Auch zu Beginn des Jahres 2023 gehören in Deutschland Gesundheit und Medizin zu den am wenigsten digitalisierten Sektoren unserer Gesellschaft. Dabei ließen sich doch sicherlich, so ist immer wieder zu hören, Milliarden einsparen, wenn die Vernetzung dieses ebenso komplexen wie systemrelevanten Gebietes gelänge. Nicht zuletzt durch den Siegeszug von Google, Apple und Microsoft seit den 2000er-Jahren wurde immer deutlicher, dass Gesundheit schon bald eine komplett neue Infrastruktur und ein neues Geschäftsmodell bekommen wird. In der digitalen Welt werden gerade die Kommunikationsstränge zwischen Patient*innen, Kliniken, Ärzt*innen, Apotheken, Pflegepersonal und Krankenversicherungen neu sortiert.

Drei Veränderungstreiber zeichnen sich ab:

  1. 1.

    Vorausgegangen sind bahnbrechende Veränderungen in der digitalen Welt, unter anderem bei mobilen Endgeräten (M-Health, Fitnessuhren), die es den Nutzern erlauben, eigenständig auf ihre Gesundheit zu achten.

  2. 2.

    Es folgten Veränderungen im Umgang mit Daten in der Forschung und Therapie (Stichwort Big Data, Predictive Analysis).

  3. 3.

    Durch weitere Meilensteine in Gentechnologie und Molekularmedizin werden sich außerdem Medikamente immer besser auf den individuellen Bedarf der Patient*innen abstimmen lassen (personalisierte Medizin).

Doch nach vor gilt (speziell im deutschen Gesundheitssystem): Man kann leidlich funktionierende Arztpraxen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und engagierte Therapeuten beschäftigen und trotzdem ein insgesamt ineffizientes Gesundheitssystem betreiben, wenn die Akteure nicht aufeinander abgestimmt sind.

FormalPara Best Practice Estland: Vernetzte Gesundheitsversorgung als Teil nationaler Identität

Der Fall des Eisernen Vorhangs stellte für Estland einen Nullpunkt, aber vor allem auch ein großes Freiheitsversprechen dar. Die Verwaltung des kleinen Landes im Baltikum nutzte das für die visionäre Konstruktion einer digitalen Gesundheitsversorgung. Engmaschige Vernetzung nimmt durch den Zugang zu Patient*innendaten durch Ärzt*innen, Forscher*innen und Pharmaunternehmen eine zentrale Stellung in der Gesundheitsversorgung ein. E-Rezepte inklusive Übertragung und Ausgabe der Medikamente gehören in Estland seit Jahren zum Alltag. Der Nutzungsgrad elektronischer Patient*innenakten ist in allen Versorgungssektoren hoch, da zwischen den Gesundheitsfachkräften bereits gewohnheitsmäßig Daten und keine Faxe oder Notizzettel ausgetauscht werden. Die Kommunikation mit Dritten (z. B. Analyst*innen, Forscher*innen, Universitäten) ist selbstverständlich und hat zur steten Modernisierung des Gesundheitssystems beigetragen. Die elektronischen Patient*innenakten werden automatisch ausgelesen und in landesweiten Datenbanken zur Verfügung gestellt. Entscheidende Voraussetzung dafür: Der Anteil strukturierter Daten in elektronischen Patient*innenakten ist maximal hoch; deutschlandweit ist bislang nicht einmal die Hälfte aller Gesundheitsdaten in codierter Form teilbar. Eine weitere Voraussetzung hierfür ist, dass die Besuchs- und Nutzerzahlen von öffentlichen Gesundheitsinformationsportalen mit personalisierten Inhalten sich auf einem hohen Niveau befinden. Im nationalen Rahmen ist das „Internet der Gesundheit“ in Estland schon vor Jahrzehnten alltägliche Realität geworden.

