssen die Sozialdemokraten darauf reagieren?

Frau Meloni ist die neue Generation von Rechts-Autokraten. Sie ist nicht wie der Ungar Victor Orban, der in der EU alle nervt. Sie gibt sich in der EU nett und friedfertig, und deswegen schauen die Europäischen Institutionen nicht so genau hin, was in Italien passiert. Dort fährt Meloni aber einen stramm rechten Kurs. Es ist die Frage, ob Herr Weber ihr wirklich auf den Leim geht.

Und wenn ja?

Eine rechte Mehrheit im Parlament wird es nur geben, wenn Konservative und Liberale mit den Rechten zusammenarbeiten. Herr Weber und die CDU/CSU müssen sich entscheiden. Wenn sie eine pro-europäische, konstruktive Mehrheit für sich und Frau von der Leyen haben wollen, dann geht das nur mit uns. Und wenn es mit uns gehen soll, dann nur ohne die Rechten.

Wenn Sie der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Schulnote geben sollten: Welche wäre das?

Eine 2 bis 3. Mit dem Green Deal, den vor allem ihr Vize Frans Timmermans vorangetrieben hat, ist dieser Kommission unter ihrer Leitung etwas Großes gelungen, ein Umbau der europäischen Wirtschaft. Auf der anderen Seite steht für mich das komplette Versagen dieser Kommission bei der Bekämpfung der Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und in Polen.

Als Parlament haben wir Frau von der Leyen dafür ein Instrument gegeben, den Rechtsstaatsmechanismus, mit dem EU-Gelder zurückgehalten werden können, solange die Rechtsstaatlichkeit in einem Land nicht wiederhergestellt ist. Den hat sie nicht angewandt. Ein weiterer Punkt: Sie hat die EU-Kommission zu einem Akteur der Geopolitik gemacht. Gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine hat sie die Europäische Union mit viel Feingefühl für Geopolitik gut aufgestellt.

Zu den stark beachteten Abstimmungen des EU-Parlaments gehört das Aus für Verbrenner-Motoren ab 2035. CDU und CSU machen Wahlkampf damit, es wieder kassieren zu wollen. Wie stehen Sie dazu? Es geht ja auch um Arbeitsplätze in Baden-Württemberg.

Das ist richtig. Ich glaube aber nicht, dass die Rolle rückwärts die richtige Antwort ist. Schaut man nach China und in die USA, setzen die Wettbewerber auf Elektromobilität. Wenn die deutsche Industrie am Verbrenner festhält, wird sie von der Realität überrollt. Dann sind die Arbeitsplätze auch futsch.

Was also tun?

Die deutsche Autoindustrie muss sich modern aufstellen, und gerade die baden-württembergischen Hersteller tun das auch. Die große Herausforderung liegt im Bereich der Zulieferbetriebe. Da geht es um kleinere und mittlere Unternehmen, die zu 70 bis 80 Prozent Komponenten des Verbrenners herstellen. Denen droht das Aus, wenn sie ihr Wirtschaftsmodell nicht ändern.

Gerade war ich bei einem Unternehmen in Südwürttemberg, das vor wenigen Jahren noch zu 70 Prozent Auto-Komponenten hergestellt hat. Inzwischen stellen sie Bauteile für Elektrolyseure zur Produktion von grünem Wasserstoff her. Allerdings haben sie ein Problem, sie brauchen für einen Großauftrag aus den USA eine Anschubfinanzierung und bekommen sie nirgends. Da braucht es Förderprogramme, damit die Jobs von morgen entstehen.

Einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte im EU-Parlament ist der Verbraucherschutz. Welches Vorhaben ist Ihnen in der nächsten Legislaturperiode wichtig?

Wir müssen uns die Online-Marktplätze noch einmal vornehmen. Meine Pläne dazu wurden im Binnenmarkt-Ausschuss von der rechts-liberalen Mehrheit abgelehnt. Jetzt will ich einen neuen Anlauf starten. Die Diskussion um den Online-Marktplatz Temu zeigt, wie drängend das Thema ist.

Temu wurde 2022 in den USA als Tochter eines Konzerns mit Sitz in China gegründet und tritt als Vermittler zwischen Käufern und Verkäufern auf ...

... dabei geht das Unternehmen mit aggressiven Methoden vor. Es überschwemmt den europäischen Markt mit Billigstprodukten, mit denen europäische Hersteller nicht mithalten können. Billigstlöhne, Kinderarbeit oder Zwangsarbeit bei chinesischen Herstellern können bei solchen Preisen nicht ausgeschlossen werden.

Damit will Temu europäische Anbieter vom Markt verdrängen und schnell seinen Marktanteil vergrößern, um anschließend den europäischen Markt zu dominieren. Dabei werden Verstöße gegen die Produktsicherheit und Gesundheitssicherheit in Kauf genommen und es kommt zu massiven Zollrechtsverstößen. Online-Marktplätze wie Temu müssen in die Verantwortung genommen werden.

Wie das?

Wenn über Online-Marktplätze schädlichen Waren nach Europa kommen, müssen sie verpflichtet werden, das zu stoppen. Und wenn sie das nicht tun, müssen sie haftbar gemacht werden. Temu hat eine europäische Niederlassung, dazu ist es nach unserem Produktrecht verpflichtet. Diese kann haftbar gemacht werden.

Und wenn es nicht anders geht, muss man den Marktzugang entziehen. Zudem muss Temu nach dem Lieferkettengesetz künftig nachweisen, dass es die Menschenrechte in seinen Lieferketten schützt, was bei diesen Preisen schon bezweifelt werden kann. Auch dann kann das Unternehmen für Schäden in Europa haftbar gemacht werden.