Es wird teurer: Dilemma durch die Defizite des Klinikums
  1. come-on.de
  2. Lüdenscheid

Es wird teurer: Dilemma durch die Defizite des Klinikums

KommentareDrucken

Das defizitäre Klinikum mit seinen strukturellen Problemen zwingt den Kreis zu einer Grundsatzentscheidung: Soll er für den Liquiditätsausgleich verstärkt auf seine Rücklagen zurückgreifen oder soll er die Kreisumlage erhöhen und die Kosten damit an die Kommunen weitergeben?
Das defizitäre Klinikum mit seinen strukturellen Problemen zwingt den Kreis zu einer Grundsatzentscheidung: Soll er für den Liquiditätsausgleich verstärkt auf seine Rücklagen zurückgreifen oder soll er die Kreisumlage erhöhen und die Kosten damit an die Kommunen weitergeben? © Nougrigat

Der Kreistag soll in Sachen Klinikum Hellersen entscheiden: Muss die Umlage erhöht werden, oder greift man verstärkt auf die finanziellen Mittel aus den Kreis-Reserven zurück?

Lüdenscheid – Anfang Juni wird der Blick vom Kreishaus wieder gen Hellersen gehen. Hin zum Sorgenkind Klinikum, das immer stärker und zuverlässiger defizitär arbeitet. Für die Märkische Gesundheitsholding muss der Märkische Kreis für Jahr 2025 einen, wie es im schönsten Beamtendeutsch heißt, „Liquiditätsausgleich der operativen liquiditätswirksamen Verluste der Märkische Kliniken GmbH“ in Höhe von bis zu 15,8 Millionen Euro einkalkulieren, für 2026 bis zu 9,8 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Das Klinikum schreibt weiter rote Zahlen, für die der Kreis einspringen muss. Aber: Wer soll das bezahlen.

Für den Kreisausschuss Anfang Juni gibt es eine Verwaltungsvorlage, die verschiedene Alternativen skizziert: Zum einen vollständig über den Kreishaushalt, zum anderen vollständig über die Märkische Kommunale Wirtschafts-GmbH. Dritte Alternative: 2025 über die MKG und 2026 über den Kreishaushalt. Egal, welche Variante gewählt wird: Kompliziert wird’s so oder so.

Der Wirtschaftsplan der Kliniken geht für 2023 von einem Verlust von ca. 11,4 Millionen Euro und der Jahresabschluss 2023 von einem tatsächlichen Verlust von voraussichtlich 10,7 Millionen Euro (Stand 22. April) aus. Für 2024 wird ein Verlust von 17,6 Millionen Euro prognostiziert. „Die notwendigen Stützungsmaßnahmen dienten dazu, die Fortführung der Unternehmenstätigkeit (‚Going-Concern‘, das heißt Liquiditätssicherung für mindestens einen zwölf-Monats-Zeitraum) für 2023 und die ersten Monate 2024 abzusichern. Sie stellen keine Sanierung dar“, heißt es in der Vorlage. Der letzte Satz ist mit einem Ausrufezeichen versehen. Weiter: „Die zwingend notwendige strategische und operative Neuausrichtung und Erarbeitung von Sanierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage wird von den Stützungsmaßnahmen nicht substituiert.“

Eine Belastung für die Rücklagen des Kreises

Fernab dieser Feststellungen geht es weiter darum, die Verluste zu kompensieren. Generell gilt es dabei zu differenzieren zwischen der Finanzierung des operativen Verlustes und der Investitionen. Die bisher bekannten Investitionen werden durch den Märkischen Kreis finanziert. Hierzu fand eine Beschlussfassung bereits statt. Das operative Ergebnis wird derzeit noch durch die MKG ausgeglichen. Aber auch die Möglichkeiten der MKD sind endlich. Das macht die Vorlage klar. Wenn sich der Kreis für den vollständigen oder teilweisen Ausgleich über die MKG entscheiden würde, müsste die Geschäftsführung der MKG aufgefordert werden, zeitnah eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, um in Höhe der auszugleichenden Verluste Anteilsscheine des MKG Masterfonds und damit die dort gebündelten Wertpapiere in entsprechender Höhe zu veräußern. Das heißt: Der Kreis müsste massiv an seine Reserven gehen.

In der Vorlage heißt es: „Da die MKG nicht über entsprechend freie Liquidität für den Ausgleich des operativen Verlustes der Kliniken verfügt, wird die Liquidität über Anteilsscheinrückgaben aus dem Masterfonds (in dem die nicht immobilienbasierten Kapitalanlagen ohne die RWE-Aktien, die Bindungsverträgen im Verband der kommunalen RWE-Aktionäre unterliegen, gebündelt sind) erfolgen müssen. Die Gewährung von Verlustausgleichsmitteln für 2024 und 2025 und folgende werden bei der MKG den Aufwand erhöhen und das Ergebnis, die Liquidität sowie das Vermögen entsprechend noch weiter belasten und die Möglichkeiten zukünftig ordentliche Erträge zu generieren, die für die Finanzierung des ÖPNV geplant waren, stark negativ beeinflussen. Der bilanzielle Verlust 2023 wird voraussichtlich circa 26 Millionen Euro und 2024 voraussichtlich etwa 50 Millionen Euro betragen. Der Substanzverzehr aus Verlustausgleich MVG und Kliniken wird allein in 2024 insgesamt über 30 Millionen Euro betragen. Somit verliert die MKG bis Ende 2024 etwa 30 Prozent ihres Vermögens aus den angesprochenen Spezialfonds, sofern die ambitionierten Prämissen der Ertragsplanung der Kliniken greifen.“