Unser zukünftiges Gesundheitssystem braucht digitale vernetzte Infrastrukturen, die das komplexe Versorgungsnetz so verknüpfen,

  • dass den Menschen effektiver und zeitnah geholfen werden kann,

  • Prozesse in der Therapie und Pflege einfacher und menschlicher ablaufen und

  • Gesundheit deutlich effizienter gemanagt wird.

Fakt ist natürlich auch, dass die (Kunden-)Patient*innen in der digitalen Welt neue Bedürfnisse gegenüber dem Gesundheitssystem entwickeln und „fachfremde“ Technologiegiganten längst erkannt haben, dass auf dem Gesundheitsmarkt enormes Geld zu verdienen ist. Die altbewährten Akteure vom Hausarzt, der Apotheke um die Ecke über das Universitätsklinikum bis zum Pflegeheim setzt das gehörig unter Innovationsdruck.

Unbestritten ist deshalb, dass in der digitalen Welt die Rollen der Gesundheitsakteure neu verteilt werden.

Bei der Frage, was folglich zu tun ist, wird immer häufiger nach der digitalen Gesundheitskarte bzw. der elektronischen Patient*innenakte gerufen. Tatsächlich galt lange Zeit der Versuch, mit einem zentral gesteuerten digitalen Ansatz das hochkomplexe Gesundheitssystem neu auszurichten, als grandios gescheitert. Doch schließlich startete am 1. Januar 2021 die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.

FormalPara In Österreich gehört digitale Gesundheitsversorgung längst zum Alltag

Vorbilder für die richtigen Schritte in eine digitale Gesundheitsversorgung in Deutschland gibt es genügend. Beispielsweise im Nachbarland Österreich. Bereits 2005 (!) erfolgte dort mit der E-Card der Startschuss zur digitalen Gesundheitsakte. 2013 kam mit einem entsprechenden Gesetz die Rechtsgrundlage für die Schaffung eines organisationsübergreifenden Informationssystems hinzu, in dem relevante medizinische Informationen patient*innenbezogen gebündelt und für die an einer Behandlung Beteiligten verfügbar gemacht werden [1].

Dazu werden in Österreich die Gesundheitsdaten von Patient*innen in stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern, niedergelassenen Vertragsärzt*innen, Apotheken und Pflegeeinrichtungen verknüpft. Über das Informationssystem können Patient*innen ihre eigenen Gesundheitsdaten einsehen und Gesundheitsdienstleistern zur Verfügung stellen. Ärzt*innen und Krankenhäuser erhalten digitalen Zugriff auf Vorbefunde, Entlassungsberichte und die aktuelle Medikation eines Patienten bzw. einer Patientin. Die elektronische Gesundheitsakte Österreichs unterstützt damit sektorenübergreifend die medizinische, pflegerische und therapeutische Behandlung und Betreuung.

Was immer klarer wird: Es braucht ein groß angelegtes Netzwerk, eine digitale Plattform oder gar eine Meta-Plattform der Gesundheit, die den veränderten Bedürfnissen, Möglichkeiten und Effizienzanforderungen gerecht wird. Intelligente IT-Lösungen im Gesundheitsbereich müssen zwischen einer Vielzahl von Akteuren (Patient*in, Angehörige, Krankenhaus, Hausärzt*innen, Fachärzt*innen usw.) für einheitliche Datenstandards sorgen. Und nur auf einer solchen Basis, da sind sich die Expert*innen einig, kann die Behandlungsqualität verbessert werden und können die Effizienzgewinne der digitalen Gesundheitsversorgung gehoben werden.

Die Entwicklung eines Internets der Gesundheit sollte ferner dazu beitragen,

  • medizinische Fehler zu reduzieren,

  • eine bessere Dokumentation und Organisation der Akten zu ermöglichen,

  • Ärzt*innen bei der Erstellung ihrer Behandlungsprotokolle zu helfen,

  • Patient*innen Informationen bereitzustellen, die sie bei der Einhaltung von Medikamentenschemata und -terminen unterstützen.

