Nachdenkliches und Erfreuliches: Wenn Freikirchler Freikirchen bashen

Samstag, 18. Mai 2024

Wenn Freikirchler Freikirchen bashen

Ein Zitat

Frauenfeld - Blick zur Altstadt mit seinen markanten Kirchen.
Foto © Jörg Niederer
"Im Wesentlichen Einheit, in allem Anderen Freiheit, über allem die Liebe."
John Wesley

Ein Bibelvers - Psalm 120,7

"Ich möchte doch nur in Frieden leben. Aber was ich auch sage, sie wollen Krieg."

Eine Anregung

Mit der VIVA Kirche (früher Chrischona) arbeiten wir von der Evangelisch-methodistischen Kirche etwa in der Evangelischen Allianz zusammen. Persönliche Begegnungen bei den Treffen der Pfarrpersonen und Pastoren in Weinfelden und St. Gallen unterstreichen das gute herzliche Miteinander. Umso mehr irritiert es, wenn zwei Vertreter der VIVA Kirche, die erst noch am selben Ort wohnen wie ich, in Frauenfeld, in einem Blogbeitrag mit der Überschrift: "Progressive Übernahme – ein Kommentar zur Generalkonferenz der Methodisten" ein wahres Freikirchenbashing (bashing = schlechtmachen, fertigmachen) betreiben. Dem Text ist abzuspüren, dass die beiden Brüder Paul und Peter Bruderer wohl vor Veröffentlichung des Beitrags nicht das Gespräch gesucht haben mit verantwortlichen Personen aus der Evangelisch-methodistischen Kirche (zumindest nicht mit solchen, welche ihre vorgefasste Meinung nicht teilen). Das wäre aus meiner Sicht ein erster Schritt gewesen, den jemand, der sich aus christlicher Motivation ernsthaft sorgt über die Entwicklung einer anderen Kirche, getan hätte. Solche Gespräche hätten beigetragen, die Einordnung der Generalkonferenz und ihrer Beschlüsse besser zu verstehen. Was die beiden Brüder zusammentragen, ist sicher nicht sinnlos, aber eben auch nicht sinnvoll, es ist leider in schlechter Weise halbsinnig. Das ist besonders perfide, weil dabei die sinnvollen Teile den sinnlosen oder auch einfach falschen Aussagen das Mäntelchen der Wahrheit überstreifen.

Genau solches Vorgehen von einigen Lobbygruppierungen auf der weit konservativen aber auch liberalsten Seite der Evangelisch-methodistischen Kirche haben die Verhandlungen und den Austausch an früheren Generalkonferenzen vergiftet. Ja, es gab Streit in der EMK, da haben die Brüder Bruderer recht. Und im Gefolge dieses Streits wurde an der ausserordentlichen Generalkonferenz 2019 eine Gesetzlichkeit von einer 3/5-Mehrheit eingeführt, welche es wohl vielen christusliebenden Methodistinnen und Methodisten aus allen Lagern unmöglich gemacht hätte, weiter in dieser Kirche zu bleiben. Dass die nachfolgende Trennung vieler Gemeinden von der Evangelisch-methodistischen Kirche in gegenseitigen Respekt so vereinbart wurde, von all dem liest man nichts im Beitrag der beiden Blogger. Dafür wird ein Schreiben einer afrikanischen Minderheitengruppe extra übersetzt. An der Generalkonferenz habe gerade 1/3 der afrikanischen Delegierten dieses Schreiben unterstützt. Die anderen afrikanischen Delegierten waren sich wohl bewusst, dass die Entscheide der diesjährigen Generalkonferenz ihre traditionelle Haltung schützen, und in Fragen der menschlichen Sexualität und beim Eheverständnis keinen Kadavergehorsam im Sinn einer Regenbogenkirche verlangen. Wenn aber mindestens die Hälfte einer Kirche keine Regenbogenkirche sein muss, wie kann da schon im ersten Satz des Bruderer-Beitrags behauptet werden: "Die weltweite Methodistische Kirche ist vergangene Woche zu einer Regenbogenkirche mutiert". Falls aber mit Regenbogenkirche gemeint ist, dass bei Gott und in der Evangelisch-methodistischen Kirche wirklich alle Menschen willkommen sind, ohne Ausnahme und ohne Ansehen der Person, ganz im Sinn des Regenbogens in der Noah-Geschichte als Friedenszeichen Gottes über allen Geschöpfen, dann hoffe ich, dass nicht nur meine Kirche, sondern jede christliche Gemeinschaft eine Regenbogenkirche ist.