Worst-Case-Szenario

Hierbei sind zwei Punkte zu beachten: Der Masterfonds der MKG dient zur Absicherung verschiedener Kreditlinien des Konzerns und seiner Tochter. Tatsächlich frei sind derzeit etwa 34 Millionen Euro des Fondsvermögens disponierbar. Der Rest dient zur Besicherung diverser Linien. Sofern die ambitionierten Prämissen der Ertragsplanung der Klinken realisiert werden, könnte hiermit nur der zu erwartende Liquiditätsabfluss im Wirtschaftsjahr 2024 gegenfinanziert werden. Größere freie Volumina für 2025 stehen derzeit nicht zur Verfügung. Um einen Verlustausgleich über den Verkauf von Wertpapieren der MKG über die 34 Millionen Euro hinaus darstellen zu können, müsste zuvor erst zwingend die Besicherung verändert werden, um weitere Liquidität in 2025 überhaupt abschöpfen zu können. Hierbei würde sich eine Änderung der Besicherung dahingehend anbieten, dass statt der bisherigen Verpfändung von Wertpapieren der MKG eine künftige Absicherung mittels Kreisbürgschaft erfolgt. In der Vorlage heißt es: „Ziel ist es, ab 2025 die Kontokorrentlinie der MKG von derzeit 22 Millionen Euro zu reduzieren: Zielkorridor ist ein Rahmen von maximal zehn Millionen Euro, dieser soll über eine Bürgschaft abgesichert werden.“

Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen dem Bilanzwert der MKG und dem Eigenkapital des Märkischen Kreises stellt sich die Frage nach den rechtlichen Folgen – bis hin zum Szenario einer drohenden Haushaltssicherung für den Kreis, über die niemand im Kreishaus froh wäre.

Zumindest weniger belastet würde die MKG, wenn sich der Kreistag entscheiden sollte, den Liquiditätsausgleich vollständig oder teilweise über den Kreishaushalt zu finanzieren. Dies wäre dann natürlich gute keine Nachricht für die Kreisumlage. Der Kreis würde seine 15 Kommunen damit noch weiter belasten müssen über die Kreisumlage. Gerade auch vor dem Hintergrund der eingereichten Klage der Städte Iserlohn, Menden, Plettenberg und Hemer, die sich eine „differenzierte Kreisumlage“ fürs Klinikum wünschen und nicht mehr dafür zahlen wollen, wäre dieser Weg einer, der noch eine gewisse Rechtsunsicherheit mitbringen würde. Aber für die Masterfonds würde dies konkret bedeuten: Der verwertbare Kapitalstock der Fonds würde sich bei vollständiger Übernahme des Ausgleichs durch den Kreishaushalt „nur“ von 128 Millionen Euro (Ende 2023) auf 86 Millionen Euro (Ende 2026) reduzieren, bei vollständiger Übernahme durch die MKG auf 60 Millionen Euro (Ende 2026).

Klar ist: Der Gürtel wird enger geschnallt werden müssen, gerade und auch für das zweite Sorgenkind, die Märkische Verkehrsgesellschaft. „Die Geschäftsführung der MVG wird angewiesen, zukünftig beginnend mit dem Wirtschaftsjahr 2025 alle Investitionen insbesondere in Fahrzeuge und/oder Infrastruktur über Darlehen, Leasing oder andere geeignete Finanzierungsinstrumente aus dem Wirtschaftsplan der MVG direkt vorzunehmen“, heißt es in der Vorlage, „der Märkische Kreis wird der MVG hierzu entsprechende Sicherheiten mittels einer Bürgschaft zur Verfügung stellen. Die Verwaltung wird beauftragt, parallel zur Erstellung des Wirtschaftsplanes der MVG dem Kreistag die entsprechenden Beschlüsse zur Entscheidung vorzulegen und erforderliche Anzeigeverfahren durchzuführen. Die Geschäftsführung der MVG wird angewiesen, zeitnah entsprechende Gesellschafterbeschlüsse für die Gesellschafterversammlung der MVG vorzubereiten. Die Vertreter des Märkischen Kreises und der MKG im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung der MVG werden angewiesen, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen.“

Strikter Sparzwang auch für das Klinikum

Gerade mit Blick auf die Zukunftsausrichtung und den Umbau des Busbestandes auf E-Mobilität wirft dies natürlich viele Fragen auf, die in dieser Vorlage aber natürlich nicht beantwortet werden.

Auch für die Geschäftsführung des Klinikums gibt es in der Vorlage eine klare Ansage. „Es wird festgestellt, dass die Geschäftsführung der Märkische Kliniken GmbH entsprechend den allgemeinen Haushaltsgrundsätzen des Kreises dem übergeordneten Ziel verpflichtet ist, bei der Führung des Unternehmens unter Beachtung der Zielvorstellung des Gesellschafters Verluste des Unternehmens so weit wie möglich auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Daher soll die Geschäftsführung in Übereinstimmung mit ihren allgemeinen Pflichten als Geschäftsführer unternehmerische Entscheidungen stets auch vor dem Hintergrund dieses Ziels bewerten.“ Das heißt: Es gibt einen Sparzwang, was gerade auch mit Blick auf die Herausforderung durch die Krankenhausreform, sich im Wettbewerb bestmöglich aufzustellen, ein Tanz auf dem Drahtseil sein wird. Dieser Tanz indes wird wohl unvermeidbar sein mit Blick auf die drastische Finanzlage, in die das Klinikum den gesamten Märkischen Kreis gebracht hat.

Auch interessant

Kommentare