Laut einem Bericht der Forschungsgruppe Cision wird der globale Markt der Datenverarbeitung auf dem Gesundheitssektor bis 2025 voraussichtlich mehr als 38 Mrd. US-Dollar einspielen. Insbesondere steigende staatliche Ausgaben und Finanzmittel für die Entwicklung von IT-Lösungen für das Gesundheitswesen zum besseren Verständnis von Diagnose- und Behandlungsmustern dürften zu dem gigantischen Wachstum beitragen.

Andere EU-Länder, insbesondere in Skandinavien, sind Deutschland bei der Digitalisierung der Gesundheit um Längen voraus. Im alljährlich erscheinenden „Digital Economy and Society Index“ (DESI) der EU-Kommission belegt die Bundesrepublik nur Platz 13 von 28 [2]. Auf den ersten Plätzen rangieren Schweden, Finnland, Estland und Dänemark. Dort tragen die Digitalisierungsmaßnahmen bereits Früchte, denn allen genannten Ländern gelingt es – trotz der Digital-Investitionen – ihren Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter dem deutschen Wert zu halten. Die Patient*innenversorgung verbessert sich, weil beispielsweise Fehl- und Doppelbehandlungen leichter erkannt und reduziert werden können.

Wie man es nicht machen sollte, zeigt demgegenüber das amerikanische Gesundheitssystem. Im Jahr 2018 wurden in den USA insgesamt 3,6 Billionen US-Dollar in die Gesundheitsversorgung gesteckt. Bei einer älter werdenden Bevölkerung und einer dramatischen Zunahme von chronischen Erkrankungen könnten die Kosten für die Gesundheitsversorgung bis 2027 auf astronomische sechs Billionen US-Dollar ansteigen. Abhilfe sollen digitale Infrastrukturen schaffen: Allein für die USA gehen Expert*innen davon aus, dass in den nächsten Jahren eine Billion US-Dollar an Effizienzmaßnahmen in ein Internet der Gesundheit investiert werden, die dann nicht zuletzt auch erfindungsreichen Gesundheits-Start-ups zugutekommen werden.

FormalPara Digitale Gesundheit: Ein Zukunftsmarkt für viele Akteure

Digitale Pioniere haben sich auf dem Zukunftsmarkt bereits in Stellung gebracht. Sie kommen aus der Gesundheitsbranche, aber auch mit Software-Kompetenzen aus vielen anderen Gebieten. Jahrzehntelange Expertise bei Büro-Software und Datenverarbeitung macht für Microsoft den Sprung auf den Markt der digitalen Gesundheit zu einer Selbstverständlichkeit. Mit „Caisis“ hat der Konzern ein webbasiertes Open-Source-System entwickelt, das auf kluge Weise Forschung und Patient*innenversorgung verknüpft. Als Framework macht „Caisis“ es den Entwickler*innen leicht, durch Hinzufügen neuer Felder und Tabellen, Plug-in-Funktionen und neuer Module mit eigenständiger Funktionalität die Vernetzungsaktivität zu erweitern. Durch die Erfassung von Daten im Datenmodell von „Caisis“ können große „saubere“ Datensätze für die institutionenübergreifende Forschung erstellt werden.

„Emis“ ist das Datengehirn des britischen Gesundheitssystems. Expert*innen gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte der niedergelassenen Ärzt*innen in Großbritannien Emis-Health-Software verwendet. Mit seinem Patient*innenzugangs-Service war Emis der erste Anbieter von klinischen Systemen, die es Patient*innen gestatten, Arzttermine online zu buchen und wiederholt Rezepte zu bestellen. Mit Emis können Patient*innen im Vereinigten Königreich selbstständig auf ihre Daten zugreifen. Castlight Health wiederum hat sich als digitale Hilfe im US-Gesundheitsdschungel bewährt. Das Unternehmen beschäftigt sich eigens mit der Behebung von Ineffizienzen im US-Gesundheitssystem. Das Unternehmen hat dafür eine Plattform entwickelt, die Mitarbeiter*innen von Unternehmen dabei hilft, bessere Gesundheitsentscheidungen zu treffen. In den USA wird bei 60 % der Bevölkerung die Gesundheitsversorgung durch den/die Arbeitgeber*in vermittelt. Castlight kombiniert deshalb Big-Data-Analysen, Software- und Servicemodelle sowie verbraucher*innenorientierte Web- und Mobilprodukte, um Verschwendung bei den Gesundheitsausgaben der Arbeitgeber*innen zuvorzukommen.

