Menschenrechte in Europa - Deutschland steht öfter auf der Bremse - Gruppe Die Linke im Bundestag
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Menschenrechte in Europa - Deutschland steht öfter auf der Bremse

Rede von Susanne Hennig-Wellsow,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte demokratische Kolleginnen und Kollegen! Bundeskanzler Scholz hat zur Eröffnung des Gipfeltreffens des Europarates im vergangenen Jahr erklärt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Jedes unserer Länder muss seinen Pflichten als Mitglied des Europarats nachkommen – ohne Abstriche.“ Das heißt, wir müssen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ehren und danach handeln; das gilt für den Europarat genauso wie für die EU-Institutionen.

Dann schauen wir mal, wie das eigentlich in Deutschland so steht. Im März dieses Jahres hat sich die EU auf verbesserte Arbeitsbedingungen für Plattformbeschäftigte geeinigt. Unter anderem wird den Beschäftigten das Recht eingeräumt, ihren Beschäftigungsstatus festzustellen, um alle ihnen zustehenden Arbeitnehmerrechte in Anspruch nehmen zu können – ein Zugewinn an Rechtsstaatlichkeit. Und die Bundesregierung? Sie hat nicht zugestimmt.

(Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke]: Unglaublich! – Weiterer Zuruf von der Linken: Pfui!)

Enthalten hat sich Deutschland auch bei dem ebenfalls im Frühjahr verabschiedeten Lieferkettengesetz der EU. Dass unsere Pullis und Hosen von Kindern in Asien genäht werden, ist zukünftig strafbar für die verantwortlichen Modeunternehmen – eine gute Sache, könnte man meinen. Aber auch hier war die Bundesregierung anderer Auffassung.

(Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke]: Das ist ja nicht zu fassen!)

Dabei muss man wissen: Enthält sich eine Regierung in Brüssel, kommt das einer Neinstimme gleich. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung sagt öfter Nein in Europa, wenn Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit gestärkt werden sollen. Ich verstehe ja, dass man einem renitenten Koalitionspartner auch mal etwas zugestehen muss. Aber ich habe überhaupt gar kein Verständnis dafür, wenn diese Zugeständnisse zulasten von Millionen Menschen gehen.

(Beifall bei der Linken)

Um es ganz klar zu sagen: Die FDP macht nicht den Eindruck, tatsächlich für Freiheit und Demokratie weltweit zu stehen.

(Frank Schwabe [SPD]: Was?)

Sie ist allein den Interessen ganz weniger und sehr Wohlhabender verpflichtet, deren Privilegien sie sichern möchte.

(Beifall bei der Linken – Gyde Jensen [FDP]: Wer sagt das denn? Was ist das für eine Aussage?)

Und wenn ein sozialdemokratischer Kanzler dem nicht entschieden entgegentritt, dann ist das natürlich ein Problem.

(Beifall bei der Linken)

Genauso problematisch ist es, wenn die Bundesregierung dazu beiträgt, Menschenrechte zu beschneiden, in dem Glauben, damit den Zulauf von Wählerinnen und Wählern zu rechten Parteien zu stoppen, etwa indem das Recht auf Asyl eingeschränkt wird. Menschen, die in der EU Schutz suchen, können zukünftig an den EU-Außengrenzen in Lagern interniert werden, auch Familien mit Kindern.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch! Das ist der Grund, warum Sie unter 5 Prozent liegen: weil man die Realität negiert!)

Wo bleibt denn da die vom Kanzler ausgerufene Pflicht zur Verteidigung der Menschenrechte, eine der Säulen des Europarates?

(Beifall bei der Linken)

Wer für Demokratie und Recht spricht, der muss auch so handeln, oder er zerstört beides.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)