Uschi Glas: „Ich bin für allen Unsinn bereit“ | DiePresse.com
Interview

Uschi Glas: „Ich bin für allen Unsinn bereit“

Uschi Glas
Uschi GlasPicturedesk / Sven Hoppe
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Uschi Glas wurde kürzlich 80 – und ist höchst aktiv. Ein Gespräch darüber, warum es so wenige prominente Frauen ihres Alters gibt, Lust auf Verrücktheiten und Rebellinnengeist.

Tapsi der kleine Babylöwe, diese Rolle in der deutschen TV-Show „The Masked Singer“ einzunehmen habe Uschi Glas, wie sie sagt, einen riesigen Spaß gemacht. Genauso wie die der alternden Schauspiel-Diva Vera im Familienfilm „Max und die Wilde 7 - Die Geisteroma“, der eben in den Kinos angelaufen ist. Und aus Anlass ihres 80. Geburtstages im März hat die deutsche Filmikone ein Buch herausgebracht: „Ein Schätzchen war ich nie“.

Die Presse: Frau Glas, Sie sind heuer 80 Jahre alt geworden, haben ein Buch herausgebracht, waren in „The Masked Singer“ zu sehen, jetzt kommt ein neuer Kinofilm. . . Ruhestand ist nicht so Ihres, oder?

Uschi Glas: Ja, und es macht mir große Freude, immer wieder etwas Neue anzufangen. Als die Anfrage für „The Masked Singer“ kam, da habe ich mir schon gedacht, „Mama mia, soll ich das wirklich machen“? Aber ich bin bereit, Abenteuer einzugehen. Das war auch sehr anstrengend, man muss eine gute Kondition dafür haben. Aber mich hat dieser Herausforderung gereizt. Es war nur schade, dass sie mich so schnell erkannt haben.

Oft heißt es in beim Film, im Showbusiness ja, ab einem gewissen Alter werde es für Frauen schwieriger, werden Anfragen weniger. Bei Ihnen scheint dem nicht so zu sein.

Ja. Ich habe mir auch, als „The Masked Singer“ kam, klar gemacht, dass man die Kolleginnen von mir in meinem Alter fast an einer Hand abzählen kann. Wenn ich da über Männer nachdenke: Ein Mann kann als Sänger, als Schauspieler, als Comedian ruhig älter sein, das macht nichts. Beim Mann heißt es, der wird eher attraktiver, die Frau wird einfach nur alt. Das ist so eine Sache, das tut weh, für Kolleginnen und für Frauen überhaupt.

Man hat aber auch den Eindruck, dass interessante Frauenfiguren in Serien und Filmen mehr werden, auch Hauptrollen für Frauen, die älter sind als 40, 50.

Es gibt Kolleginnen, die berichten, dass sie mit 50 schon einen Einbruch erleben. Das liegt auch an uns als Gesellschaft. In Amerika ist das anders, wenn ich an Meryl Streep oder Jane Fonda denke, die Frauen machen wirklich tolle Filme, das müsste bei uns auch stärker kommen. Warum sollen diese Frauen nicht auch etwas zu erzählen haben? Ich kann auf ein ganzes Leben blicken, auf Erfahrung, daraus kann man wunderbare Geschichten erzählen, die auch junge Menschen inspirieren. Das würde ich gerne noch ein bisschen verwirklichen.

In „Max und die wilden 7“ spielen Sie eine Schauspielerin, eine alternde Diva. Liegt Ihnen die Rolle?

Ja, das gefällt mir natürlich gut, weil sie so eine eitle Person ist. „Ja kennen Sie mich nicht?“ und solche Sachen sagt sie dann. Es macht schon großen Spaß, das zu spielen. Ich war immer ein Fan von Iris Apfel. Sie ist leider jetzt mit 102 Jahren gestorben, aber sie war für mich immer wie so eine Flagge vor mir her, weil sie einmalig war, so verrückt, so außergewöhnlich, so anders als alle anderen. Das ist eine tolle Frau, die älter wird und aktiv ist. Mit dieser Rolle, mit der dicken Brille, wollte ich ein kleines Dankeschön an Iris Apfel schicken.