Die Software von Phreesia hat dazu beigetragen, dass in den USA die Zahl der abgelehnten Behandlungsansprüche und der unangenehmen Gespräche über Abrechnungsprobleme in den Front Offices der Ärzt*innen und Kliniken deutlich verringert werden konnte. Das Unternehmen begann 2005 damit, den Check-in-Prozess für medizinische Gruppen und Gesundheitssysteme in den USA zu automatisieren. Phreesia unterhält mittlerweile eine Plattform für Gesundheitsanbieter, die Aufgaben wie das schnelle Einchecken von Patient*innen übernehmen. Aktuell entwickelt Phreesia Software-Produkte für die Überprüfung von Versicherungsberechtigungen, Patient*innenumfragen, Terminbuchungen, Mahnungen, Abrechnungen und Zahlungsabwicklungen. Mit der Phreesia-App auf dem Handy können Patient*innen in den USA im Voraus bezahlen oder automatisierte Zahlungspläne für Dienste einrichten.

Die deutsche CompuGroup aus Koblenz hat in den vergangenen Jahren eine Plattform für die Vernetzung sämtlicher Beteiligten im Gesundheitswesen entwickelt. Mit eigenen Standorten und zahlreichen Kund*innen weltweit ist die CompuGroup das Digital-Health-Unternehmen mit einer der größten Reichweiten unter europäischen Leistungserbringern im Gesundheitsbereich. Zu den Produkten gehören Online-Informations-Dienste, die einen sicheren Austausch medizinischer Daten sowie vollständig internetbasierte Abrechnungs- und Bürodienste für niedergelassene Ärzt*innen und Zahnärzt*innen ermöglichen.

Aktuell tummeln sich auf dem Markt der digitalen Gesundheitsinfrastruktur verschiedenste Akteure. Auf der einen Seite stehen kleinere Pioniere, die sich ausschließlich auf einzelne Digital-Health-Anwendungen oder nationale Märkte konzentrieren. Sie machen rund 30 % des Marktes aus. Auf der anderen Seite gibt es die bekannten Digitalriesen wie IBM, die Google-Mutter Alphabet oder den chinesischen Konzern Alibaba, die angesichts der Aussicht auf zweistellige Wachstumsraten ihr Geschäftsmodell und ihre Gewinnbasis in Richtung Gesundheit erweitern wollen. Darüber hinaus werden natürlich auch klassische Gesundheitsunternehmen wie Medizintechnikanbieter und Pharmaunternehmen, aber auch Finanzdienstleister und Versicherungsunternehmen in der Gesundheit künftig eine wichtige Rolle spielen.

An der Wall Street war vor allem das Jahr 2019 ein Jahr des Durchbruchs für digitale Gesundheitsunternehmen. Neben Phreesia (siehe unten) gibt es noch eine Handvoll anderer Unternehmen, die den Börsengang wagten – ein Zeichen für den anspringenden digitalen Gesundheitsmarkt. Change Healthcare, Ancestry.com, Health Catalyst und Livongo testen nach fast dreijähriger Ruhepause der IPO-Aktivitäten im Bereich der digitalen Gesundheit die Gewässer mit öffentlichen Angeboten. Und die Unternehmen sind keine Greenhorns: Abgesehen von Livongo, das 2014 gegründet wurde, sind alle Kandidaten seit über einem Jahrzehnt in Medizin und Gesundheit aktiv.

