Lieblingsplatz, Ritual – und was der vermisste Arian ausgerechnet kurz vor dem Verschwinden erlernte
  1. Startseite
  2. Welt

Lieblingsplatz, Familienritual – und was der vermisste Arian ausgerechnet kurz vor dem Verschwinden lernte

KommentareDrucken

Eine beispiellose Suche brachte keinen Erfolg. Der kleine Arian aus Elm, Bremervörde, bleibt vermisst. Was ist über den Jungen bekannt?

Bremervörde – Seit dem mysteriösen Verschwinden des kleinen Arian sind nun drei Wochen vergangen. Die Ermittlungen der Polizei haben bislang keine konkreten Ergebnisse gebracht. Mit jedem vergehenden Tag schwindet die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem Jungen. Am Abend des 22. April, einem Montag, verließ der Sechsjährige sein Elternhaus in Elm, Bremervörde. Eine Überwachungskamera zeichnete ihn auf, als er mit einem Stöckchen in der Hand in Richtung Wald lief.

Nach seinem Verschwinden leitete die Polizei unmittelbar eine umfangreiche Suchaktion ein, um den nur leicht bekleideten Arian zu finden. Theorien, wie die Vermutung, dass Arian in den nahegelegenen Fluss Oste oder einen Tümpel gelaufen und möglicherweise bis zur Nordsee getrieben worden sein könnte, führten bisher zu keinem Ergebnis.

Theorien und Spekulationen um vermissten Arian aus Elm, Bremervörde

Da Arian weiterhin als vermisst wird, gibt es zahlreiche Spekulationen. Ein Pianist behauptet, ihn einige Tage nach seinem Verschwinden im Wald gesehen zu haben. Die Bild-Zeitung berichtete am 13. Mai von einem Jagdunfall, nach dem Arian in der „Pflege“ einer unbekannten Person sein soll. Für beide Theorien gibt es jedoch keine Bestätigung. Ungeachtet dessen plant die Polizei eine weitere Suche. Sie beabsichtigt, am 15. und 16. Mai die Bewohner der Ortschaften entlang des Flusses Oste zu befragen – eine Art „Klinkenputzen“, wie die Beamtinnen und Beamten es ausdrücken. Zudem ist geplant, den Fluss Oste erneut mit Booten abzusuchen.

In den letzten Tagen und Wochen sind einige Informationen über Arian ans Licht gekommen. Sie stammen von der Polizei, den Eltern und einer Freundin der Familie. Viele Details gingen in der allgemeinen Berichterstattung unter. Wir nehmen uns die Zeit, noch einmal genauer hinzuschauen. Wer ist Arian?

1. Vermisster Arian ist ein Autist

Arian ist ein autistisches Kind. Der Bundesverband Autismus Deutschland e.V. erläutert, dass „Menschen mit Autismus soziale und emotionale Signale nur schwer einschätzen können“ und zudem „Schwierigkeiten haben, diese auszusenden“. Dies bedeutete für die Polizei, bei der Suche nach Arian äußerst behutsam vorzugehen und spezielle Strategien zu entwickeln.

Da er nicht verbal kommuniziert und wahrscheinlich nicht auf Rufe Unbekannter reagieren würde, setzten die Einsatzkräfte auf Lichtsignale, Kinderlieder, Luftballons und Süßigkeiten, um den Sechsjährigen aus seinem möglichen Versteck zu locken. Auch Tonaufnahmen seiner Familie kamen zum Einsatz. In einer davon erteilte die Mutter Arian die Erlaubnis, sich den Suchtrupps zu nähern. In einer anderen forderte sein Bruder ihn auf, zu ihm zu kommen und zu spielen. Obwohl Arian nicht spricht, hält er Augenkontakt zu seinen Bezugspersonen und bittet sozusagen um Erlaubnis, berichtet die Bild-Zeitung.

