Tuntenhaus in Prenzlauer Berg gerettet: So geht es jetzt beim queeren Hausprojekt weiter

Tuntenhaus gerettet: So geht es jetzt beim queeren Hausprojekt weiter

Das Bangen ist vorbei: Der Käufer hat eine Frist verstreichen lassen, sodass der Bezirk das Vorkaufsrecht für das Tuntenhaus in Berlin-Prenzlauer Berg ausüben kann.

Berlin: Aktivisten demonstrieren vor dem Abgeordnetenhaus für das alternative Hausprojekt Tuntenhaus.
Berlin: Aktivisten demonstrieren vor dem Abgeordnetenhaus für das alternative Hausprojekt Tuntenhaus.Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Bewohner des Tuntenhauses in der Kastanienallee 86 können aufatmen, denn mit dem gestrigen Tag ist eine Frist des Käufers verstrichen, doch noch – mit strengen Auflagen – Eigentümer des queeren Hausprojektes zu bleiben. Der Privatinvestor hätte bis Mitternacht eine sogenannte Abwendungsvereinbarung unterzeichnen können. Damit wäre es dem Bezirk nicht möglich gewesen, das lange vorbereitete Vorkaufsrecht durchzuführen. 

Ältestes queeres Berliner Wohnprojekt gerettet

Diese Sorgen sind nun vom Tisch. In einer Pressemitteilung gibt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen bekannt, dass das Vorkaufsrecht für die Kastanienallee 86 „vom Bezirk gezogen werden kann“. 

Das 1990 gegründete Tuntenhaus gilt als das älteste queere Wohnprojekt Berlins. Jil Brest vom Tuntenhaus schreibt zum nervenaufreibenden Kampf um die Zukunft des Hausprojektes: „Drei Monate voller Blut, Schweiß und Tränen sind ausgestanden! Drei Monate voller 80-Stunden-Wochen haben mithilfe der vielen, vielen Unterstützer:innen die Ausübung des Vorkaufsrechts für das Tuntenhaus möglich gemacht!“ Sie bedankt sich bei allen Unterstützerinnen. 

Kraftakt von Senat, Bezirk und Bewohnern

Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten, ist erleichtert: „Ich gratuliere vor allem den aktiven Bewohner:innen, die mit buntem Protest, unerschütterlichem Glamour und Glitzer sowie hartnäckigem Engagement beharrlich für den Erhalt ihres Hauses gekämpft haben. Unzählige Demonstrationen (in Berlin und Bayern), kreative Öffentlichkeitsarbeit sowie eindringliche Appelle an die Landes- und Bezirkspolitik haben dazu geführt, dass sogar Schwarz-Rot hier das Vorkaufsrecht für das Haus in der Kastanienallee 86 befürwortet hat.“

Am Telefon ergänzt Katrin Schmidberger, sie sei außerordentlich froh, dass nun eine gemeinnützige Stiftung mit im Boot sei: „Dieser Erfolg hat viele Mütter und Väter, daher danke an alle Beteiligten. Der Bezirk und die beiden Senatsverwaltungen haben erfolgreich an einem Strang gezogen und gezeigt: Da, wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg, um Häuser zu retten. Aber auch die Genossenschaft Selbstbau eG und die Stiftung Edith Maryon haben von Anfang an das Haus mutig unterstützt und somit den Erfolg des Vorkaufsrechts erst ermöglicht.“

Das Tuntenhaus auf der Kastanienallee in Berlin-Prenzlauer Berg
Das Tuntenhaus auf der Kastanienallee in Berlin-Prenzlauer BergSabine Gudath/Imago

Der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste, Cornelius Bechtler, ergänzt, warum diese Lösung genau richtig sei, um das Tuntenhaus als Zentrum für queeres Leben in einem der gentrifiziertesten Viertel der Stadt zu bewahren:

„Das queere Wohnprojekt kann nur mit einem gemeinwohlorientierten Eigentümer fortbestehen. Eine marktorientierte Sanierung des denkmalgeschützten Wohnhauses würde zu einer erheblichen Aufwertung und damit zu Mietsteigerungen führen. Queeres Leben und Orte der Vielfalt sollen weiterhin sichtbar bleiben in unserer Stadt. Mit diesem gemeinsamen Ziel haben Senat und Bezirk alles dafür getan, dass wir als Bezirk das Vorkaufsrecht nun vollziehen können. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat bei der Prüfung der Vorkaufsrechtsausübung eng und vertrauensvoll mit dem für die Ausübung zuständigen Bezirk Pankow und der Stiftung Edith Maryon zusammengearbeitet. Die Stiftung Edith Maryon steht nun für die Ausübung des Vorkaufsrechts bereit.“

Senator Gaebler fordert Gesetz zum Vorkaufsrecht auf Bundesebene

Zur aktuellen Rechtslage sagte Senator Christian Gaebler: „Das aktuell sehr stark beschränkte Vorkaufsrecht macht die Ausübung schwierig und wegen der Herausforderungen bei der Wirtschaftlichkeit auf wenige Fälle begrenzt. Ich appelliere erneut an die Bundesregierung, den vorliegenden Gesetzentwurf zum Vorkaufsrecht endlich zu beschließen, damit die Bezirke in Milieuschutzgebieten das Vorkaufsrecht wieder vollumfänglich anwenden können und nicht nur – wie in diesem Fall – bei stark vernachlässigten Immobilien. Gleichzeitig ermutige ich die Bezirke, von allen bauaufsichtsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die ihnen zur Verfügung stehen.“

„Berlin bleibt Regenbogenhauptstadt!“

Jil Brest schreibt der Berliner Zeitung im Namen der Bewohnerinnen des Tuntenhauses: „Für unser Haus wurde eine sehr gute Lösung mit der Stiftung Edith Maryon gefunden – ermöglicht durch das große Engagement von SelbstBau e.G., Bezirk und Land. Wir sind glücklich, dass das soziale und kulturelle Engagement in unseren queeren Räumen explizit fortgeführt und der einzigartige Charakter des Tuntenhauses erhalten werden soll und freuen uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit mit allen Unterstützer:innen. Berlin bleibt Regenbogenhauptstadt!“