Schade, die beiden Mitchristen Paul und Peter Bruderer von der VIVA-Kirche haben mit ihrer unausgegorenen Analyse der Generalkonferenz eines getan: Methodistinnen- und Methodistenbashing. Aber wer weiss, vielleicht gibt es ja irgendeinmal eine Entschuldigung, wenn auch nicht zum Inhalt, so wenigsten über das mich persönlich verletzende, wenig geschwisterliche Vorgehen.

Jörg Niederer ist Pfarrer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen-Teufen

2 Kommentare:

  1. Paul & Peter Bruderer18 Mai, 2024 20:44

    Grüezi Herr Niederer

    Danke für ihren Artikel, auf den wir von einem Bekannten aufmerksam gemacht wurden. Wir sind dankbar, Texte wie ihren zu sehen, weil wir so besser sehen, wie unsere Aussagen ankommen. Wir werden wohl kaum alles so glattbügeln können, dass sie unseren Artikel gut finden. Wo wir faktische Fehler gemacht haben, möchten wir dies auf jeden Fall als Zusatz zu unserem Artikel oder in der Kommentarfunktion richtigstellen.

    Gerne äussern wir uns bezüglich einigen Punkten hier bei ihnen über die Kommentar-Funktion. Vielleicht möchten sie das auch bei uns über denselben Mechanismus tun. Wir pflegen Kommentare eigentlich immer freizuschalten, wenn sie sich auf die Artikel beziehen.

    Wir möchten vorwegschicken, dass unser auf DanielOption publizierter Artikel Ausdruck von unseren persönlichen Ansichten ist und nicht die offizielle Meinung eines Verbandes oder Werkes. Sie haben recht: Paul ist Pastor einer Viva Kirche, aber keiner von uns agiert in einer offiziellen Rolle auf der Ebene des nationalen Verbandes. Wir gehen auch nicht davon aus, dass ihr Artikel eine offizielle Stellungnahme der EMK Schweiz ist, auch wenn er auf dem Blog eines EMK-Bezirks publiziert wurde und von ihnen als Pfarrer geschrieben worden ist. Genauso ist unser Artikel keine Stellungnahme von Viva Kirche. Peter ist Mitglied einer örtlichen Viva Kirche (und übrigens auch der Evangelischen Kirche Frauenfeld).

    Sie legen verständlicherweise Wert darauf, dass Dinge richtig gehandhabt werden. Dann wäre es aber aus unserer Sicht auch wünschenswert, dass sie es vermeiden, unbeteiligte Parteien ins Spiel zu bringen, welche weder im Artikel erwähnt und auch an keinem einzigen Wort unseres Artikels beteiligt sind. Geschweige denn, dass sie über irgendwelche Publikationsabsichten informiert gewesen wären. Wir arbeiten bei DanielOption unabhängig und integrieren auch Stimmen aus verschiedenen Kirchen.

