Wahlhelfer: Die unsichtbaren Helden der Demokratie
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Wahlhelfer: Die unsichtbaren Helden der Demokratie

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Heinz Even war mehr als zwei Jahrzehnte Wahlhelfer.
Heinz Even war mehr als zwei Jahrzehnte Wahlhelfer. © fischer-bolz

Über zwei Jahrzehnte lang war Heinz Even als Wahlhelfer tätig, nun endet seine Ära unerwartet. Seine Geschichte wirft ein Licht auf die wichtige Rolle der Wahlhelfer. Entdecken Sie, was hinter den Kulissen der Wahlen passiert.

Nachrodt-Wiblingwerde – Das Ende der Ära hat er selbst gar nicht mitbekommen: Heinz Even war mehr als zwei Jahrzehnte Wahlhelfer. Jetzt wurde er nicht mehr einberufen. Keine böse Absicht der Gemeindeverwaltung, sondern eher ein Missverständnis. „So lange Axel Koch noch Vorsteher eines Briefwahlvorstandes ist, wäre er noch mit dabei. Hat er uns gesagt. Doch Axel Koch ist nicht mehr da, deshalb haben wir nicht gefragt“, sagt Benjamin Rottmann, bei der Gemeindeverwaltung für die Europawahl zuständig. Jetzt darf sich Heinz Even für Sonntag, 9. Juni, etwas anderes vornehmen.

Tatsächlich war es immer ein Dreier-Gespann, das bei den Briefwahlen für eine reibungslose Stimmenauszählung in Nachrodt zuständig war: Axel Koch, Heinz Even und Jörg Tybussek. „Wir waren die Erfahrenen“, erzählt Heinz Even schmunzelnd, der auch seine Kinder animiert hat, mal als Wahlhelfer mitzumachen. Eigentlich sei es eine Bürgerpflicht, die jeder mal machen sollte. „Viele rutschen da so durch, haben keine Lust dazu oder fadenscheinige Ausreden“, erzählt Heinz Even.

Ob Europa-, Landtags-, Kommunalwahl oder Bundestagswahl: Heinz Even war immer dabei. „Ich hatte aber keinen Bock, mich ins Wahllokal zu setzen. Ich wollte gern bei der Briefwahl helfen. Man trifft sich um 15 Uhr und zählt erst einmal, ob die Briefe auch da sind, die auf dem Papier stehen. Manchmal reichen ja noch welche ihre Unterlagen auf die letzte Sekunde ein. Dann hat man etwas Luft und dann geht es Paukenschlag um 18 Uhr los. Teilweise hat man 800 Briefunterlagen zum Auszählen“, erzählt Heinz Even.

Das Dreigestirn war eingespielt: „Axel hat meistens alles protokolliert, Jörg und ich haben uns aufgeteilt: Der eine schlitzt, der andere faltetet auseinander.“ Bei der Briefwahl ist ein Brief in einem anderen Brief. Der Zettel mit den Kreuzchen ist in einem Umschlag, der verschlossen wird. Er muss alleine im Umschlag sein. Zudem gibt es eine Bescheinigung, dass der Wähler die Unterlagen erhalten hat, die im äußeren Umschlag sind. „Die kann man schon vor 18 Uhr aufmachen und nachschauen, ob das in Ordnung ist. Und der innere Umschlag wird in die Urne geworfen“, erklärt Heinz Even das Prozedere. Kein Kreuzchen oder zu viele Kreuzchen kommen immer mal vor. Kommentare auch. Wenn jemand sein Kreuzchen bei Partei x macht und daneben schreibt, dass ihm nichts Besseres eingefallen ist, dann entscheidet der Wahlausschuss, ob die Stimme gültig ist oder nicht.

Politiker „scharren mit den Hufen“

„Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Das hat Spaß gemacht“, sagt der 72-Jährige über sein ehrenamtliches Engagement. Nicht so lustig fand er es, wenn „Leute von irgendwelchen Parteien“ vor der Tür standen und mit den Hufen scharrten, weil ihnen die Auszählung zu lange dauerte. „Das ist nicht nur einmal passiert“, erinnert sich Heinz Even. Besonders bei Kommunalwahlen sei das schlimm. Und noch einen kleinen Kritikpunkt hat er: Es müsste in allen Städten und Gemeinden dasselbe Erfrischungsgeld geben, also das Dankeschön-Geld fürs Mitmachen. In Nachrodt sind dies 50 Euro. In anderen Städten kann es schon mal erheblich mehr sein.

Dem Vorsitzenden des TuS Nachrodt sind Wahlen wichtig, nicht nur als Helfer. „Wenn ich gewählt habe, kann ich auch was dazu sagen. Wenn ich nicht gewählt habe, muss ich meinen Mund halten. Ich hätte ja beeinflussen können“, glaubt Heinz Even, dass jede Stimme etwas bewegen kann. Briefwahl findet er übrigens am besten, weil man sich dann in aller Ruhe zu Hause damit beschäftigen könne.

