Frau von hinten mit Akne auf dem Rücken und im Gesicht, sie blickt zur Seite
Hormone spielen bei Akne eine entscheidende Rolle, deshalb wird die Hautkrankheit meist beim Eintritt in die Pubertät sichtbar.
Getty Images/jacoblund

Pusteln, Rötungen, Mitesser: Die allermeisten Menschen kennen das, fast alle haben irgendwann einmal mit unreiner Haut zu tun. Bei manchen entwickelt sich daraus eine Akne, eine der häufigsten Hautkrankheiten. Je nach Erhebung sind zwischen 20 und 50 Prozent aller Menschen betroffen, in Jugendjahren sind es sogar bis zu 90 Prozent.

Doch obwohl Akne so viele betrifft, ist das Thema immer noch mit großer Scham verbunden. "Betroffene leiden extrem unter der gesellschaftlichen Stigmatisierung", sagt der Hautarzt Igor Vujic. Denn noch immer assoziieren viele unreine Haut mit mangelnder Hygiene: "Aber niemand, der Akne hat, ist selbst schuld daran!" Im Gegenteil: Für die Krankheit gibt es viele Ursachen und Faktoren, die eine Rolle spielen – und das macht auch die Behandlung so schwierig.

STANDARD: Für viele ist Akne gleich unreine Haut. Aber ab wann spricht man von Akne? Wie viel unreine Haut ist normal?

Vujic: Es gibt ja viele verschiedene Formen von Akne. Die meisten meinen, wenn sie von Akne sprechen, die Akne vulgaris, wie man medizinischen Fachjargon dazu sagt. Und die zeichnet sich erst einmal durch das Vorhandensein von Mitessern aus. Aber die Frage, ob das dann wirklich schon als Krankheit zu klassifizieren ist, ist sehr subjektiv. Das muss man mit dem Patienten oder der Patientin besprechen.

STANDARD: Wovon hängt das ab?

Vujic: Vom Leidensdruck. Manche kommen mit einer Haut zu mir, bei dir ich mir denke: "Wow, so eine Haut hätte ich gerne", aber die Patienten oder Patientinnen leiden trotzdem unter dem Hautbild. Das muss man als Arzt ernst nehmen und versuchen, besser zu machen. Und dann gibt es wiederum welche, die haben eine stark ausgeprägte Akne und kommen aber wegen eines Nagelpilzes zu mir. Die Akne scheint sie überhaupt nicht zu stören. Also die Grenze zwischen unreiner Haut und Akne zu definieren ist gar nicht so einfach.

STANDARD: Wäre aus medizinischer Sicht eine Behandlung dennoch sinnvoll, auch wenn die Akne den oder die Betroffene nicht stört?

Vujic: Eigentlich schon. Eine tiefe Akne geht ja mit Entzündungen einher. Und es ist klar, dass es für den Körper nicht gut ist, wenn man jahrelang brodelnde Entzündungen unter der Haut hat. Chronische Entzündungen könnten später auch mit der Entstehung von Diabetes oder Bluthochdruck korrelieren. So genau sind die Folgen dieser Entzündungen noch nicht erforscht, aber man weiß, dass sie jedenfalls nicht gut sind für uns. Dazu kommt die psychische Ebene. Wer eine sichtbare Akne hat, wird stigmatisiert. Es gibt eine Menge Studien, die zeigen, dass von Akne Betroffene eher an Depressionen leiden, im Beruf nicht so schnell vorankommen und, und, und.

STANDARD: Dazu kommt, dass das Thema noch sehr schambehaftet ist …

Vujic: Absolut. Betroffene leiden sehr darunter, vor allem in jungen Jahren, wenn der Selbstwert noch nicht so ausgeprägt ist. Die werden oft ausgelacht, und für manche Betroffene ist es so schlimm, dass sie sich komplett aus der Gesellschaft zurückziehen. Sie arbeiten nur noch aus dem Homeoffice und wollen sich nicht mehr sehen lassen, weil es ihnen unangenehm ist. Dazu gibt es auch viel Literatur, die das erhöhte Risiko für Depression und Suizid bei Akne-Betroffenen sehr gut beschreibt.

STANDARD: Vielleicht hat die Stigmatisierung auch mit einem Mythos zu tun, der sich hartnäckig hält. Viele assoziieren Akne immer noch mit schlechter Hygiene.

Vujic: Ja, das ist aber völliger Blödsinn. Betroffene müssen sich nicht einfach häufiger das Gesicht waschen. Ganz im Gegenteil, zu häufiges Waschen beschädigt die Hautbarriere, die man ja braucht, damit keine Mikroorganismen in die Haut eindringen können und es dort zu Entzündungen kommt. Ich empfehle Betroffenen meist, ein- bis zweimal am Tag das Gesicht mit lauwarmem Wasser oder einer pH-neutralen Schaumlösung zu waschen.

STANDARD: Aber in Drogeriemärkten reihen sich meterweise Produkte aneinander, die versprechen, Akne wirksam zu bekämpfen. Wie viel hat Akne mit Pflege zu tun?