Aktuell glänzt die Digital-Health-Branche mit teilweise zweistelligen Wachstumsraten. Kleine und mittelgroße Unternehmen gelten dabei als besonders innovativ. Wo Gesundheit und IT aufeinandertreffen, entstehen neue Geschäftsmodelle, die versprechen, auf innovative Weise die Effizienz und Effektivität der Gesundheitssysteme endlich zu verbessern. Allein im deutschen Gesundheitssystem ließen sich mittels Digitalisierung rund 39 Mrd. € pro Jahr wirksamer einsetzen, wie eine Studie von PwC Strategy zeigt [3]. Keine Frage, von diesem Potenzial werden auch Anleger profitieren, die in Digital-Health-Unternehmen investieren.

FormalPara Die Roadmap für den Start in die Ära des Internets of Medical Things

Wie wir gesehen haben, ist der Kampf um das zukünftige Internet der Gesundheit längst im Gange. Fünf Trends werden die Entstehung dieses neuen Zukunftsmarktes in den kommenden Jahren entscheidend beeinflussen:

  • Start-ups prägen die digitale Gesundheit: Neue Konkurrenz entsteht auch durch Start-ups, die mit innovativen Ideen die etablierten Unternehmen herausfordern. Aufgrund der positiven Marktaussicht müssen sie sich keine großen Sorgen um die Finanzierung machen, solange sie ein taugliches Geschäftsmodell vorweisen können. So hat die Risikokapital-Finanzierung im Bereich der digitalen Gesundheit im Jahr 2021 so etwas wie einen Post-Corona-Boom erlebt. Die Investitionen schnellten gegenüber dem Vorjahr um sage und schreibe 79 % nach oben auf insgesamt 57,2 Mrd. US-Dollar. Erfreulich: Viele Impulse kommen aus Regionen außerhalb der USA, die nur noch knapp ein Viertel der Top-150-Health-Start-ups beheimaten [4].

  • Digitale Gesundheit schafft Jobs und prägt neue Berufsbilder: Die Digitalisierung wird auch die Attraktivität medizinischer Berufe massiv verbessern, wenn es beispielsweise gelingt, die ärztliche Dokumentation und viele aufwendige Verwaltungsprozesse intelligent zu automatisieren. So bleibt am Ende mehr Zeit für die Zuwendung zu den Patient*innen. Mit neuen digitalen Produkten und Dienstleistungen werden in den nächsten zehn Jahren vor allem aber auch rund 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, vorwiegend im High-Tech-Segment mit Fokus auf Informatiker, Data Scientists und Ingenieure.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Unternehmen Tabula Rasa. Das US-Start-up entwickelt Softwaresysteme zur Erkennung und Vermeidung unerwünschter Neben- und Wechselwirkungen verschiedener Medikamente. Imprivata hingegen ist ein junges Unternehmen, das auf die Sicherheit von Patient*innendaten spezialisiert ist. Das Unternehmen wurde 2016 vom Private-Equity-Investor Thoma Bravo für 544 Mio. US-Dollar gekauft. Der Aktienkurs stieg bei Bekanntgabe des Übernahmeangebots um 33 %. Im Folgejahr übernahm Imprivata das Start-up Web MD, eine digitale Info-Plattform zu Gesundheitsthemen. Dafür zahlte die Beteiligungsgesellschaft KKR 2,8 Mrd. US-Dollar – ein Aufschlag von 20 % auf den letzten gehandelten Kurs.

  • Ohne staatliche Investitionen in die Dateninfrastruktur geht es nicht: Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines Internets der Gesundheit ist das Vorhandensein einer Breitbandinfrastruktur, welche die IT-Sicherheit medizinischer Einrichtungen garantiert und die Modernisierung der IT-Infrastrukturen in Krankenhäusern und speziell auch auf dem ambulanten Sektor unterstützt. Vor allem in deutschen Krankenhäusern gibt es hier – bedingt durch die schwierige wirtschaftliche Situation – einen Investitionsstau, der den digitalen Aufbruch bremst. Im ambulanten Bereich sind Arztpraxen oftmals nicht in der Lage, notwendige Digitalisierungsinvestitionen zu tätigen. Ein digitalisiertes Gesundheitssystem lebt aber von der digitalen Vernetzung aus stationärer und ambulanter Versorgung und über verschiedene Fachärzt*innengruppen hinaus.