Mit dieser Rolle oder als Lehrerin in „Fack ju Göhte“ haben Sie ein sehr junges Publikum für sich gewonnen. Inwiefern ist das anders?

Ich besuche durch unser Projekt brotZeit regelmäßig Schulen in ganz Deutschland. Mit brotZeit bieten wir an mehr als 400 Schulen für 15.000 Kinder vor dem Schulbeginn ein Frühstück an, das von Seniorinnen und Senioren zubereitet wird. Vor Fack ju Göthe haben die Kinder, wenn die Direktorin gesagt hat: „Schaut, heute ist die Uschi Glas da“, mit mir natürlich überhaupt nichts anfangen können. Jetzt ist das ein Riesen-Hallo, jetzt bin ich nicht die Uschi Glas, jetzt bin ich die Ingrid Leimbach-Knorr, das macht natürlich großen Spaß.

Ein älteres Publikum kennt Sie als „Schätzchen“, aus dem Film „Zur Sache, Schätzchen“, Ihr Buch zu Ihrem 80er haben Sie jetzt „Ein Schätzchen war ich nie“ genannt. Warum eigentlich?

Ich finde diesen Schätzchen-Film noch immer hervorragend, der war auch ein Bombenerfolg, davon will ich gar keinen Abstand nehmen. Aber was mir auch klar wurde: Dass ich von Kindesbeinen an eine echte Rebellin war, und nicht ein nettes liebes angepasstes Schätzchen. Mein Vater hat sich schon schwer getan mit mir, weil ich immer alles in Frage gestellt habe: Warum? Warum ist das so? Warum darf man nicht widersprechen, wenn der Vater sagt, das ist, wie es ist? Wenn mein Vater gesagt hat: Das ist so, habe ich gesagt: Nee, das ist genau andersrum. Ich war eigentlich immer am Kämpfen, aber ich habe auch nur gemacht, was ich wollte und mich zu nichts überreden lassen. Im Nachhinein war das genau richtig. Natürlich war das nicht einfach, natürlich habe ich Tränen vergossen, wenn Leute gesagt haben: Die ist so stur, mit der kannst du nichts anfangen. Aber trotzdem sage ich auch den jungen Frauen immer: Bleibt euch treu. Horch hinein, was tut dir gut.

Woher kommt der Rebellinnengeist? Vom Vater als Widerpart?

Ja. Ich habe das für mich im Laufe meines Lebens erkannt, dass ich meinen Vater als Jüngste der vier Kinder, die er hatte, erst kennengelernt habe, als er aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam. Meine Geschwister haben ihren Vater schon erlebt. Ich bin 1944 geboren, irgendwann kam dieser fremde Mann zurück. Diese Autorität, die er hatte, das war damals einfach so, dass ein Mann das Sagen hat, das wollte ich nicht so bedingungslos hinnehmen. Aber ich habe später natürlich meinen Frieden mit ihm gemacht.

Aber prägend waren eher Frauen?

Ja, meine Mutter war eine tolle Frau. Eine tüchtige Frau, die ihr Leben angepackt hat, nicht gejammert und das gut hingekriegt hat. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meiner Mutter. Und obwohl wir nie viel besaßen, hatten wir immer noch Platz am Tisch, eine Suppe, ein Essen für jemanden, dem es schlechter ging als uns. Diese gelebte Nächstenliebe hat auf mich großen Eindruck gemacht als Kind, das habe ich verinnerlicht.

Steht das hinter Ihrer Aktion BrotZeit?

Ja, sicher. Wenn man auf der sonnigen Seite des Lebens gehen darf, ist es für mich selbstverständlich, dass man schaut: Wie geht‘s denn dem Nachbar, wie geht‘s den anderen, kann ich anpacken und helfen?

Sie sagten, Ihre Widerständigkeit habe Sie viele Tränengekostet? Wegen der mächtigen Männer im Film, etwa weil Sie Nacktszenen verweigert haben?

Ja, zum Beispiel. Da wollte man mir damals einreden, das das ein Akt der Emanzipation sei. Ich fand das nicht, ich empfand es eher als eine Art Bloßstellen. Das ist meine Meinung, ich sag zu niemandem, das darf man nicht machen, wenn sich jemand damit wohlfühlt. Aber für mich war das nie eine Emanzipation, für mich war es Emanzipation, die Augenhöhe mit Männern zu suchen und diese auch einzuverlangen. Zu sagen: Ich bin nicht das Hascherl, das man zu etwas überreden kann, ich möchte auf Augenhöhe verhandeln.