Bei der Europawahl gibt es zwei Briefwahlvorstände in Nachrodt, bei der Bundestagswahl gab es sogar drei, „das ist ein reines Bauchgefühl, man muss abschätzen, wie viele Menschen überhaupt zur Wahl gehen und wie viele davon Briefwahl machen möchten“, sagt Benjamin Rottmann. Die Tendenz zur Briefwahl ist steigend, wobei das Interesse an der Europawahl in der Vergangenheit nicht riesig war. „Es spielen ein paar Unwägbarkeiten hinein. Es gibt einen Ruck, dass die extremeren Kräfte ihre Wählerschaft mobilisieren. Und andere Kräfte, die dagegen halten möchten. Deswegen kann man nicht pauschal sagen, dass die Europawahl eine geringe Wahlbeteiligung haben wird“, glaubt Benjamin Rottmann durchaus an Überraschungen.

Die ersten Briefwahlanträge liegen vor

Die Wahlunterlagen an die Bürger sind raus. Jetzt kommt der große Schwall an Wahlscheinanträgen. Die ersten Briefwahlanträge liegen vor, knapp 200. Dann gehen die ersten Briefwahllagen per Post raus. „Gestern hatten wir schon drei Leute, die bereits ihre Briefwahl vor Ort genutzt haben“, erzählt Benjamin Rottmann. Direkt bei ihm im Wahlamt kann gewählt werden – nicht mehr im Meldeamt. Diese Gelegenheit nutzen zum Beispiel Bürger, die gerade sowieso im Amtshaus sind. „Viele kommen einfach rein und nehmen die Unterlagen mit nach Hause. Dann sparen wir uns die Portokosten“, schmunzelt Benjamin Rottmann.

Er ist am Sonntag, 9. Juni, persönlich mit seiner Kollegin Denise Alexius im Wahlamt, zum Beispiel, um die Schnellmeldungen anzunehmen, als Schnittstelle für den Märkischen Kreis zu fungieren und um für Fragen bereit zu stehen, wenn es irgendwelche Probleme in den Wahllokalen geben sollte.

Benjamin Rottmann ist verantwortlich für die Wahl.
Benjamin Rottmann ist verantwortlich für die Wahl. © Fischer-Bolz, Susanne

„Ich werde morgens um halb 7 aufschlagen und bis zum Ende des Wahltages hier sein“, so Benjamin Rottmann. Für ihn ist es eine spannende Wahl, weil es seine erste eigenverantwortliche Wahl ist und er gucken muss, dass alles funktioniert. „Ich möchte es ja gut machen und nicht, dass die Gemeinde ein schlechtes Bild nach außen abgibt.“

Falsche Wahlzettel kann es nicht geben, da es für ganz NRW dieselben Stimmzettel gibt. Die Wahlzettel werden auch als „die Tapete“ bezeichnet, weil sie mit 35 Parteien so lang sind, dass man damit einen Raum tapezieren könnte. Damit sich die 4750 wahlberechtigten Personen (davon 2421 Frauen und 107 junge Menschen, die 16 und 17 Jahre alt sind) in Nachrodt-Wiblingwerde bei der Vielzahl der Parteien entscheiden können, empfiehlt Benjamin Rottmann den Wahl-O-Mat (www.wahl-o-mat.de), der keine Wahlempfehlung gibt, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik ist. „Ich werde das auch machen, weil man sich dabei mit europäischen Themen auseinandersetzen kann“.

Auch Erstwähler einberufen

Für die Europawahl werden sechs Wahllokale in der Gemeinde geöffnet – im Jugendzentrum Nachrodt, in der Grundschule Nachrodt, in der Sekundarschule am Holensiepen, in der Turnhalle Holensiepen, in der Turnhalle Wiblingwerde sowie im evangelische Gemeindehaus Wiblingwerde. Für jedes Wahllokal wurden sieben Wahlhelfer und -helferinnen einberufen. Zudem gibt es zwei Briefwahlvorstände. Viele Wahlhelfer sind „Wiederholungstäter“ und die bei den vorigen Wahlen angegeben haben, bei künftigen Wahlen zu helfen. „Die ziehen wir natürlich gerne ein, weil sie schon Erfahrungen mitbringen“, sagt Benjamin Rottmann, zuständig im Amtshaus für die Europawahl. Aber auch Erstwähler sind dabei. 90 Prozent haben zugesagt, „die verbliebenen zehn Prozent mussten wir noch mal nachbesetzen.“ Es gibt keine Altersbegrenzung, aber eine Art „Gentlemen Agreement“, dass die Rentner und Rentnerinnen nicht mehr eingezogen werden, „aber das ist keine feste Vorgabe, nur eine Richtschnur. Natürlich werden auch ältere Personen gezogen, sofern sie kundgetan haben, dass sie mitwirken möchten“, sagt Benjamin Rottmann.

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