  • Gesundheit in der Cloud – Vorbild Niederlande: Um die Digitalisierung weiter voranzubringen, hat die Regierung der Niederlande bereits im Jahr 2015 Investitionen im Umfang von rund 130 Mio. € bewilligt. Große Aufmerksamkeit genießen Anwendungen auf mobilen Endgeräten (M-Health). Einer Studie zufolge gehören die Niederlande europaweit zu den fünf Ländern mit den besten Marktbedingungen für Unternehmen aus dem Digital-Health-Sektor, nicht zuletzt wegen der gut entwickelten elektronischen Infrastruktur und der hohen Bereitschaft von Ärzt*innen, mit Apps und Software zu arbeiten. Krankenhäuser und Hausärzt*innen nutzen überwiegend elektronische Dossiers. Im Jahr 2020 sollen in den Niederlanden 80 % aller Daten im Gesundheitswesen über die Cloud transportiert werden.

  • Interoperabilität fördern: Die in der Vergangenheit erfolgte Konzentration beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien auf einzelne Einheiten oder Sektoren hat gerade in Deutschland nicht zu mehr Übersichtlichkeit, sondern zu einem regelrechten Systemchaos geführt. Dies hat zur Folge, dass in Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken und Rehabilitationskliniken vorliegende Informationen oft nur mit erheblichem Aufwand elektronisch übermittelt und weiterverarbeitet werden können. Den Markt der digitalen Gesundheit wird in den kommenden Jahren jedoch derjenige gewinnen, der einheitliche und transparente Strukturen einziehen kann.

FormalPara Best Practice Pionierplattform „Health Suite“ unter anderem für mehr Therapietreue

Mit seiner digitalen Gesundheitsplattform „Health Suite“ spielt Philips eine Vorreiterrolle beim Aufbau des Internets der Gesundheit. Die „Health Suite“ [5] fasst Patient*innendaten aus Geräten (egal, ob zu Hause oder in der Klinik) in einer Cloud zusammen und stellt sie herstellerübergreifend zur Verfügung. Von dieser Möglichkeit macht etwa Ypsomed Gebrauch, ein Unternehmen, das sich auf Injektionssysteme zur Selbstmedikation spezialisiert hat. Durch die Integration der intelligenten Injektionssysteme in die Philips „Health Suite“ ist Ypsomed in der Lage, digitale Dienstleistungen zur Überwachung der Therapietreue zu entwickeln und seinen Kund*innen (den pharmazeutischen Unternehmen) zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ermöglicht es die „Health Suite“ pharmazeutischen Unternehmen, Injektionsdaten mit Daten aus weiteren Quellen zu integrieren und für die Entwicklung neuer digitaler Dienstleistungen zu nutzen.

FormalPara Google/Alphabet: Fokus auf Patient*innendaten für künstliche Intelligenz

Google ist beim Internet der Gesundheit ganz vorne mit dabei. Google/Alphabet arbeitet mit Ascension an Lösungen, um mittels künstlicher Intelligenz elektronische Gesundheitsakten automatisiert zu verarbeiten und Krankheiten dadurch früher identifizieren zu können. Um die dafür benötigten Algorithmen zu trainieren, sammelt der Suchmaschinenkonzern Unmengen an Daten. Aber auch hier lässt Google/Alphabet die Datenschützer aufhorchen: Wie das Wall Street Journal berichtet, hat der Internetkonzern in den USA die Gesundheitsdaten von Millionen von Patient*innen gesammelt und verarbeitet. Die Daten-Analytics-Plattform für Marketing & E-Commerce wurde von der US-Gesundheitsorganisation Ascension bereitgestellt – weder die betroffenen Patient*innen noch die behandelnden Ärzt*innen erteilten für die Weitergabe ihr Einverständnis. Diese Informationen lieferte Ascension im Rahmen der Partnerschaft. Google/Alphabet hat darüber hinaus im Jahr 2021 mit dem Zukauf des Fitness-Uhrenherstellers Fitbit für Schlagzeilen gesorgt. Der Zukauf sichert dem Konzern nicht nur den Zugang zu Hardware-Entwicklungen aus dem Hause Fitbit, natürlich sind auch die Gesundheitsdaten der Nutzer*innen (und die Marktmacht von Fitbit) von zentralem Interesse. Zwar versicherte Google/Alphabet, die Daten von Fitbit nicht für die Platzierung von Anzeigen zu verwenden, eine strikte Trennung der Daten hin zum Mutterkonzern wird aber keineswegs garantiert.