Wie haben das Ihre Gegenüber aufgefasst?

Die einen haben das akzeptiert, andere haben gesagt: Dann macht sie den Film halt nicht.

Hat Sie das vor Situationen geschützt, die unter #MeToo auch aus dem deutschen Film bekannt wurden?

Ja. Das ist eben die Geschichte: Man darf nicht mit Naivität heran gehen. Ich glaube, dass es Missbrauch und Belästigung immer noch gibt, vielleicht nur nicht mehr so schlimm wie früher. Ich muss auch sagen, aus meiner Erfahrung: Wenn es später hieß, davon hat niemand etwas mitgekriegt – das stimmt einfach nicht. Wenn ein Hauptdarsteller oder ein Regisseur sich so oder so benimmt, dann weiß man das.

Sie stehen noch immer auf, wenn Sie das für notwendig halten. Zuletzt etwa bei Protestaktionen für Israel.

Ich trete jetzt jeden Sonntag für die Geiseln ein, ich nehme an der Aktion „Run for their Lives“ für die Befreiung der israelischen Geiseln, dieser wunderbaren jungen Menschen, die gekidnappt wurden, teil. Man weiß nicht, ob sie noch leben, wo sie sind, was ihnen passiert, das ist eine Katastrophe, das ist einfach unerträglich. Da muss man auch Haltung zeigen. Wie gegen den Ukraine Krieg, diesen grausamen Überfall. Da muss man Haltung bekennen. Und wenn mich jemand deswegen nicht engagiert, dann ist das so. Ich muss am Abend in den Spiegel schauen können. War ich feig? Habe ich eher meine eigene Haut gerettet, als dass ich für etwas eingetreten bin? Das habe ich von meinem Vater.

Jetzt haben Sie heuer einen runden Geburtstag gefeiert. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?

Ich bin sehr froh, im Gegenteil zu kokettierenden Menschen, die immer sagen: „Huch, ich will nicht älter werden!“ Das ist für mich etwas Furchtbares. Wenn man nicht älter werden will, muss man vorher sterben, das ist auch nicht schön. Ich bin sehr dankbar, dass ich 80 werden durfte, dass ich vielleicht wie die Iris Apfel 100 werden kann, dass ich noch viel bewegen kann, dass ich noch drehen kann. Dass ich noch andere Dinge machen kann, ich bin für allen Unsinn bereit und sehr sehr froh, dass ich auf dieser Welt sein darf.

Ist 80 auch ein Alter, in dem man so etwas wie Bilanz zieht?

Ja, nee, Bilanz ziehen, das hört sich für mich an wie rückwärts schauen, das bin ich überhaupt nicht. Wenn man etwas findet, wo man sich denkt, das müsste sich ändern, dann muss man es ändern, aber in der Gegenwart. Dieses Zurückblicken ist für mich total verlorene Zeit, du kannst das Radl nicht zurückdrehen. Das Lamentieren bringt nichts.

Was haben Sie vor? Was steht in nächster Zeit an?

Ich möchte natürlich mit meiner Familie sein, ich habe drei Enkelkinder, drei super Buben, dann möchte ich reisen mit meinem Mann, ich möchte zum Beispiel gerne noch einmal eine Safari machen, da hatte ich so beeindruckende Erlebnisse. Und dann gibt es ein paar schöne Projekte, ich hoffe, noch viele Filme zu drehen. Es gibt genug zu tun.

Haben Sie über Ruhestand einmal nachgedacht?

Nein, eigentlich nicht. Ich arbeite gerne, das ist mein Elixier.

»asdasd«

Zur Person

Uschi Glas, geboren am 2. März 1944 in Landau an der Isar, ist seit den 1960er Jahren eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen.

Am Dienstag den 14. Mai, ist Uschi Glas in Wien zu Gast und wird in der Kulturgarage aus ihrem Buch „Ein Schätzchen war ich nie“ lesen.

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