Das Theater setzt auf die Jugend und einen umstrittenen Philosophen

Kultur

Das Theater setzt auf die Jugend und einen umstrittenen Philosophen

Das Schauspiel Stuttgart legt mit vielen Ur- und Erstaufführungen den Focus auf den künstlerischen Nachwuchs und junge Themen. Ein innovative Künstlergruppe widmet sich außerdem dem Waldorfschulgründer Rudolf Steiner.

  • Das Schauspiel Stuttgart porträtiert sein Ensemble  – hier im Bild Karl Leben Schroeder – mittels KI und der Fotografin Ingrid Hertfelder.Foto: Schauspiel/Ingrid Hertfelder

    Das Schauspiel Stuttgart porträtiert sein Ensemble – hier im Bild Karl Leben Schroeder – mittels KI und der Fotografin Ingrid Hertfelder.Foto: Schauspiel/Ingrid Hertfelder

Dieser Satz klingt nicht verkehrt: „Es ist eben nötig, dass der Schauspieler seinen eigenen Körper gut kennenlernt, denn diese eigene Körperlichkeit ist im Grunde genommen für den wirklichen Menschen, der zu spielen hat, das Instrument, auf dem er spielt.“ Und dieser dieser Satz wird sicher auch in klassischen Schauspielschulen von Dozenten zu hören sein, und erst recht im Unterricht an einer Waldorfschule. Die Aussage stammt vom kunstsinnigen Erfinder der Anthroposophie, Rudolf Steiner, der 1919 in Stuttgart die erste Waldorfschule gründete.

Der umstrittene Philosoph und Reformpädagoge steht im Zentrum einer der wichtigsten Premieren in der Theaterspielzeit 2024/2025 – und das aus zwei guten Gründen. Zum einen, sagt Schauspielintendant Burkhard C. Kosminski, während er die Saisonpläne vorstellt, wolle das Theater sich weiterhin Themen der Stadt widmen. Für „Die Erziehung des Rudolf Steiner“ konnte das renommierte und innovative britisch-irische Künstlerduo Dead Centre für die Uraufführung gewonnen werden.

Das junge Publikum im Focus

Zum anderen befasst sich das Schauspiel nicht nur mit Krisenthemen (wann wäre mal keine Krise?), sondern legt einen besonderen Focus auf die junge Generation. Das verkündete die neue Chefdramaturgin Gwendolyne Melchinger – einzige Frau an diesem Vormittag auf dem Podium des Dreispartenhauses in der Cranko-Schule am Urbansplatz. Produktionen sind damit gemeint, etwa „Im Ferienlager“ von Olga Bach im Kammertheater und natürlich das Familienstück „Pünktchen und Anton“ von Erich Kästner.

Die Jugendoffensive betrifft auch Aktivitäten außerhalb des eigenen Hauses. „Wir werden zum Ende der Saison fast 100 Partnerschulen besucht haben“, sagt Burkhard C. Kosminski. Noch zu Beginn seiner Intendanz 2018 waren es gerade mal drei (!) Schulen. Wenn man dann noch die Aussage von Opernintendant Viktor Schoner bedenkt – dass Menschen, die vor ihrem 20. Geburtstag einmal in der Oper (stimmt sicher auch für Ballett und Theater) waren, mit höherer Wahrscheinlichkeit spätestens mit 50 wieder zurück zur Kunst finden, ist eine Konzentration auf den Nachwuchs und eine gute Investition in die Zukunft.

Große Namen und zeitgenössische Dramatik

Große Namen von Alfred Döblin bis Yasmina Reza hatte der Intendant außerdem zu verkünden, viel gefragte Regisseure wie Falk Richter, Andreas Kriegenburg, Dusan David Parizek sind am Start, zudem spannende junge Regisseurinnen wie die in Israel geborene Künstlerin Sapir Heller und Jessica Glause.

Auch die Förderung zeitgenössischer Dramatik geht weiter. Büchnerpreisträger Clemens J. Setz schreibt mit „Die Erfindung“ ein neues Stück, wie auch die Ukrainerin Maryna Smilianets mit „Willkommen in der Welt“. Die deutsche Erstaufführung konnte sich das Theater für Dea Lohers in Japan uraufgeführtes Werk „Frau Yamamoto ist noch da“ sichern.

Verkraften müssen Fans großartiger Schauspielkunst den Weggang von Camille Dombrowsky, Evgenia Dodina und Valentin Richter. Dafür kehrt André Jung für „Lear“ zurück, und fünf neue Schauspielerinnen und Schauspieler werden zu entdecken sein.

Info

Premieren
: 21. September
Alfred Döblin: „Berlin Alexanderplatz“. Regie: Dusan David Parizek; 11. Oktober
Dea Loher: „Frau Yamamoto ist noch da“. Regie: Burkhard C. Kosminski; 12. Oktober
Dead Centre: „Die Erziehung des Rudolf Steiner“ (Uraufführung). Regie: Dead Centre; 25. Oktober
Thom Luz: „Das irdische Leben“; Musiktheater. Regie: Thom Luz; 1. November
Wolfgang Borchert: „Draußen vor der Tür“. Regie: Sapir Heller; 24. November
Erich Kästner: „Pünktchen und Anton“. Regie: Karsten Dahlem; 7. Dezember
Martin Crimp: „Cyrano de Bergerac“. Regie: Burkhard C. Kosminski; 11. Januar
Olga Bach: „Im Ferienlager“ (Uraufführung). Regie: Jessica Glause; 8. Februar
William Shakespeare, Falk Richter: „Lear“. Regie: Falk Richter;

8. März
Yasmina Reza: „Drei Mal Leben“. Regie: Andreas Kriegenburg;

22. März
Maryna Smilianets: „Willkommen am Ende der Welt“ (Uraufführung). Regie: Stas Zhyrkov; 3. Mai
Clemens J. Setz: „Die Erfindung“ (Uraufführung). Regie: Lukas Holzhausen; 10. Mai
Thomas Mann: „Buddenbrooks“. Regie: Amélie Niermeyer;

21. Juni
Ödön von Horváth: „Zur schönen Aussicht“; Regie: Christina Tscharyiski.

Neuzugänge
Neu im Ensemble sind Gainer Galke, Simon Löckner (ist bereits in „Ein dunkles, dunkles, dunkles Blau“ zu sehen und am 18. Mai in der Premiere von Kafkas „Amerika“), Mina Pecik (ist bereits in Orwells „Farm der Tiere“ zu sehen), Karl Leven Schroeder (ist bereits in Orwells „Farm der Tiere“ zu sehen) und Silvia Schwinger (sie ist schon in Jelineks „Sonne/Luft“ zu sehen).

Extra
Weiter im Schauspielhaus auftreten wird Harald Schmidt mit seiner Spielplananalyse. Erster Termin für die „Spielplananalyse 24/25“ ist 5. Oktober 2024.

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