FormalPara Best Practice: Die Apple-Watch als Werkzeug für die Forschung der Zukunft

Das Geschäft mit Healthcare- und Fitness-Diensten liegt seit Jahren im Trend. Neben Google ist auch Apple mit seiner smarten Armbanduhr längst einer der führenden Player am Markt. Die Diagnose-Features der Apple Watch, die unter anderem mittels EKG die Vitalfunktionen der Träger*innen prüfen und aufzeichnen kann, zählen zu den größten Verkaufsargumenten überhaupt. Doch das Unternehmen aus Cupertino peilt den Gesundheitsmarkt längst auch noch aus einer grundsätzlicheren Richtung an. Ende des vergangenen Jahres teilte Apple mit, dass es sich gleich an drei medizinischen Studien beteiligt, die unter anderem in Kooperation mit der renommierten Stanford University entstehen. Zwischen 2014 und 2018 stieg die Nutzung der US-Bürger*innen von Wearables (unter anderem die Apple Watch) von neun Prozent auf 33 % im Jahr 2018. Apple fragt die Nutzer*innen, ob sie ihre Daten der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen, die Nutzer*innen tun das offensichtlich gerne und die Medizinforschung frohlockt: An der Apple-Herzstudie nahmen 400.000 Personen teil, eine enorm hohe Teilnehmerzahl, die präzise Ergebnisse verspricht.

FormalPara Learnings
  • Digital zu den neuen Bedürfnissen der Menschen: Wie wir sehen, ist die Arbeit an den technischen Voraussetzungen des Internets der Gesundheit in vollem Gange. Der Megatrend Digitalisierung führt gerade auf dem Gesundheitssektor dazu, dass die Kund*innen respektive die Patient*innen völlig neue Bedürfnisse entwickeln. Das stellt insbesondere für die etablierten Akteure eine bisher ungekannte Herausforderung dar – eröffnet jedoch auch die Chance, anhand von neuen Geschäftsmodellen Gesundheitsdienstleistungen und Medizin auf eine neue Ebene der Patient*innennähe und der betrieblichen Effizienz zu heben.

  • Die Digitalisierung der Gesundheit braucht ein aktives Management der Regeln und Bestimmungen: 2019 hat Apple-Chef Tim Cook die Gesundheits- und Medizinbranche zu der zukünftigen Schlüsselbranche für sein Unternehmen erklärt [6]. In den kommenden Jahren wird es darauf ankommen, dass von der Politik klare Vorgaben für die Digitalisierung der Gesundheit gemacht werden. Erst dann kann in Deutschland wie auch in anderen Ländern die Vision eines leistungsfähigen Internets der Gesundheit umgesetzt werden.

  • Das Rennen um die Startplätze bei der Digitalisierung der Gesundheit wird bis 2025 entschieden: Lassen sich die digitalen Potenziale jetzt nicht heben, werden die Kosten in der Pflege und im gesamten Gesundheitssystem der nächsten Jahre massiv ansteigen und das Jahrhundertthema künstliche Intelligenz hat auf den Gesundheitsmärkten der Welt gerade erst einmal Tritt gefasst. Die Spielregeln und die Rollen für den Gesundheitsmarkt der Zukunft werden bis 2024/2025 neu geschrieben. Zukunft passiert. Bis 2024 entscheidet sich, was es für die etablierten Gesundheitsdienstleister zu gewinnen gibt – oder ob Apple und Co. das Rennen unter sich ausmachen.