Manchmal rührt sich das Volk und erschreckt die Volksvertreter. So geschehen jetzt auch bei Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales. Auf seinem Tisch liegt ein Protestpapier zum Bürgergeld, das 223 von insgesamt 294 Landräten unterschrieben haben.
Montag
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. So steht es in Artikel 20 unseres lobenswerten Grundgesetzes. Aber leider wissen die Praktizierer der Staatsgewalt wenig darüber, wie das Volk denkt und was es will. Sie organisieren unser Zusammenleben weit weg vom Willen des Volkes.
Manchmal rührt sich das Volk und erschreckt die Volksvertreter. Den Schrecken der Woche erlebt Sozialminister Hubertus Heil von der SPD. Auf seinem Tisch liegt ein Protestpapier zum Bürgergeld, das 223 von insgesamt 294 Landräten unterschrieben haben. Die verärgerten Landräte kommen aus allen politischen Richtungen.
Sie sind viel näher am Volk als die Ministerialbeamten um Heil herum. Sie sind im ständigen Kontakt mit ihren Bürgermeistern. Sie bekommen direkte Informationen aus den Vorgängen in den Jobcentern und sie reden mit den Bürgern in ihren Gemeinden.
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Landräte: Zu viele nutzen Bürgergeld aus
Das Fazit ihrer Erkenntnisse haben sie an die Regierung nach Berlin geschrieben: Zu viele der vier Millionen Empfänger nutzen das Bürgergeld aus. Sie empfinden die Zahlungen als eine Dauerlösung und nicht als Anreiz, ihre Situation zu verändern.
In acht Punkten formulieren die 223 Landräte konkrete Änderungsvorschläge. Sie handeln von Mitwirkungspflichten der Empfänger, von zu großzügigen Wohnregeln, von zu nachlässigen Sanktionen und von zu fahrlässigem Umgang mit Steuergeldern.
Der Tübinger Landrat Joachim Walter ergänzt, dass nur zehn bis maximal 20 Prozent der Menschen aus der Ukraine im Arbeitsprozess angekommen seien. Viele stünden auf Wartelisten für Sprachkurse. Wir wissen, dass in anderen europäischen Ländern viel mehr Ukrainer arbeiten als bei uns.
Arbeitsminister Heil sollte den Protest ernst nehmen. Erstens aus Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung, die von Ministerien und auch von Parteizentralen in Berlin zu oft missachtet wird. Und zweitens aus Respekt vor dem Volk und den Wählern. Sein Parteigenosse Sven Ambrosy, Landrat in Niedersachsen mahnt: „Hier im Landkreis Friesland kriegt jeder alles mit. Das System muss die Ehrlichen schützen.“
Mittwoch
Manche Themen in Talkshows sind weit weg von der Realität. Dazu gehören Streitigkeiten über den Begriff Leitkultur.
Der geübte Zuschauer weiß, was ihn erwartet. Bekannte Dauergäste aus dem linken Lager zerreißen das Wort, ohne dass ihnen jemand widerspricht. Die Gastgeber achten bei der Auswahl ihrer Gäste auf deren Haltung und Position.
Hoffnungsvoll werfen sie das Reizwort Leitkultur in die Runde und schon beißen die Gäste an und empören sich. Es ist ein Leitmotto der CDU, aber keiner der Debattierer steht im Verdacht, diese Partei zu wählen. Ihre Abneigung gegen die CDU und ihren Vorsitzenden ist offensichtlich.
Bei „Maischberger“ argumentiert eine Leitfrau der ARD ganz ungeniert und unpolitisch: „Merz ist schlicht und ergreifend kein sympathischer Mensch.“ Später legt sie nach: „Ich kenne viele Frauen, die finden ihn nicht gut.“ Entgegen früherer Weichheit haben sich die Konservativen durch das mediale Dauerfeuer nicht einschüchtern lassen und nicht angepasst.
Die Leitkultur steht gut begründet im Grundsatzprogramm. Sie ist ein bürgerlicher Grundwert der CDU und ein Angebot an ihre derzeitigen Wähler und an jene, die sie noch überzeugen möchte. Zur Konsequenz dieser Haltung gehört es auch, auf die Stimmen der Lästerer in den Talkshows zu verzichten.
FOCUS-Gründungschefredakteur Helmut Markwort war von 2018 bis 2023 FDP-Abgeordneter im Bayerischen Landtag.
Mehr aktuelle Finanz-Nachrichten
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach bei einem Bürgerdialog zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes in Berlin auch über das Heizgesetz, das im vergangenen Jahr für große Diskussionen sorgte. Er gestand ein, dass das Gesetz zu weit gegangen sei.
Deutsche Fachkräfte, die im Ausland arbeiten und leben, stehen vor eine Steuer-Problem: Ein neuer Erlass des Bundesfinanzministeriums könnte zu Doppelbesteuerung und Nachzahlungen führen - und auch die Unternehmen belasten.