Vujic: Grundsätzlich kann der richtige Umgang mit diesen Produkten schon helfen. Das Problem ist nur, dass manche Firmen es so aussehen lassen, als hätten ihre Kosmetika eine pharmazeutische Wirkung. Dabei sind die allerwenigsten Cremen gut untersucht. Dazu kommt, dass es sehr individuell ist, welche Therapie hilft und welche nicht. Was ein Patient verträgt, verträgt der nächste vielleicht gar nicht.

Porträt von Igor Vujic, Dermatologe
"Niemand, der Akne hat, ist selbst schuld daran", stellt der Dermatologe Igor Vujic klar. Umso wichtiger sei es, dass die Stigmatisierung der Betroffenen endet.
Goran Andric

STANDARD: Manche sind sehr stark von Akne betroffen, andere gar nicht. Woran liegt das?

Vujic: Bei Akne spielen irrsinnig viele Faktoren eine Rolle. Erst einmal geht es um die Gene, die genetische Komponente ist wissenschaftlich gut belegt. Aber auch die Hormone spielen eine große Rolle. Deswegen wird die Akne meist beim Eintritt in die Pubertät sichtbar. Die im Körper produzierten Hormone regen die Talgdrüsen an und die produzieren daraufhin mehr Talg und werden größer. Aber die Hormone werden nicht nur im Körper produziert, sie können auch von außen zugeführt werden. Und neueste Erkenntnisse zeigen, dass Hormone auch in den Talgdrüsen selbst produziert werden können. Es entsteht also ein Teufelskreis. Je mehr Talgdrüsen man hat, desto mehr Hormone produziert man, und die wiederum regen die Talgdrüsen an. Und dann kommen noch Stressfaktoren dazu, etwa psychischer Stress. Nahezu jede Patientin und jeder Patient von mir hat auch psychischen Stress.

STANDARD: Welche Rolle spielt die Ernährung?

Vujic: Die ist ein wichtiger Faktor, weil sie Einfluss auf das Darm-Mikrobiom hat. Bei der Akne geht es ja nicht nur um das Mikrobiom der Haut, sondern auch jenes des Darms hängt mit der Akne zusammen. Wie genau, das ist noch nicht erforscht. Aber man weiß jedenfalls, dass Menschen mit Akne ein anderes Mikrobiom mit anderen Bakterien, Pilzen und Viren haben als Menschen ohne Akne. Und man weiß auch, dass man bei Akne auf Produkte mit einem hohen glykämischen Index und hochverarbeitete Nahrungsmittel wie Fastfood verzichten sollte.

STANDARD: Weil Sie Hormone ansprechen – bei jungen Frauen, die mit unreiner Haut zu kämpfen haben, spielt oft auch die Pille eine Rolle. Wie ist denn das Verhältnis zwischen Akne und Pille?

Vujic: Sehr unterschiedlich. Manche Frauen bekommen durch die Pille Probleme wie psychische Verstimmungen oder Gewichtszunahme, die wollen die Pille dann natürlich wieder absetzen. Andere machen mit der Pille hinsichtlich ihrer Haut hingegen sehr gute Erfahrungen, dann kann das durchaus ein Ansatz sein.

STANDARD: Ein Ansatz, ja. Aber ist es dann wirklich die langfristig nachhaltigste Lösung, mit der Pille von außen Hormone zuzuführen?

Vujic: Für manche kann das durchaus eine Lösung sein, ja. Ich würde jetzt wegen einer Akne keine Pille verschreiben. Da gibt es schon andere Therapieoptionen, die man zuerst ausprobieren kann, und wenn die ausgeschöpft sind und nicht wirken, kann man immer noch auf Hormonebene eingreifen und die Pille verschreiben.

STANDARD: Welche neuen Behandlungsansätze sind aktuell besonders vielversprechend?

Vujic: Im Bereich der Lichttherapie tut sich im Moment sehr viel, und es gibt schon gute Erfahrungsberichte. Und ich denke, dass das Mikrobiom und die Frage, wie man es verändern kann, weiterhin eine große Rolle spielen werden. Ich hoffe jedenfalls, dass es in den nächsten zehn Jahren neue Medikamente gibt.

STANDARD: Viele, die Akne haben, haben oft schon seit Jahren damit zu kämpfen. Ist es wirklich so schwierig, eine wirksame Therapie zu finden?

Vujic: Ja und nein. Etwa 30 Prozent meiner Patientinnen und Patienten kommen wiederholt zu mir, und dann müssen wir einen neuen Ansatz suchen. Aber in 70 Prozent der Fälle ist die Behandlung wirksam. Bei vielen ist es vielleicht nicht sofort zu 100 Prozent weg, und es bleiben noch vereinzelt Pickel, aber grundsätzlich ist die Erfolgsrate gut. Was man aber sagen muss, ist, dass man bei Akne einen langen Atem braucht. Jegliche Art von Therapie braucht um die zwei Monate, um wirklich anzuschlagen. Erst dann hat sich die Haut umgestellt und kann man beurteilen, ob die Therapie wirksam ist. So viel zum körperlichen Teil quasi. Noch viel wichtiger wäre für mich aber, dass es Patientinnen und Patienten während dieser Phase vor allem mental gutgeht. Wir müssen als Gesellschaft endlich wegkommen von dieser Stigmatisierung. Schließlich ist niemand, der Akne hat, selbst daran schuld. (Interview: Magdalena Pötsch, 11.5.2024)