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Reflux und Dyspepsie Erkennen, unterscheiden und behandeln

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Bei Refluxösophagitis (hier Grad 2) sind PPI der Therapiestandard. Sie führen zu Abheilungsraten von 70–90 %. Bei Refluxösophagitis (hier Grad 2) sind PPI der Therapiestandard. Sie führen zu Abheilungsraten von 70–90 %. © Immanuel Albertinen Diakonie/ endoskopiebilder.de
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Sodbrennen und Oberbauchschmerzen zählen zu den häufigsten Symptomen in der Hausarztpraxis. Sie können vielfältige Ursachen haben, harmlose wie brisante. Es gilt aber, ein Übermaß an Diagnostik und Therapie zu vermeiden.

Gemeinsam ist den beiden Symptomen Sodbrennen und Oberbauchschmerz, dass sie sich nicht definitiv einem Organ zuordnen lassen. Entsprechend kann ihnen ein breites Spektrum an Erkrankungen zugrunde liegen, betont Prof. Dr. Ahmed Madisch vom Centrum Gastroenterologie Bethanien Agaplesion in Frankfurt. 

Als Dyspepsie bezeichnet man Beschwerden zwischen Nabel und Processus xiphoideus sowie seitlich davon. Dazu zählen neben epigastrischen Schmerzen und Brennen auch postprandiales Völlegefühl, frühe Sättigung, ein Blähgefühl im Oberbauch sowie Übelkeit und Erbrechen. Alarmsymptome wie Blutung, Dysphagie und Gewichtsabnahme (s. Kasten) passen nicht zur Dyspepsie und erfordern eine unverzügliche Abklärung. 

Unbedingt abklären!

  • Beginn der Beschwerden nach dem 60. Lebensjahr
  • Dysphagie
  • Gewichtsverlust > 5 %
  • Appetitverlust
  • Zeichen einer gastrointestinalen Blutung
  • Anämie
  • Familienanamnese für Karzinome im oberen Gastrointestinaltrakt

Den Begriff „Gastritis“ sollte man meiden

Bei Patienten mit dyspeptischen Beschwerden fördert die Diagnostik in etwa 20–30 % der Fälle einen ursächlichen Organbefund zutage. Findet sich keine strukturelle oder biochemische Veränderung, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine funktionelle Dyspepsie, auch Reizmagensyndrom genannt. Den Begriff „Gastritis“ sollte man vermeiden, fordert der Gastroenterologe. Denn der endoskopische und histologische Befund einer Magenschleimhautentzündung korreliert nicht mit der Symptomatik. 

Die beiden häufigsten Erkrankungen bei Sodbrennen und Oberbauchschmerzen sind funktionelle Dyspepsie und gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD). Definitionsgemäß müssen für Letztere Symptome und/oder strukturelle Veränderungen vorliegen, die durch den Rückfluss von Mageninhalt ausgelöst wurden und die Lebensqualität einschränken können. Für die Sicherung dieser Diagnose fehlt bislang ein Goldstandard, denn keine Methode kann für sich allein das Vorliegen der Erkrankung beweisen oder ausschließen. 

In der Therapie muss man zwischen Rückflussbeschwerden ohne oder mit gesicherter GERD unterscheiden. Denn nicht jeder Patient mit klassischen Symptomen hat eine Refluxkrankheit und umgekehrt korrelieren sie nicht mit möglichen Läsionen im Ösophagus. 

Bei allen Manifestationsformen der GERD gelten Protonenpumpeninhibitoren (PPI) als Therapiestandard. Die Abheilungsraten liegen je nach Ausprägung der Refluxösophagitis bei 75 bis 90 %. Bis zu 70 % der Patienten werden beschwerdefrei. Vor allem Patienten mit schwerer GERD und peptischer Striktur benötigen die Medikamente dauerhaft. Eine Übertherapie mit PPI sollte aber vor allem langfristig vermieden werden. 

Bei nicht-erosiver Refluxkrankheit oder leichter GERD – die mehr als 90 % der Fälle ausmachen – kommen auch andere Wirkstoffe wie Alginate, Antazida und H2-Rezeptorantagonisten in Betracht. Denn in diesem Fall geht es nur um die Symptomkontrolle. Außerdem sollte man allen GERD-Patienten nachweislich wirksame Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsabnahme, Erhöhung des Bettkopfendes, Verzichten auf Spätmahlzeiten und verstärkte Bauchatmung nahelegen. 

