„Einwanderungsdeutschland – 1945 bis 2023“ ist eine Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung in der Reihe „Zeitbilder“. Herausgeber*innen der Publikation sind Lobna Jamal, Referentin im Referat Grundsatzfragen der Innen- und Demokratiepolitik des Bundespräsidialamts und der Regisseur und Fotograf Mirza Odabaşı.

Lange Zeit wurde sich gegen die Bezeichnung Deutschlands als Einwanderungsland gesträubt, trotz der historischen und zeitgenössischen Realität. Von den Hugenotten über die polnischsprachige Zuwanderung ins Ruhrgebiet und die Anwerbeabkommen der 50er und 60er Jahre. Als zentrale Transitregion Europas hat Deutschland eine lange und vielfältige Migrationsgeschichte, welche unsere Gesellschaft nachhaltig prägt. Etwa 30 Prozent der Menschen in Deutschland haben heute eine Migrationsgeschichte.

Migration als politisches Thema hat Einfluss auf das soziale Miteinander der Gesellschaft. Doch da die Ansichten über das Zusammenleben in Vielfalt so unterschiedlich aussehen, sind kontroverse Debatten und Aushandlungsprozesse entscheidend.

Im Zeitbild „Einwanderungsdeutschland“ der Bundeszentrale für politische Bildung erzählen Eingewanderte ihre eigenen Geschichten und es werden nicht nur die Herausforderungen, sondern auch die Möglichkeiten von Migration debattiert, um Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.

„Ein wichtiger Baustein dabei ist die politische Bildung. Ihr Ziel ist es, Menschen zu befähigen, sich informiert und kritisch mit komplexen Themen auseinanderzusetzen, sich eine Meinung zu bilden und in politischen Diskursen zu engagieren. Denn eine repräsentative Demokratie muss die gesellschaftliche Vielfalt abbilden, sie lebt von den Stimmen der Vielen. Im Einwanderungsland Deutschland.“

Cemile Giousouf, deutsch-griechische Politikerin (CDU) – Vorwort „Einwanderungsdeutschland“

Subjekte der gemeinsamen Migrationsgeschichte

Die Frage ist nicht, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, sondern wie mit dieser Tatsache umgegangen werden soll. Forderungen nach einer Aufarbeitung der deutschen Einwanderungsgeschichte und der Anerkennung der Lebenswirklichkeiten der Betroffenen sowie deren Teilhabe werden zunehmend im öffentlichen Diskurs vertreten.

Bis vor einigen Jahren wurden die Erfahrungen von migrantisierten Menschen fast ausschließlich von Außenstehenden erzählt. Die Erzählenden waren meist Personen, die über Möglichkeiten verfügten, die migrantisierten Menschen fehlten. In diesem Zusammenhang wurden eingewanderte Menschen statt als Subjekte als Objekte der Migrationsgeschichte Deutschlands betrachtet. Doch Geschichte hat immer mehrere Perspektiven, insbesondere im Fall von Migration. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, migrantisierte Menschen als Subjekte der gemeinsamen Migrationsgeschichte Deutschlands anzuerkennen. Das Zeitbild „Einwanderungsdeutschland“ der Bundeszentrale für politische Bildung strebt genau dies an. Es wird Menschen mit unterschiedlichen biografischen Hintergründen eine Projektionsfläche geboten, um ihre Perspektiven zu schildern.

Inhalte – Migration und Gesellschaft von 1945 bis 2023

Thematisch fokussiert sich die Publikation auf die Auseinandersetzung mit Migration, Integration, Diversität, Rassismus und Zugehörigkeit. Die Aufarbeitung dieser Themen umfasst die kritische Reflexion wissenschaftlicher und öffentlicher Diskurse seit 1945.

Das einleitende Kapitel gibt einen Überblick über die Migrationsgeschichte Deutschlands und einen kritischen Einblick in die Migrationsforschung. Darauf folgend werden in drei Kapiteln die Migrationsdiskurse in der Bundesrepublik Deutschland, in der Deutschen Demokratischen Republik und im wiedervereinigten Deutschland dargestellt. Leser*innen erhalten einen Überblick über grundlegende, thematisch relevante Zahlen und Daten sowie über die gesellschaftlichen Diskurse vor dem Hintergrund des jeweiligen politischen Systems. Ziel des Kapitels ist es, die unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen und medialen Aushandlungen von Migration nachzuvollziehen.

In „Ein genauerer Blick auf …“ werden in Kurzbeiträgen einzelne Aspekte rund um das Thema Migration veranschaulicht. Dazu gehören Beitrage wie Menschenrechte und Migration, Migration und Arbeitsmarkt, FrauenLebenswelten und Kriminalität und Migration.

Das folgende Kapitel zu Integration beleuchtet das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Denn Integration wird als wechselseitiger Prozess verstanden, der nicht nur Eingewanderte, sondern gleichermaßen Einheimische fordert. Sich im Einwanderungs(deutsch)land zu integrieren, ist eine Aufgabe für alle Menschen. Anknüpfend daran illustriert das Kapitel „Rassismus“ in einer Reihe von Beiträgen die Kontinuität von Rassismus und rassistischer Gewalt in Deutschland.

Abschließend diskutiert das Kapitel „Diversität und Zugehörigkeit in der Migrationsgesellschaft“ Fragen um den Begriff „Migrationshintergrund“ und zur Bedeutung des Deutsch-Seins. Das Zeitbild legt hier einen Schwerpunkt auf die persönlichen Perspektiven von Menschen, die selbst eine Einwanderungsgeschichte oder einen anderweitig relevanten Bezug zu der Thematik haben.

Interviewreihe

Auf dem YouTube-Kanal der Bundeszentrale für politische Bildung kann man die 6-teilige Interviewreihe finden, welche im Rahmen der Publikation entstanden ist. Interviewt wurden unter anderem Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani (Soziologe und Hochschullehrer), Prof. Dr. Naika Foroutan (Politik- und Sozialwissenschaftlerin), Dr. Max Czollek (Lyriker, Essayist und Kurator) und Alice Hasters (Journalistin und Autorin).

Interviewreihe, Kapitel 1: Früher war nichts besser

Erhältlich ist „Einwanderungsdeutschland – 1945 bis 2023“ über den Shop der Bundeszentrale für politische Bildung. Aktuell ist die Publikation zwar ausverkauft, ein Nachdruck ist jedoch bereits in Arbeit.

Einwanderungsdeutschland – 1945 bis 2023

Lobna Jamal, Mirza Odabaşı

Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, 2024

407 Seiten

ISBN: 978-3-8389-7237-4

Titelbild: Ansicht Publikation „Einwanderungsdeutschland - 1945 bis 2023“, bpb.