Liebevoll sprachen seine Eltern zu Beginn der Suche davon, dass sich ihr Sohn auf „ein großes Abenteuer aufgemacht“ habe. Arian sei von Süßigkeiten und Knalleffekten fasziniert, ebenso von Wasser. Erst am Samstag (11. Mai) war ein vierjähriger Junge mit Autismus auf einem Spielplatz in Rostock verschwunden. Passanten zogen ihn aus einem Teich. Wasser zieht manche Autisten magisch an, heißt es.

Autismus ist eine komplexe und vielgestaltige neurologische Entwicklungsstörung. Häufig bezeichnet man Autismus beziehungsweise Autismus-Spektrum-Störungen auch als Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, die sich auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltensrepertoires auswirken.

Quelle: Bundesverband Autismus Deutschland e. V.

2. Arians Lieblingsplatz und Ritual

Struktur und Regelmäßigkeit sind für Kinder von großer Bedeutung, und Arian ist da keine Ausnahme. Eine Freundin der Familie teilte auf Facebook mit, dass Arian es liebe, auf der Treppe des Elternhauses zu sitzen. Sie bezeichnete die Treppe sogar als „einer von Arians Lieblingsplätzen“. Am Abend gehörte es dazu, mit seinem Bruder und den Eltern gemeinsam fernzusehen. Sie beschrieb dies als ein „Familienritual.“ Während dieser Zeit war Arian stets voller Energie, sprang und hüpfte vor dem Fernseher herum, hieß es weiter.

Arian nahm sich demnach immer wieder Auszeiten auf der Treppe. Er „sitzt dort oft eine Weile für sich, bevor er wieder ins Wohnzimmer zurückkehrt“, so die Freundin der Familie. Während dieser Pausen schauten Arians Eltern regelmäßig nach ihrem Sohn, wie sie weiter berichtete. Nur an diesem verhängnisvollen Abend Ende April war etwas anders. Auch an dem Abend seines Verschwindens habe Arian auf der Treppe eine Pause gemacht. Als dann sein Vater nach ihm gesehen habe, sei die Haustür bereits aufgestanden.

3. Arian konnte die Haustür öffnen

„Der Junge hat erst vor Kurzem gelernt, wie man verschlossene Türen öffnet“, berichtete ein Polizeisprecher bereits in den ersten Tagen der dramatischen Suche. Das dürfte der Hintergrund sein, weshalb Arian unbemerkt von seinen Eltern das Haus verlassen konnte. „Die Haustür der Familie ist sehr modern und nahezu geräuschlos zu öffnen“, erklärte eine Bekannte der Familie in dem Facebook-Beitrag. Der Vater habe den Ernst der Lage jedoch sofort erkannt und die Polizei informiert. Diese leitete direkt Suchmaßnahmen ein. Das ist weiter der aktuelle Stand.

„Viel Glück Arian“ steht auf einem gebastelten Kleeblatt, das an einem Zaun vor dem Bürgerhaus hängt.
„Viel Glück, Arian“ steht auf einem gebastelten Kleeblatt, das an einem Zaun vor dem Bürgerhaus hängt. Der sechs Jahre alte Arian aus Elm, einem Ortsteil von Bremervörde, bleibt vermisst. © Bodo Marks/dpa/Polizei

4. Arian bewegte sich gerne und geschickt

In einem von den Eltern veröffentlichten Beitrag, der durch eine Bekannte veröffentlicht wurde, wurde Arian als ein „sportlicher, geschickter kleiner Junge“ beschrieben, der über eine hohe Energie verfügt, weite Distanzen bewältigen und gut klettern kann. Sie baten die Bewohnerinnen und Bewohner von Elm und den umliegenden Gemeinden, regelmäßig an ungewöhnlichen Orten Ausschau zu halten. Die Familie hat inzwischen einen privaten Suchtrupp engagiert, um mit Spürhunden nach Arian zu suchen. Sie bitten darum, von weiteren privaten Suchaktionen abzusehen, um Arian nicht zu verängstigen. Bei den Spürhunden hat die Familie wenig Bedenken, auch weil die Familie selbst einen Hund besitzt. (mke)

Auch interessant

Kommentare