Umgang mit dem Tod: Trauerredner und Bestatter zieht Bilanz
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Tod und Sterben oft noch ein Tabu

Umgang mit dem Tod: Trauerredner und Bestatter zieht Bilanz

Leutkirch / Lesedauer: 4 min

„Man muss mit dem Herzen dabei sein, zuhören können“: Nach 15 Jahren hört der Leutkircher Sven Stöckle, der auch schon als Bestatter gearbeitet hat, als Trauerredner auf.
Veröffentlicht:16.05.2024, 09:00

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„Toll, dass du das machst, aber ich könnte das nicht!“ Diese Reaktion kennt Sven Stöckle nur zu gut, wenn er im Freundes- oder Bekanntenkreis erwähnt, in welcher Branche er lange Zeit tätig war. Er hat nicht nur elf Jahre als Bestatter gearbeitet, sondern auch 15 Jahre lang als Trauerredner. Nun möchte er einen Schnitt machen. „Es ist mir wichtig, zur richtigen Zeit den Punkt zu finden, aufzuhören“, betont der 49-jährige.

Zwischen 20 und 50 Trauerreden im Jahr hat Stöckle in dieser Zeit vorbereitet und gehalten, insgesamt zwischen 400 und 450 Trauerfeiern als Bestatter mitgestaltet. Im Gespräch mit der Redaktion zieht er nach diesem Lebensabschnitt Bilanz: „Ich empfinde es als Privileg, dass mir so viele Menschen ihr Vertrauen geschenkt haben.“

Wie wird man Trauerredner?

Wie wird man Trauerredner? Die berufsständige Organisation umfasst nach eigenen Angaben heute rund 500 Redner deutschlandweit. Sie werden meist von einem Bestattungsunternehmen vermittelt, mit dem sie eng zusammenarbeiten, sind aber auch selbständig tätig.

Auch auf Sven Stöckle trifft das zu. Während der elf Jahre, die er beim Bestattungsinstitut Gredler in Leutkirch arbeitete, war er auch als Trauerredner aktiv - auf selbständiger Basis. Dafür absolvierte er eine Fortbildung auf der „Bestatter-Schule“ in Münnerstadt bei Würzburg, wo er auch mehrere Lehrgänge zum Thema „Hygiene und Versorgung im Bestattungswesen“ durchlief.

Lange Zeit beim Roten Kreuz

„Das Thema Sterben und Tod gehörte immer schon zu meinem beruflichen Werdegang“, betont Sven Stöckle, der heute in der Lungenfachklinik Wangen als Palliativkoordinator arbeitet. Während seiner Lehre als Einzelhandelskaufmann beschloss er, sich für zehn Jahre beim Roten Kreuz zu verpflichten.

Durch die ehrenamtliche Tätigkeit beim Roten Kreuz entstand der Wunsch, eine Ausbildung zum Krankenpfleger zu machen. Etwa 13 Jahre lang arbeitete Stöckle in verschiedenen Bereichen im Pflegedienst.

Praktikum bei einem Bestattungsinstitut

Im Rahmen einer Fortbildung zum Thema „Schmerztherapie und Palliativpflege“ ergriff er die Chance, ein Praktikum bei einem Bestattungsinstitut zu machen. Er fand es interessant. Und machte seine Sache offenbar gut. Denn nach dem Praktikum erfolgte das Angebot, ganz beim Institut zu arbeiten und aus der Krankenpflege auszusteigen.

Zu den klassischen Aufgaben eines Bestatters gehört nicht nur das Überführen eines Leichnams oder dessen hygienische Versorgung.

Sven Stöckle

„Zu den klassischen Aufgaben eines Bestatters gehört nicht nur das Überführen eines Leichnams oder dessen hygienische Versorgung, sondern auch das Beratungsgespräch mit den Angehörigen“, berichtet Stöckle. Dabei werde der Ablauf des Begräbnisses besprochen - und auch immer öfter der Wunsch nach einem nicht kirchlichen, weltlichen Trauerredner geäußert.

Diese Aufgabe hat ihn gereizt. Sie bot ihm die Möglichkeit, eine Trauerfeier „möglichst persönlich und individuell“ zu gestalten.

Wie gelingt eine gute Trauerrede?

Wie gelingt eine gute Trauerrede? „Man muss mit dem Herzen dabei sein, zuhören können. Aber innerlich auch eine gewisse Distanz wahren, um sich selbst zu schützen“, beschreibt Stöckle seine Haltung beim Gespräch mit Angehörigen.

Dies findet meist im Zuhause des Verstorbenen statt. „Das gibt eine Vorstellung, wie der Mensch gelebt hat, was ihm wichtig war.“

Der Trauerredner versucht, zentrale Aspekte im Leben des Toten zu erfahren, um diese dann in die Rede einzuarbeiten. Erschüttert hat Stöckle immer wieder, wie unterschiedlich Biografien verlaufen: Da gibt es den Familienvater, der in mehreren Vereinen aktiv, beliebt und beruflich erfolgreich war - aber auch Menschen, die ein ganz einsames, glanzloses Leben geführt haben - ohne Familie, Freunde, sogar ohne Hobbys.

Thema „Tod und Sterben“ oft ein Tabu

Das Thema „Tod und Sterben“ ist seiner Erfahrung nach noch immer für viele Menschen in der Gesellschaft ein Tabu. Nicht selten komme es vor, dass Angehörige im Beratungsgespräch nichts über die letzten Wünsche des verstorbenen Partners oder Vaters angeben könnten: Feuer- oder Erdbestattung? Ein Grabstein oder ein Platz im Ruhewald? Man habe nie darüber gesprochen.

„Lebensschule pur“, nennt Sven Stöckle diesen Berufsabschnitt. Die Begegnung mit Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen hat er als „persönliche Bereicherung“ erfahren. „Ich habe viel über das Leben, aber auch über den Tod gelernt.“ Die Auseinandersetzung mit den Grenzerfahrungen der menschlichen Existenz habe ihm immer wieder aufs Neue gezeigt: „Glück und Leid, Leben und Tod liegen ganz nah beieinander, jeder Tag ist kostbar.“