Bis zu 30 % der Refluxkranken sprechen nicht auf die primäre PPI-Therapie an, ihnen kann eventuell ein Splitting oder eine Verdopplung der Dosis helfen. Außerdem findet sich mit vertiefter Diagnostik möglicherweise doch eine andere Erkrankung als Ursache der Beschwerden. Falls eine Operation indiziert ist, bleibt die laparoskopische Fundoplicatio Methode der Wahl.

Viszerale Hypersensitivität und gestörte Motilität

Eine funktionelle Dyspepsie (FD) wird diagnostiziert, wenn sich mit den üblichen Untersuchungen keine organische, systemische oder metabolische Ursache für die Beschwerden finden lässt (s. Kasten). Unterschieden werden zwei Formen: das Epigastric-Pain-Syndrom mit Schmerzen oder Brennen im Oberbauch und das postprandiale Stress-Syndrom mit Völlegefühl nach der Mahlzeit und vorzeitiger Sättigung. Die FD ist multifaktoriell bedingt, besondere Bedeutung haben wohl viszerale Hypersensitivität und Motilität. 

Rom-IV-Kriterien für funktionelle Dyspepsie

  • länger als drei Monate anhaltende persistierende bzw. rezidivierende Dyspepsie
  • kein endoskopischer Beleg für eine organische Ursache, die die Beschwerden erklären könnte (Refluxösophagitis, Ulkus, Tumor)
  • kein Hinweis darauf, dass die Dyspepsie ausschließlich durch die Stuhlentleerung erleichtert wird oder eine Assoziation mit Stuhlunregelmäßigkeiten besteht (Ausschluss Reizdarm)

Die Diagnose stützt sich auf Beschwerdebild und Anamnese. Andere organische Störungen des oberen Gastrointestinaltrakts, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen, müssen ausgeschlossen sein. Typisch für die FD sind eine lange Vorgeschichte mit wechselnden, stressabhängigen Beschwerden ohne wesentliche Progredienz und eine diffuse, wechselnde Schmerzlokalisation. Ein Gewichtsverlust fehlt. 

Wenn das Routinelabor keine Auffälligkeiten zeigt, empfiehlt Prof. Madisch eine apparative Ausschlussdiagnostik mit Ösophagogastroduodenoskopie (inkl. Test auf Helicobacter pylori), Sonografie und bei Reizdarmbeschwerden eine endoskopische Kolonabklärung. Bei gesicherter FD sollte man von wiederholten Untersuchungen absehen. Eine reevaluierende oder ergänzende Diagnostik wird nur nötig, wenn sich die Symptome ändern oder die Patienten nur unzureichend auf die Therapie ansprechen. 

Entscheidende Bedeutung für den langfristigen Erfolg hat es, die Patienten sorgfältig über das Wesen der FD und realistische Behandlungsziele aufzuklären. Medikamente werden für stark symptomatische Phasen empfohlen, die Auswahl richtet sich nach den vorrangigen Beschwerden. Nur selten sind sie über mehr als 8–12 Wochen angezeigt. 

PPI zeigten in einer Metaanalyse einen signifikanten Therapieeffekt von 10–20 % über Placebo, besitzen aber keine Zulassung für die FD. Eine ähnliche Wirkung wurde für H2-Rezeptor-Antagonisten ermittelt, allerdings bei sehr heterogener Datenlage. Auch für die Helicobacter-Eradikation fand sich in gepoolten Studienauswertungen eine Überlegenheit gegenüber der Scheintherapie. Etwa 10–15 % der Patienten bleiben damit langfristig symptomfrei. 

Einen evidenzbasierten Stellenwert in der Behandlung haben inzwischen Phytopharmaka. Sie wirken spasmolytisch, tonisierend und/oder sedierend auf den Gastrointestinaltrakt. Zur Anwendung kommen fixe Kombis aus Pfefferminze und Kümmelöl sowie Kombinationen verschiedener Extrakte. 

Versagen diese Therapeutika, kommen Antidepressiva zum Einsatz. Für Trizyklika konnte eine Wirksamkeit gesichert werden, für Serotonin-Wiederaufnahmehemmer nicht. Von den Psychopharmaka profitieren vor allem Patienten mit vorrangig abdominellen Schmerzen und/oder seelischer Begleiterkrankung.

Quelle: Madisch A. Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 361-368; DOI: 10.1055/a-2063-0847