    Wir möchten in unseren Artikeln so sauber arbeiten, wie es geht. So haben wir unseren Artikel über die Generalkonferenz mit mehr als 30 Quellenverweisen versehen. Wir haben den Artikel bereits im Titel als «Kommentar» gekennzeichnet und im Lead als Kommentar «von Aussenstehenden» deklariert. Damit legen wir unsere Rahmenbedingungen offen und bitten gar im Einstiegstext darum, "das Gute, das Wahre und das Nützliche zu behalten und den Rest zu ignorieren."
    (Teil 1/2)

    AntwortenLöschen
  2. Paul & Peter Bruderer18 Mai, 2024 20:44

    Dass ein Kommentar von aussen möglicherweise eine andere Perspektive hat als eine von innen liegt auf der Hand. Sie sehen am Beispiel unseres Artikels, wie die Ereignisse der letzten Jahre und Wochen bei uns ankommen. Sie müssen unsere Sichtweise nicht teilen. Aber wir sollten Sachlage und Meinung versuchen auseinander zu halten. Wir sind sehr interessiert, dass wir von einer korrekten Sachlage reden. Insbesondere in den Hauptpunkten, die wir herausschälen: Die sexualethischen Entscheidungen an der Konferenz, die angenommenen Voten zugunsten einer Verankerung von Abtreibungsrechten und De-Investitionen in Israel. Haben wir in diesen Punkten Fehler drin? Dann bitten wir sie, uns diese aufzuzeigen, damit wir das richtigstellen können. Danke.

    Dass der Regionalisierungsprozess Spielräume bringen soll, dessen sind wir uns bewusst. Die Signale der Generalkonferenz reden dennoch ihre eigene Sprache, die man durchaus kommentieren darf und soll – sie geben aus unserer Sicht die Grundrichtung vor. Wie die Regionalisierungen dann in der Realität durchgespielt werden und was am Ende herausschauen wird, das ist schwer abzusehen, da sind wir wieder im Bereich der Interpretation oder Zukunftsprojektion.

    Wir persönlich sind da schlicht und einfach nicht zuversichtlich, dass Christen und Gemeinden, welche sich den historischen christlichen Positionen in Bereich der Sexualethik verpflichtet fühlen, langfristig in der EMK ihren Raum haben werden. Sie können aber – das haben sie vielleicht in der Hand – dafür sorgen, dass unser Pessimismus eines Gegenteils bewiesen wird, indem sie selbst für diese Christen proaktiv und konkret eintreten. Zum Beispiel indem sie sicherstellen, dass konservativ ausgerichtete EMK-Gemeinden durch das Dienststellenbesetzungssystem keine liberal ausgerichtete Pfarrpersonen vorgesetzt bekommen. Und es würde uns auch freuen, wenn sie sich dafür einsetzen, dass an der EMK Hochschule Reutlingen gleichwertige Ausbildungsangebote für traditionelle Studenten wie für liberale Studenten geschaffen werden resp. erhalten bleiben. Das würde uns sehr freuen, denn es ist nicht so, dass wir der EMK chlechtes wünschen würden. Im Gegenteil: Wir sind seit Jahrzehnten mit Menschen in verschiedenen EMK-Gemeinden verbunden und sehen viel Gutes, welches durch ihre Gemeinden bewirkt wurde.

    Sie haben den Wunsch geäussert, dass wir unseren Artikel im Vorfeld zur Einsicht an die EMK gegeben hätten. Wir hätten das tun können – stimmt – und manchmal tun wir das auch. In diesem Fall wollten wir lediglich eine Aussenperspektive bringen über Ereignisse und Sachlagen, die öffentlich vorliegen. Aus unserer Sicht: Was öffentlich geschrieben wird, darf auch öffentlich besprochen werden und muss nicht immer vorher bei Vertretern abgestimmt werden. In diesem Fall hätten die offiziellen Vertreter vielleicht gewünscht, dass wir den Text gar nicht veröffentlichen, was für uns keine Option war.

    Sollten sie sich auf einen Kaffee treffen wollen, dann sind wir gerne bereit dazu. Und sollten unsere Befürchtungen sich in den kommenden 10 Jahren tatsächlich nicht materialisieren, dann schreiben wir gerne, öffentlich und mit Freude einen Artikel mit dem Titel: «Progressive Übernahme – Warum wir falsch lagen.»

    Mit freundlichen Grüssen
    Paul und Peter Bruderer
    (Teil 2/2)

    AntwortenLöschen